Zeit ist relativ.
Dieses Prinzip ist eine der vielen Hinterlassenschaften des großen Albert Einstein. Es besagt, dass die Zeit für ein bewegtes Vehikel im Vergleich zu einem ruhenden Bezugspunkt langsamer vergeht. Oder auch, dass für ein Objekt in unmittelbarer Sonnennähe die Uhr im Vergleich zu einem Objekt fern der Sonne aufgrund der stärkeren Anziehungskraft langsamer tickt. Denn Gravitation ist nichts anderes als die Krümmung von Raum und Zeit. Was das mit dem Zeitreise-Mystery-Thriller „Synchronicity" zu tun hat? Zum Beispiel, dass unter bestimmten Umständen die Zeit beim Filmschauen im Vergleich zu einer anderen Beschäftigung relativ lang werden kann.
So faszinierend die Physik der Zeit an und für sich ist - sobald man hergeht und sich ihr filmisch annimmt, scheint über kurz oder lang der theoretische Überbau zu einem großen Luftschloss-Trümmerhaufen zu kollabieren. Wie sollte es auch anders sein? Es ist nun einmal nicht möglich, in die eigene Vergangenheit zu reisen. Auch nicht theoretisch. Aber das ist theoretisch zunächst einmal halb so wild, denn „Synchronicity", der siebte Film des Amerikaners Jacob Gentry, lenkt die Aufmerksamkeit praktischerweise am Anfang nicht auf (auch später nicht gelieferte) plausible Erklärungen, sondern lockt mit seiner visuellen und musikalischen Gestaltung. Beides ist unübersehbar in Retro gehalten und soll den 1980ern entliehen wirken. Dabei fällt auf, dass es draußen nie Tag wird, die Straßen mit Neon-Reklame beleuchtet werden und Jalousien grau-schwarze Schatten in die Räume schemenhafter Hochhäuser werfen, um deren Personal in ein wenig einladendes Dunkel zu tauchen. Ridley Scotts „Blade Runner" (1982) steht hier unzweifelhaft optisch Pate und bewirkt, dass man nun zumindest aufmerkt und näher hinschaut, was sich denn da anbahnt. Dazu gibt es Mucke aus dem Synthesizer.
Das Genie Jim Beale (Chad McKnight) arbeitet fieberhaft an einer Zeitmaschine. Seit Tagen haben er und sein Team nicht mehr geschlafen, um die letzten Handgriffe an einer Apparatur zu tätigen, die die Welt grundlegend verändern soll. Als Klaus Meisner (Michael Ironside), der Finanzier des Projekts, dem ersten Teil des bahnbrechenden Versuchs beiwohnt, eröffnet Meisner dem Physiker, dass er nur bereit ist, weiterhin Geld zu überweisen, wenn er selbst 99% der Anteile von Beales Maschine überschrieben bekommt. Der wiederum weiß nun, dass man ihn nur ausnutzt und seine Zukunft als größter Erfinder aller Zeiten auf dem Spiel steht. Als ihm auch noch, wie er vermutet, seine Skizzen von der schönen Abby (Brianne Davis) gestohlen werden, die offenbar mit Meisner unter einer Decke steckt, entscheidet sich Beale dazu, eine Woche in der Zeit zurück zu reisen und Geschehens ungeschehen zu machen.
Was dann geschieht haben wir schon viel zu oft gesehen. *Spoiler* Beale läuft sich selbst über den Weg und rekrutiert seine um eine Woche jüngeren Freunde. Was einst mit der „Zurück in die Zukunft"-Trilogie eine pfiffig-geniale Idee war, vertreibt heute allerdings zumindest nicht mehr unbedingt die Zeit. Es sei denn, das Drehbuch würde eine durchdacht konzipierte Darlegung liefern, warum es denn eigentlich möglich ist, was da alles möglich ist. Bald stolpert Beale nämlich in ein Zimmer voller toter Beales oder erklärt en passant, dass er offenbar gar nicht in die eigene Vergangenheit gereist sei, sondern in die eines Paralleluniversums. An so viel Grenzgängertum hätte Werner Heisenberg sicher seine Freude gehabt. Oder auch nicht, denn wieder einmal bleibt ein Drehbuch eine kreative Erklärung schuldig und die Logik auf der Strecke. Später wird als konstruierter Plot-Twist noch eingeschoben, dass Abby ein großer Fan ist, Beales Zeitreise-Geschichte allenfalls aus persönlichem Interesse heraus schriftlich fixiert hat und offenbar gar nicht im Auftrag Meisners handelt. Wie sie es dabei allerdings bewerkstelligt, in das von Beale manipulierte, inzwischen recht komplexe Raum-Zeit-Gefüge einzugreifen, entzieht sich durch die bald zwangsläufig einsetzende Unübersichtlichkeit der Kenntnis des zunehmend verwirrten Zuschauers. *Spoiler Ende*
Zeit ist ein dehnbarer Begriff. Und hier vergeht sie ausgangs langsam. Denn wieder und wieder gerät Beale in vorhersehbare Situationen oder verirrt sich in Visionen und Schimären, die er sich mit pseudowissenschaftlichem Geplapper erklärt. Das Ding mit dem Wurmloch ist seit „Interstellar" (2014) irgendwie auch schon durch und allein den Cast des launigen B-Horrorstreifens „The Signal" (2007) unter demselben Regisseur zu reaktivieren, zieht auch keine Massen vor den Fernseher. Was man „Synchronicity" sicherlich zu Gute halten muss, ist seine programmatische Nostalgie. Denn selten traut sich ein Genrebeitrag, derart unbekümmert und abseits kontemporärer Sehgewohnheiten in der Vergangenheit zu wühlen. Umrahmt von zwar preiswerten, aber geschmackvoll gestalteten Kulissen, ist es letztendlich durchaus angezeigt, sich von dem konfusen Treiben im Bild ein wenig berieseln zu lassen und nebenher wohlig davon zu träumen, dass der Tag kommen mag, an dem eine Art filmische Superstring-Theorie in den Player wandert und eingefleischte cineastische Vorurteile endgültig relativiert.