- Menschsein -
Auf einen ganz besonderen Film habe ich dieses Jahr schon so lange gewartet.
Heute war es dann endlich soweit und ''Swiss Army Man'' wurde zu einem unglaublich starkem und intensiven Erlebnis für mich.
Ich möchte also ein paar Worte über die Geschichte und die Fragen schreiben, was die Handlung angeht aber nicht zu sehr ins Detail gehen.
Der Anfang ist surreal, makaber und zeigt sofort, wie der Film seinen Weg gehen wird. Er ist makaber, lustig, geht über jegliche Grenzen und nennt die Dinge direkt beim Namen. Er steckt aber auch voller aufrichtiger Liebe zu seinen Charakteren und dem Menschsein. Dem einfachen und vollkommenen Menschsein. Meine Anteilnahme an diesem Film war, wie ich es erwartet habe, sehr groß. Manch Szene rührte mich zu tränen, erinnerte mich daran, wie schüchtern ich selber bin und wie viel ich mit Manny und Hank doch gemeinsam habe. Manchmal erscheinen einem die Dinge, die das Leben einem schenken möchte, unmöglich und man selbst traut sich nicht, sich etwas zu wagen, mal aus seiner eigenen Haut rauszukommen und die wunderschönen Gelegenheiten, die das Leben einem zu bieten hat, zu packen und festzuhalten. Genauso fällt es auch mir schwer Mut zu zeigen, ein Mädchen anzusprechen oder in der heutigen Zeit anzuschreiben oder wie auch immer. Das Leben stellt uns pausenlos vor Aufgaben, Erniedrigung, Barrieren, die es uns scheinbar nicht möglich machen, in diesen allen Dingen, etwas Schönheit zu sehen und zu erkennen.
Was ist Freundschaft? Was ist Familie? Was ist Liebe? Wie vielen Menschen begegnen wir? Wie oft lassen wir Gelegenheit aus? Wie oft nehmen wir Möglichkeiten und Chancen nicht wahr? Warum ist es so schwer über seinen eigenen Schatten zu springen? Wieso können wir nicht über das glücklich sein, was wir haben? Weshalb halten wir uns immer zurück? Warum nennen wir die Dinge nicht beim Namen? Warum dürfen wir nichts? Warum gibt es so viele Regeln, die das wunderschöne Menschsein zu sehr erschwert? Weshalb so viele Regeln, die mich daran hindern, ein erfülltes und vollkommenes Leben zu führen?
Der Film geht einen nie dagewesenen Weg und stellt seine Fragen auf eine verstörende, aber zutiefst ehrliche Art und Weise:
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Manny: ''If my best friend hides his farts from me then what else is he hiding from me, and why does that make me feel so alone?''
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Dabei stellt er die Fragen und bezieht sich auf das menschlichste, das natürlichste in unserer Natur und hinterfragt dabei Moral, Sitte und Anstand. Es ist genauso hinterfragend wie lehrreich, wie der Film mit den Fragen umgeht.
So sagt Manny im eben angeführten Zitat blos, ''wenn mein bester Freund seine Fürze vor mir verbirgt, was verbirgt er noch vor mir und warum fühle ich mich deswegen so alleine?'' Diese Frage kommt uns tabubrechent und unmoralisches vor, dabei sagt der Film uns nichts, was nicht natürlich und einfach nur menschlich ist. So bekommt der Film stets, auch wenn es sich unangebracht anfühlt, eine riesen große Prise Kritik und Anstand in Bezug auf Regeln, Moral, Ethik und Verstand. Die Sinnbildliche Figur des Toten Manny, der Hank zu unverhofftem Glück verhilft, ist unglaublich und dazu vollkommen neu und ganz eigen erzählt.
Die Szenen, in denen Hank Manny Sachen beibringt, sind herzerwärmend und durch die kompromisslose Ansprache vielfältiger und auch sinnlicher und intimer Themen, wie der Sexualität und der Liebe, stets auch philosophisch und hinterfragend angehaucht. Über diese Fragen kann man endlos schreiben, diskutieren, streiten und philosophieren.
Es gesellt sich auch immer eine komisch große und stilvolle Portion Humor dazu, der unangebracht, unanständig und unangenehm daherkommt, aber nichts anderes meint, als das, was wir jeden Tag denken, tun, wie wir handeln und was wir verlieren.
Immer dabei ist Sarah, ein Mädchen, dass sich Hank nie getraut hat anzusprechen.
