Mit dem Mark-Wahlberg-Footballdrama „Unbesiegbar“ ging Kameramann Ericson Core (u.a. für „The Fast and the Furious“ und „Daredevil“ verantwortlich) 2006 ins Regiefach, doch erst knapp 10 Jahre später durfte er mit dem Remake von Kathryn Bigelows „Gefährliche Brandung“ wieder eine Major-Produktion ins Kino bringen.
Das im Englischen gleichnamige Original bietet die lose Vorlage für „Point Break“, in dem Core und Drehbuchautor Kurt Wimmer zwar die Grundkonstellation und Namen des Originals übernehmen, gleichzeitig aber signifikante Änderungen vornehmen, weshalb die Neuauflage grundsätzlich erst einmal eine Daseinsberechtigung hat. Wieder geht es um den FBI-Rookie Johnny Utah (Luke Bracey), der hier aber eine Extremsportler- statt Footballervergangenheit hat, welche zudem im Auftakt thematisiert wird, bei dem während beim Dreh eines Videos ein gefährliche Bikestunt schiefgeht und Johnnys bester Kumpel von einer Klippe stürzt. Vergangenheitstrauma, Grund für den Karrierewechsel und Sportler-Credibility wären damit abgeharkt, ehe es weiter im Text geht.
Bankraubende Ex-Präsidenten sind hier nicht das Ziel, auch wenn die Verbrecher bei ihrem ersten Überfall auf eine Diamantenbörse ihre Motorradhelme mit entsprechenden Politikerkonterfeis verzieren. Andere Coups wie Geldraub in luftiger Höhe mitsamt Fallschirmsprung geht ohne Präsi-Anspielungen ab, doch als Szenekenner wird Utah schnell klar, dass die Täter anscheinend das Manifest eines Extremsportler-Gurus abarbeiten, der acht schwer schaffbare bis unmögliche Aufgaben gab. Drei haben sie bereits bestanden, auch wenn das Motiv für ihre Verbrechen nicht klar ist. Dabei zieht „Point Break“ den Fokus maximal weit auf, zeichnet seine Antagonisten als weltweit operierende Kriminelle anstatt einfacher Surfer an kalifornischen Stränden.
Von seinem Vorgesetzten Hall (Delroy Lindo) wird Utah nach Frankreich verfrachtet, wo ihn der Agent Angelo Pappas (Ray Winstone) empfängt und mit ihm aufs Meer zu jenen Jahrhundertwellen hinausfährt, welche man surfen muss, will man die Ozaki 8 genannten Aufgaben erfüllen. Beim Wellenreiten trifft Utah auf die Gruppierung um den Surfguru Bodhi (Édgar Ramírez), die ihn als einen der ihren aufnimmt, nicht zuletzt aufgrund seiner Vergangenheit…
Etablierte das Original noch verschiedene Verdächtige, so wird im Remake – eventuell auch mit Blick auf mit dem Original vertraute Zuschauer – schnell klar, wer sich wohl hinter den Masken der Räuber verbergen wird. Und waren es in „Gefährliche Brandung“ noch hedonistische Räuber, deren Philosophie als Geschwafel entlarvt wurde, das ihre Unternehmungen rechtfertigen sollte, so sind die Täter im neuen „Point Break“ fehlgeleitete Blumenkinder, finanziert von einem Sponsor, deren Motive allein auf eine verquaste Geste des Zurückgebens an den Planten reduziert werden, deren Philosophie man besser nicht hinterfragt. Immer wieder spielt das Script auf das Original an, lässt dessen Schlüsselszenen oft in verändertem Kontext auftauchen, macht aus dem lokalen Surfer-Actionthriller ein globales Extremsportspektakel.
