Michael Bay ist eine Marke, die nicht überall wohlgelitten ist. Plump, vordergründig, schwülstig und inhaltlich simpel wird seine filmische Arbeit nicht selten bezeichnet. Zwar avancierte sein „Bad Boys" (1995) zu so etwas wie einem Meilenstein einer ganzen Generation an jugendlichen Filmfans, dem der rasante „The Rock - Fels der Entscheidung" (1996) im Jahr darauf wenig wegweisend hinterhergeschoben wurde, doch schlich sich bereits in den folgenden Regiearbeiten das Pathos in sein Schaffen. Amerikanische Helden aus dem Märchenbuch retteten zu gravitätisch-seifigen Klängen die Welt vor einem Asteroiden und die USA, und damit die Welt, vor den Japanern und Deutschen. Heroen, die der Ilias hätten entsprungen sein können, trugen das Sternenbanner so nachdrücklich und demonstrativ vor die Augen der Kino-Welt, dass man zu Recht meinte, so etwas augenfällig Plakatives überhaupt noch nie zuvor gesehen zu haben. Nun muss man Michael Bay vielleicht zu Gute halten, dass gerade wir Deutschen in Sachen Flaggenschwenken womöglich schnell überreagieren und uns bisweilen doch auch etwas altklug über die bekundete Liebe anderer zu ihrem Land erheben - und zwar gerade, wenn es sich um die Vereinigten Staaten handelt. Doch die überwiegende Mehrheit der internationalen Filmgemeinde dürfte sich darin einig sein, dass der berüchtigte Regisseur schnellen Schnitten, kunterbuntem Helden-Treiben und extensivem Gebrauch von Computereffekten den Primat einräumt vor bildenden Inhalten und plausiblem Porträt. Das wäre jedoch immer noch kein Grund zur Klage. Brenzlig wird es erst, wenn sich ein Filmemacher, der den Ruf hat, relativ niveaulos zu unterhalten, historischen Themen widmet. So geschehen bei „Pearl Harbor" (2001) und nun, sechzehn Jahre später, bei „13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi".
Die Amerikaner sind eine Weltmacht. Die einzig verbliebene. Definiert wird das übrigens so, dass man innerhalb von vierundzwanzig Stunden an jedem Fleck der Erde militärisch eingreifen könnte. Wenn es denn sein müsste. Kein Wunder also, dass sich auch die Amerikaner für die Nachwehen der Revolution in Libyen interessierten, die zwar einmal mehr ein Monster in Menschengestalt zur Strecke brachte, das Leid insgesamt aber nicht linderte, sondern durchaus erst eine undurchsichtige, hochkomplizierte Situation schuf, an der gerade Europa in Sachen Flüchtlingsströme bis jetzt zu knabbern hat. Das Verteilen von Waffen an die damalige Opposition, deren Ziel es war, Muammar Gaddafi zu stürzen, geschah, wenn auch nicht auf US-Initiative oder US-Engagement hin, so doch mit amerikanischer Billigung. Man sah zu, wie auch islamistische Kräfte, die Todfeinde Gaddafis, aufrüsteten. Das schmeckte natürlich keinem der mit der Materie beschäftigen Verantwortlichen im Pentagon, so froh man auch war, den Sonnenbrillen-Mandrill mit Schirmmütze los zu sein. Die Entscheidungsträger im Fünfeck am Potomac in Washington waren sich zunächst nicht grün und nicht schlüssig, wie man darauf zielführend reagieren sollte. Doch rang man sich bald dazu durch, mit Hilfe der CIA vor allem die Raketenwaffen wieder einzusammeln, die aus den gestürmten Magazinen der überwundenen Armee entwendet worden waren. Und dann geschah, was für die Regierung Obamas offenbar nicht abzusehen war: In der Nacht des 11. September 2012 attackierte ein islamistischer Mob das Gelände, auf dem der amerikanische Botschafter seine Zelte aufgeschlagen hatte, um wenig später die eigentlich geheime CIA-Schaltzentrale in Benghazi anzugreifen, von der doch jeder Einheimische wusste, dass sie dort lag. Es gab Tote. Christopher Stevens, der 52-jährige Emissär, war einer davon.
Die für die damals Belagerten quälend langen 13 Stunden, die man durchstehen musste bis Hilfe eintraf, wurden bereits vom Professor für Journalistik Mitchell Zuckoff vor zwei Jahren in Schriftform unterhaltsam aufbereitet. Auf seinem Buch „13 Hours: The Inside Account of What Really Happened In Benghazi" basiert der gleichnamige Kriegsfilm Bays, der wieder einmal amerikanische Soldaten in das offenbar vom heimischen Publikum heiß geliebte Alamo-Setting setzt („Rio Bravo" [1959], „El Dorado" [1966], „Assault on Precinct 13" [1976], „Der Soldat James Ryan" [1998], „Black Hawk down" [2001], „Herz aus Stahl" [2014] usw.). Die gewaltige Überlegenheit des eigenen Militärs in Szene zu setzen, scheint weniger verlockend zu sein, als sich als David im Kampf gegen Goliath zu inszenieren. Denn wem gehören in diesem Zweikampf traditionell die Sympathien? Eben. Die schlimme Situation, in der sich einige US-Diplomaten, Wachleute und eine Handvoll von der CIA rekrutierte Personenschützer eine Nacht lang befanden, soll hier nicht verharmlost werden, doch reiht sich „13 Hours" harmonisch ein in eine kleine Flut an thematisch ähnlich gelagerten Beiträgen zur heimischen Geschichte, die zum Teil propagandistisch kaschieren sollen, dass man im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen eigentlich schon immer eher aus dem Vollen schöpfte.
