Ursprünglich gestartet bzw. gelesen als die chinesische Variante der damals populären Sherlock Holmes Bearbeitungen durch Guy Ritchie, entwickelte bereits der hiesige Vorgänger The Bullet Vanishes (2012) seine ganz eigene Aura und den eigenen, gerade auch auf die Ära und das Setting sowie die materielle Herangehensweise speziellen Reiz. Von dem 'Vorbild' in spe, dass selber in Sachen Ausstattung und Unterhaltungskino mit Bombast vielleicht überzeugen konnte, als Variante von Arthur Conan Doyle aber eher nicht, hob man sich so beizeiten ab und erlangte auf seine Art und Weise eine (für das Kantonesische bzw. das Chinesische Kino) bis dato seltene gesehene Mischung aus Film Noir, aus Detektiverei, und dies auch verbunden mit Anklage an das System und nicht zuletzt auch Spektakelgeschehen. [Regisseur Law Chi-leung selber präferiert Keigo Higashinos "Detective Galileo" Reihe, die mehrfach für das japanische und koreanische Kino und das japanische Fernsehen verfilmt wurde]. Unterstützt durch eine (einheimische) Starbesetzung in den beiden Hauptrollen und der Neuartigkeit von Vorgang und Fortgang gilt der Film sowohl bei den Kritikern als auch beim Publikum als Erfolg, mit Abstrichen in der Auflösung, die noch zu erwähnen sind. Eine Fortsetzung deswegen schnell beschlossene Sache, die nunmehr mit The Murderer Vanishes vorliegt:
Als nach einem raffinierten Gefangenenausbruch der inhaftierten Mörderin Fu Yuan [ Jiang Yi-Yan ] der sie ehemals überführende Inspector Song Donglu [ Lau Ching-Wan ] an den Ort der Tat gerufen und mit ihrem Wiederauffinden beauftragt wird, ahnt er noch nichts von den noch anstehenden Verwicklungen. Song kann die Flüchtige, zu der er innigen Briefkontakt über all die Jahre aufrecht gehalten hat, mit ihrem Hinweisen zwar schnell ausfindig machen, stolpert dabei aber über eine Reihe von Selbstmorden aus luftiger Höhe, die ihm merkwürdig und wie als verdeckte Morde erscheinen. Zusammen mit seiner früheren Fast-Ehefrau Chang Sheng [ Li Xiao-lu ], die sich ihm eng an die Fersen geheftet hat, dem eher sudeligen Cop Mao Jin [ Rhydian Vaughan ] und dem gleichsam Briefkontakt mit Fu Yuan unterhaltenden Ethikprofessor Hua [ Gordon Lam ] stößt Song bei seinen Nachforschungen über ein unterschlagenes Massaker an 78 Arbeitnehmern und Dorfbewohnern in der Nähe, die von dem skrupellosen Geschäftsmann Gao Minxiong [ Guo Xiaodong ] befohlen und von seiner Privatarmee ausgeführt wurde.
Vor und hinter den Kulissen gedreht vom gleichen Team, was die direkte Annäherung an den Vorgänger bzw. der direkte Anschluss und die Weiterbearbeitung des Sujets einfacher, da in vertrauten Händen und im Umgang mit der Materie eingespielten Mannschaft macht. Zurückkehren tun vor allem Regisseur Law, der abermals unter Produzent Derek Yee und abermals von einem Skript des Stammautoren Yeung Sin-ling ausgeht. Zusammen hat man u.a. Double Tap (2000) und Inner Senses (2002) und eben den Erstling um den verschrobenen Ermittler Inspector Song Donglu gestemmt; eine Messlatte, die erstmal erreicht werden muss und in diesem Fall trotz erstmal guter Ansätze und teilweise auch Erfüllen von Versprechen im Gesamtkontext aber leider überhaupt nicht der Fall ist.
Dabei ist die Erinnerung an Teil Eins bei den Machern präsent und wird die Geschichte im Grunde adäquat weiter geknüpft. Ausgehend von dem Gefangenenausbruch wird eine zuvor wichtige Nebenrolle hier zum alles auslösenden Faktor erklärt und sich auf deren Fährte zur Verfolgung angesetzt. Die Spur entwickelt sich auch schnell, allerdings in andere Richtungen als anfangs vermutet, und wird ein viel größeres Bild als gedacht eröffnet. Das Bild ist allerdings bald zu groß, vor allem zu unfokussiert, und zeigt auch mehrfach die gleichen Details, wie in einer langen Wiederholung, die das erklärt, was nicht mehr erklärt werden muss. Andere Dinge aber dafür auslässt. Dabei ist vor allem schön zu sehen, wie viel Mühe man sich für die Ausstattung, die Dekoration, das Umfeld insgesamt gibt. Der Film sieht vor allem prächtig aus, nutzt glorreiche Sets, und wandert anders als sonst üblich und gewohnt auch tatsächlich in der Gegend herum und an verschiedene Plätze (wie Bahnhof, Krankenhaus, ein Arbeitslager vor den Toren der Stadt etc.) und in verschiedene Höhen, wodurch sich wahrhaftig der Eindruck von Lebendigkeit und mehr als nur der ewig gleichen Studiodekoration ergibt. Die meisten Räume sind dabei hell und freundlich und licht durchflossen aufgeräumt gehalten, was den dunklen Schein des Vorgängers angenehm kontrastiert, und wird die Anmutung von Lebhaftigkeit und Vitalität des Gesehenen hier ausnahmsweise durch gute Spezialeffekte noch ergänzt statt intrigiert.
Auch die (wenigen, sprich: zwei) Actionszenen sind vorzüglich, eine Verfolgungsjagd hoch zu Pferde gegen Autos und Maschinengewehr gar außerordentlich überraschend, plus mit ebensolchen Stunts über die Dächer hinaus und hinab in Szene gesetzt. Erfrischend zudem (eigentlich) die Themenauswahl, die mit seiner Anklage an Großmannssucht, Korruption, der Ausbeutung von Arbeitnehmern, der Konspiration mit dem Westen, des krankhaften Bestrebens nach Macht und Gier und gar der Unterhaltung einer Privatpolizei (einer Leib- und Prügelgarde wie die Schutzstaffel) eine seltene Offenheit und Offensivität an den Tag legt, die (theoretisch) viel Platz für Interpretationen an die heutigen Verhältnisse im Mutterland China und auch seinen Beziehungen zur Special Administrative Region Hongkong lässt. Darstellerisch ist das Ganze dabei von den Männern solide, von den beiden Frauen sicherlich auch durch ihre Rollen allerdings entnervend angespielt. Inszenatorisch ist es dafür viel zu dick und dann auch noch viel zu ausgiebig aufgelegt; vor allem die Musikauswahl und auch die oftmalige Wiederholung von Schlüsselmomenten (wie dem Arbeiterprotest oder auch dem Dorfmassaker) treiben jeweilige Augenblicke immer weit über die Grenzen des Nötigen hinaus und will man mehrfach einfach keine Ruhe zur Besinnung geben. Leider ist das Timing sowieso selten richtig gesetzt, der Plot zu ausgewalzt und überhaupt ein großes Fragezeichen, während man die wichtigen Dinge einfach offen lässt und andere, nebensächliche in all ihrer Preziosität so richtig an die Wand fahren lässt.