So muss Johnny Utah hier nicht nur surfen und Fallschirm springen, auch Free Climbing, Wingsuit-Fliegen und halsbrecherische Snowboardabfahrten stehen auf dem Plan, wenn man zwischendurch nicht mal just for fun ohne Ausrüstung taucht oder sich (dramaturgisch unmotiviert) in einem Pariser Untergrundfightclub auf die Fresse haut. Hauptsache es ist immer was los und so prasseln die Extremsportszenen quasi im 10-Minuten-Takt auf den Zuschauer nieder, wobei man Cores Hintergrund im Kamerabereich erkennt: Der hier zusätzlich alles Kameramann tätige Regisseur erzeugt starke Bilder, die vor allem durch das tatsächlich sehr sinnvoll eingesetzte 3D atemberaubende Schauwerte liefern, den Zuschauer regelrecht in das Geschehen saugen und mit Übersichtlichkeit, dynamischen Schnitt und Rauminszenierung zu punkten wissen. Ein paar Shoot-Outs und Nahkämpfe sind ebenfalls brauchbar gemacht und so kann man rein handwerklich an der Action nur begrenzt herummäkeln.
Leider fehlt es den Actionszenen an dem nötigen erzählerischen und emotionalen Kitt um den Zuschauer wirklich zu packen. Doch weder der total blasse Held noch der New-Age-Schwafelkopf Bodhi oder seine Anhängerschaft sind mehr als Pappkameraden ohne jedes Leben, deren Schicksal total egal ist, zumal das holprige Script Kurt Wimmers jeden menschlich gedachten Moment total vergurkt: Eine gemeinsame Tauchpartie und schon sind Utah und Bodhi-Anhängerin Samsara (Teresa Palmer) ein Paar, eine bestimmte Szene bei einem Banküberfall, in der das Remake stark vom Original abweicht, könnte ein tiefsitzender Schock für Protagonist und Publikum sein, wird aber im Vorbeigehen abgehandelt. Ansonsten herrscht das fröhliche Klischee, denn jeder Extremsportler ist natürlich tätowiert von Kopf bis Fuß, meist mit esoterischen Symbolen, was dann eine Anbindung an die käsige Hintergrundgeschichte darstellt, das Aussehen der Surfer aber kaum weniger klischeehaft erscheinen lässt.
Was ebenfalls nicht unbedingt von Vorteil ist, ist Luke Bracey in der Hauptrolle – trotz Sonnenbankfärbung eine schauspielerische Blassbacke, deren Muskelpakete kaum von den limitierten Fähigkeiten und dem Mangel an Charisma ablenken können. Letzteres besitzt Édgar Ramírez, der schauspielerisch noch recht brauchbar ist, sich aber nicht mit Patrick Swayzes Darbietung aus dem Original messen kann, was aber auch an dem undankbaren Drehbuch liegt. Teresa Palmer ist total verschenkt und kommt nie im Film an, Delroy Lindo supportet okay und allenfalls Ray Winstone überzeugt als harter Hund, wobei er diese Rolle in den letzten Jahren zur Genüge durchgespielt hat (siehe unter anderem „The Sweeney“, „Edge of Darkness“ und „The Departed“), als Hommage an das Original hat James Le Gros eine Gastrolle. Die Darsteller der Extremsportler dagegen werden rein auf ihre körperlichen Leistungen reduziert, womit sie immerhin das Programm des Films passen.
So stürzt sich „Point Break“ dann ebenso haltlos in die Extremsportszenen wie seine Protagonisten und die sehen schick aus, keine Frage. Doch so sehr der Film Steigerung in allen Bereichen versucht, vom weltweiten Handlungsraum über die waghalsigen Actionszenarien, neben denen selbst das Sprung aus dem Flugzeug ohne Fallschirm im Original noch zahm wirkt, bis hin zu den ebenso übersteigerten Logiklücken und Unglaubwürdigkeiten – größer ist nicht allein besser. Nie kommt großes Interesse an der verkorksten, teilweise regelrecht lachhaften Geschichte auf, an den Pappkameraden von Charakteren auch nicht. Da weiß man doch, was man an Kathryn Bigelow hat, die mit weniger Budget wesentlich Aufregenderes zustande brachte.