Bays Aufhänger sind zwei der von der CIA angeworbenen Bodyguards. James Badge Dale und John Kasinski geben die abgeklärten Veteranen, um die die Story rotiert und die man vor lauter Bart und Tarnschminke oft nur bei genauem Hinsehen auseinanderhalten kann. Wortkarg, routiniert, doch auch vertrauenerweckend, gewinnen die beiden Profis das Interesse und die Sympathien des Zuschauers. Was wichtig ist, denn die ästhetisierenden Bilder Michael Bays stehen von Beginn an im Verdacht, über Inhaltliches hinwegtrösten zu wollen. Zwar gelingt es dem Mann fürs Grobe nicht entfernt, seinen Hauptfiguren ebenso viel Leben einzuhauchen, wie das einst Ridley Scott mit seinem „Black Hawk Down" (2001) zuwege brachte - immerhin ein Film, der sich ebenfalls den Vorwurf gefallen lassen musste, Krieg stylisch zu verpacken -, doch die von ihm interpretierten Persönlichkeiten und entworfenen Rollen sind auch gar nicht das Problem.
Beinahe neunzig Minuten vergehen wie im Flug. Und zwar nicht weil, sondern obwohl es sich um einen Film von Michael Bay handelt. Eine rasante Inszenierung mit Gespür für Spannung und einem Händchen fürs richtige Timing lässt vorübergehend vergessen, dass derselbe Regisseur unlängst erst „Transformers - Ära des Untergangs" (2014) verbrochen hat - einen Film, der immerhin an intellektuellem Niveau die Mainzelmännchen unterbietet. Man reibt sich die Augen und staunt. Der Mann von „Bad Boys" und „The Rock" führt die Feder wie einst in filmischen Jugendtagen. Doch dann, sozusagen auf den vorletzten Drücker, geschieht das, was man von Beginn an befürchtet: Der Instinkt für sinnvolle Zeiteinteilung setzt aus und die Flagge wird gehisst.
Nach dem wilden Sturm auf das Gelände des Botschafters und dem ersten unkoordinierten Angriff auf die Schaltzentrale der CIA wird es ruhig. Viel zu ruhig. Bay gönnt dem Zuschauer eine Verschnaufpause, die nicht nötig gewesen wäre, und wenig zu bieten hat, außer markigem Pathos und patriotischer Leidenschaft. Es wird eine gute Viertelstunde darüber sinniert, weshalb man überhaupt freiwillig in diese Hölle hinabgestiegen ist und nicht gemütlich zuhause mit der Familie vor dem Fernseher sitzt, sein Feierabendbier neben sich. Die aufgeworfenen Fragen dieser Diskussion jedoch sind rhetorischer Natur, ihre Antworten bereits formuliert. Denn das Land ruft und alle Beteiligten wissen das. Einem aufgeklärten Zeitgenossen ist natürlich klar, dass ohne Freiwillige, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren, kein Staat seine Sicherheit zu garantieren vermag und dass natürlich dazu auch das Waffenhandwerk gehört. Nur möchte man als womöglich notorischer Nörgler gerne verstehen, warum einem das nicht nachvollziehbar und differenziert vermittelt, sondern mit der Didaktik einer Kindersendung serviert wird. Michael Bay liegt hier mit seinen Möglichkeiten offenbar an einer Kette, von der er sich nicht lösen kann oder will. Und das kann oder will so mancher eben nicht akzeptieren und schon gar nicht kommentarlos hinnehmen.
Ein Vorzug von „13 Hours - The Secret Soldiers of Benghazi" ist neben der kurzweiligen Umsetzung (wenigstens in den ersten zwei Dritteln des Films) seine ansprechenden, durchaus kunstvollen Aufnahmen. Zwar erinnern die nicht nur an die Bildkomposition von Scotts „Black Hawk Down", sondern auch an die Raufereien der Blech redenden Metallkameraden, doch tut das dem Schauwert der Sache sicherlich keinen Abbruch. Die nächtlichen Schusswechsel sind, und das stand zu erwarten, makellos inszeniert, liefern visuell Lobenswertes und garantieren bei entsprechender Disposition ein gerüttelt Maß an Unterhaltung. Michael Bay kann vieles nicht. Zum Beispiel eine intellektuell interessante Aufführung liefern. Aber er kann Bilder.
Und zack ist es aus. Während zwei Stunden lang nur der Botschafter und ein oder zwei austauschbare Figuren sterben, geht es mit unseren Hauptdarstellern granatenmäßig schnell bergab. Wiederholte Angriffe werden im Bleihagel abgewiesen und niemand kratzt sich auch nur einen Kratzer daran. Doch, die Sache wirkt schon beinahe geschafft, fliegen drei Runden Mörser ins Camp und eine der beiden Hauptfiguren ist eine recht fotogene Leiche. Wie man das eben kennt. Zwar starben zwei der CIA-Angestellten tatsächlich durch Artilleriebeschuss, doch hätte das dramaturgisch anders aufbereitet werden müssen. Denn so wirkt der gesamte Showdown zunächst vergessen und dann holterdiepolter hinterhergeschoben. Wie war das mit dem Gespür fürs Timing?!
„13 Hours - The Secret Soldiers of Benghazi" endet also ohne echten Höhepunkt. Sein zu angehängter Schluss, der Leerlauf zuvor und die latente nationale Ergriffenheit konterkarieren Michael Bays Bemühungen, einen rasanten Kriegs-Actioner zu inszenieren, der, wenn auch nicht kritisch, so doch cineastisch empfehlenswert geworden wäre. So bleibt sein Film ein solides Genrewerk, mit tollen Bildern, ein oder zwei brauchbaren Sympathieträgern und einer Menge Schießbudenfiguren, das übrigens ohne die üblichen nervig schnellen Schnitte auskommt. Auch das sahen manche schon ganz anders kommen.