Jährlich sterben in den USA ca. 11.000 Menschen durch Schusswaffen und Michael Moore geht der Frage nach, woran dies liegen könnte. Dazu setzt er beim Massaker an der Columbine-Highschool an und berichtet zunehmend intensiver über ein Land, in dem "normale" Bürger mit einer geladenen 44er unter dem Kopfkissen zu Bett gehen.
Über Michael Moore, der sich als Freund, als Beschützer, als Vertreter des kleinen Mannes aufspielt, obwohl er mittlerweile selbst ein Multi-Millionär ist, streiten sich bekanntlich die Geister, aber mal unabhängig davon, ob man ihn nun leiden kann oder nicht, werden auch seine Kritiker anerkennen müssen, dass es sich bei "Bowling for Columbine" um eine hervorragende Dokumentation handelt, auch wenn sie aus einem vollkommen subjektiven Blickwinkel kommen mag.
Moore stellt dar, wie sich die amerikanischen Waffengesetze über die Jahrhunderte entwickelt haben und, welche Zerstörung die amerikanischen Waffen im In- und Ausland angerichtet haben, er erfüllt also zunächst einmal den Erwartungshorizont, den man sich als Zuschauer von einer Dokumentation über Amerika und seine Waffen erhofft hat, mit einigen Zahlen und Statistiken, die durchaus zum Nachdenken anregen. Dabei zieht Moore so ziemlich alle möglichen Register, von einem Ausschnitt aus dem Programm von Chris Rock, über ein Interview mit Marilyn Manson, auf den man die Schuld am Columbine-Massaker abwälzen wollte, bis hin zu einem zynischen Cartoon. Damit liefert Moore gleichzeitig einige Denkansätze, aber auch perfekte Unterhaltung mit einem rasanten Tempo und seinem typischen, beißenden Sarkasmus.
Aber Moore geht noch über seinen Erwartungshorizont hinaus und stellt Beziehungen zwischen dem übermäßigen Gebrauch der Schusswaffen und der allgemeinen Panikmache in den Medien her und beschränkt sich nicht auf die einfache Schlussfolgerung "mehr Waffen = mehr Tote". Gerade hier erreicht Moore schließlich den Punkt, für den er sich den Oscar für den besten Dokumentarfilm redlich verdient hat. Moore zeigt offen und ehrlich auf, wie die amerikanischen Medien die Bevölkerung manipulieren und sie in Angst halten, womit es kein Wunder wäre, dass die Menschen in Amerika bei der kleinsten Bedrohung überreagieren. Und wenn man sich mal die Berichterstattung der BILD-Zeitung über den Killer-Kometen näher ansieht, oder wie den Deutschen bei "Aktenzeichen XY" Angst gemacht wird, stellt man schnell fest, dass Moore durchaus triftige Argumente hat und, dass man auch hier in Deutschland Anzeichen findet, wenn man sie denn sucht. Moore kämpft sich immer weiter bis zu den Wurzeln der Gewalt vor und liefert dabei mehr als nur eine Dokumentation über Schusswaffen.
Seine Dokumentation lässt er schließlich in zwei Aktionen gipfeln. Zusammen mit zwei angeschossenen Schülern der Columbine-Highschool, einer im Rollstuhl, einer immer noch beeinträchtigt, will er einen Supermarktleiter davon überzeugen, keine Patronen mehr zu verkaufen und anschließend sucht er die Diskussion mit Charlton Heston, dem damaligen Präsident der Waffenbesitzervereinigung, der schließlich auf seinem eigenen Grundstück vor Moore flieht. Die beiden Aktionen sind zwar ebenfalls unterhaltsam, mir persönlich wären jedoch ein paar weitere Fakten und Zusammenhänge lieber gewesen, als zu sehen, wie Moore selbst die Initiative ergreift.
Die Filmmusik ist gut ausgewählt und hinterlegt den Film zu jedem Zeitpunkt passend und auch an der Kameraführung gibt es überhaupt nichts auszusetzen. Die Erzählweise von Moore wirkt stellenweise ein wenig unstrukturiert, in manchen Szenen weiß man nicht unbedingt, worauf er hinaus will, wobei er die Fäden natürlich immer wieder zusammenlaufen lässt, aber eine etwas klarere Struktur wäre dann doch wünschenswert gewesen. Einen Kritikpunkt gäbe es darüber hinaus noch an der deutschen Fassung. Man kann zwar nicht behaupten, dass der Film schlecht synchronisiert wäre, aber das Mitlesen der Untertitel nervt dann doch über die volle Laufzeit, vor allem, wenn Interviews geführt werden, oder stellenweise sehr schnell gesprochen wird. Ich sehe auch nicht, wo das Problem gewesen wäre, wenn man den Film einfach synchronisiert hätte.
Fazit:
Michael Moore zeigt nicht nur eine zynische, unterhaltsame und subjektive Dokumentation über Waffen in den USA, er dringt bis zu den Wurzeln der Gewalt vor und liefert damit einige erschreckende Erkenntnisse über ein Volk, dass von den Medien permanent manipuliert und in Angst gehalten wird. Damit ist "Bowling for Columbine", an dem es auch inszenatorisch nur wenig zu bemängeln gibt der beste Dokumentarfilm, den ich bisher gesehen habe.
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