Eddie the Eagle (2016, Dexter Fletcher)
Eddie will hoch hinaus. Seit er laufen kann wünscht sich der Junge aus ärmlichen Londoner Verhältnissen nichts sehnlicher, als für Grossbritannien bei den Olympischen Spielen anzutreten. Dass ihn weder sein Vater, der den Spross lieber als Gipserlehrling an seiner Seite sehen würde, noch irgendjemand sonst auf der Welt dabei ernst nimmt, geschweige denn unterstützt vermag ihn auch nicht von seinem Ehrgeiz und Optimismus abzubringen. Unermüdlich jagt Eddie seinem Traum hinterher und reist als 22-Jähriger nach Garmisch-Partenkirchen, um Skispringer zu werden und sich für die Winterolympiade 1988 in Calgary zu qualifizieren. Während er von den örtlichen Platzhirschen nur Gelächter erntet gerät Eddie bald an den gescheiterten Profi-Springer Bronson Peary, der seit seinem Rausschmiss aus dem US-Olympiateam ein Dasein als saufender Pistenwart fristet. Ab dem Moment, in dem der abgewrackte Veteran dem über-ambitionierten Jüngling davon abrät, ohne jede Erfahrung über eine der gigantischen Sprungschanzen hinauszujagen beginnt eine schwierige Hassliebe, die den einen zurück in seine Welt des Sportes bringt und den anderen dahin, wo er immer sein wollte.
Die Handlung der Sportlerdramödie wurde wesentlich von der Biographie des allerersten britischen Olympia-Skispringers Michael "Eddie" Edwards inspiriert. Im Film verkörpert Top-Newcomer Taron Egerton, der im vergangenen Jahr durch Matthew Vaughns Agentenspektakel Kingsman zu frühem Ruhm gekommen ist die unaufhaltsame Sportkanone. Egertons Darbietung ist Herz und Seele der Geschichte, man kann gar nicht anders, als den leicht tollpatschigen Einzelgänger, an den nie jemand geglaubt hat und der sein Leben lang nur einstecken musste, ohne dabei seinen Optimismus und sein Ziel aus den Augen zu verlieren, ins Herz zu schliessen. Hugh Jackman schlüpft in die Rolle des anfangs äusserst widerwilligen Coachs Peary, und der Australier schafft es im Film nie ganz, den krallenbewehrten Mutanten abzulegen, was aber aus zweierlei Gründen kein Problem darstellt. Erstens sieht man Jackman als raubeiniger Haudegen mit weichem Kern ja immer gerne, zweitens passt seine grobe und grimmige Attitüde, hinter der aber ein einfühlsamer Mensch steckt, bestens zur Rolle und zum Filmverlauf. Denn obwohl auch Eddies Eltern zu hause in London immer wieder eine dramaturgische Gewichtung erhalten und sich oscarprämierte Stars wie Christopher Walken und Jim Broadbent in kleinen Rollen die Ehre geben liegt das Hauptaugenmerk immer auf dem Verhältnis Eddie-Peary.
Wer bei diesem Verhältnis eine ausgeklügelte oder wendungsreiche Geschichte erwartet muss definitiv woanders suchen gehen. Eddie the Eagle ist ein lupenreiner Underdogfilm über den Aufstieg eines mutigen Sportlers aus dem Nichts und zelebriert dieses Etikett vor allem in der zweiten Hälfte zu jeder Sekunde. Die freudige Hingabe des unerfahrenen Skispringers und seine Interaktion mit dem verbitterten alten Ex-Sportler, der sich mehr und mehr von dessen Enthusiasmus anstecken lässt und gegen jeden Widerstand als Trainer in die Wintersportszene zurückkehrt, die langsam und über viele Umwege auftauende Freundschaft der beiden ungewöhnlichen Querköpfe und ihr gemeinsamer steiler Weg zu den Olympischen Winterspielen, all das wird mit so viel Herz, Esprit und anrührendem Charme erzählt, dass man es mühelos verzeiht wenn Kitsch und Pathos mal überschwappen und sich stattdessen von dem ergreifenden Feel-Good-Charakter des Films mitreissen lässt. Regisseur Dexter Fletcher, der hartgesottenen Filmfanatikern als Schauspieler aus einigen frühen Independent-Meisterwerken von Guy Ritchie und Matthew Vaughn bekannt sein dürfte, fängt nicht nur den winterlichen Dorfcharme der deutschen und kanadischen Wintersportorte und deren olympischen Stätten ein, er vermag nicht bloss die Gefahren und Grausamkeiten der waghalsigen Skisprünge visuell wuchtig und im Falle eines Sturzes im Kinosaal regelrecht schmerzhaft festzuhalten, in erster Linie stellt er eine berührende Herzensgeschichte zweier Sportfreunde, die ganz hoch hinaus wollen, ins Zentrum.
Kitsch as Kitsch can. Fletcher spart nicht mit pathetischen Momenten, und an manchen Momenten ist es auch wirklich zu viel des Guten, was und wie er es hier in Szene setzt. Im Grossen und Ganzen ist sein dritter Film Eddie the Eagle aber gut gemachter Kitsch, ein Feel-Good-Movie von der Sorte mit viel Herz, noch mehr Charme und einer anrührend schönen Geschichte zweier fabelhaft gespielter Figuren. Eine kleine Perle für Zwischendurch, bei der man sich nicht schämen muss, den Kinosaal mit einem feuchten Augenwinkel zu verlassen.
Wertung: 8 / 10