Dieses Sinnbildliche Ereignis steht für die Vergänglichkeit des Lebens und verpassten Chancen und Möglichkeiten, die wir nur mit Mut und Selbstachtung erreichen können. Wie schwer es ist solche Chancen beim Schopfe zu packen erkenne ich bei mir selbst so stark, dass ich gewillt bin, dem Film nichts weniger, als eine angemessene Wertung dafür zu geben, dass er mich an mich selbst erinnert und einige der lustigsten und emotionalsten Momente diesen Kinojahres schafft. Mir geht es ähnlich wie Hank, der schüchtern und unfähig ist, Mädchen und Menschen einfach offen und direkt anzusprechen. Zu groß ist die Angst davor zurückgewiesen, verspottet und erniedrigt zu werden. Ich sage mir dann immer, warum muss der Mann immer den ersten Schritt machen? Das ist altmodisch und passt nicht in die heutige Zeit, denke ich. Ich sage mir, dass war vor 30,40,50,60 Jahren so, heute sollte das anders sein. Die Zeiten haben sich geändert und es wäre so viel einfacher, wenn die Person auf der anderen Seite den ersten Schritt machen würde. Das ist alles, mehr brauch ich nicht. Sobald das getan ist, ist der Grundstein gelegt und die Nervosität kann sich legen. Das kennen wir alle und auch das ist das menschlichste, dass es gibt.
Wir alle sind auf der Suche nach Liebe, nach Anerkennung und Respekt. Eben jene Werte, die uns daran erinnern, was wir sind. Dass wir Menschen sind und das jeder Tag, an dem wir nicht glücklich sind, ein verschwendeter Tag ist. Ein Tag ohne Glück ist ein Tag ohne Leben.
''Ich denke, also bin ich''. So sagte bereits Descartes, ein französischer Philosoph. Und sobald wir denken und leben, sind wir auch auf der Suche nach etwas, dass unserem Leben einen Sinn gibt. Unwiderruflich. Pausenlos. Atemlos.
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Manny: ''I have a lot of questions about all the things you just said.''
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Wenn der Film dann mal wieder ein Tabu nach dem anderen bricht, dann erninnert einen das immer an die Welt, wie sie heute ist. Wie sich die Werte und Ansichten geändert und erweitert haben und wie sich die Menschen von wichtigen Werten verabschiedet haben, die uns zu dem machen, was wir sind:
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Hank: ''Before the Internet every girl was a lot more special.''
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Manny: ''Girls must be so nice to let guys do all these things to them.''
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Oder wenn der Film die Fragen stellt, die uns alle am meisten beschäftigen oder er etwas anspricht, dass unausweichlich ist:
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Hank: ''The important, for now, is to find what was your life.''
Manny: ''What is life?''
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Manny: ''We're gonna die. That's a thought. Everybody dies. I'm sorry if this makes me weird or you don't understand, but I wish I was dead again.''
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So viel Fragen und Antworten über das Leben und auf was für einer endlos langen Suche wir sind, um unser Glück zu finden, haben bisher sehr wenige Filme geschafft, dass alles näher zu bringen und an die tiefste Menschlichkeit und Liebe in uns, zu erinnern.
Weiterhin ist die Entwicklung von dem zutiefst kuriosen Anfang, in der Hank auf Manny's totem Körper Jetski fährt und dann urplötzlich zum Schauplatz der Nachdenklichkeit und einer unverhofften Änderung der Erzählrichtung kommt, schlicht und einfach großartig. Hier wird gekonnt mit der Ahnungslosigkeit des Zuschauers gespielt. Denn dieser weiß vor dem Kinogang, falls er sich durch das Internet nicht zu sehr einnehmen lies, nur, dass der Film außergewöhnlich und anders werden könnte. Es ist deshalb ein unerwartet wendungsreiches und besonderes Werk geworden, dass ich für meinen Teil, lange in Erinnerung behalten möchte und werde.
Die Frage nach Hank, der in einer Leiche einen neuen Freund glaubt, ob das wahr ist oder nicht und wie der Film diese Frage und dieses symbolische Bild, dieses metaphorische einsetzt und auflöst soll hier aber nicht erzählt werden.
Versprochen ist aber, dass die Auflösung, genauso wie der ganze Film, außergewöhnlich und mitreißend ist.
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Hank: Because I'm just a scared, ugly, useless person.
Manny: But maybe everyone's a little bit ugly. Maybe we're all just dying sacks of shit, and maybe all it'll take is one person to just be okay with that, and then the whole world will be dancing and singing and farting, and everyone will feel a little bit less alone.
Hank: Manny, you have no idea how nice that sounds.
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Übrig bleibt ein Unikat, ein absolutes Einzelstück, dass sowohl für die Darsteller, alle Beteiligten und auch uns Zuschauer ein großes Wagnis darstellt. Trotzdem nehmen sich Radcliffe und Dano der Sache mit vollem Einsatz an. Man sieht ihnen an, dass sie an das Projekt geglaubt und sich dem voll hingegeben haben.