kurz angerissen*
Seinen allerersten Kurzfilm „Die Hütte“ verglich Robert Sigl selbst mit David Lynchs „Eraserhead“. Schon wegen des Plots liegt der Vergleich nahe, geht es doch hier um einen beengten Raum, ein Baby und seine verzweifelte Mutter; aber auch stilistisch soll die inzwischen verschollene Studentenarbeit an Lynchs trostlos bis paranoid gefilmte Schwarzweißwerke erinnert haben.
„Der Weihnachtsbaum“, seine zweite Studienarbeit, knüpft weiter an den frühen Lynch an. Das Zweipersonenstück zeigt den damals 21-Jährigen Regisseur in der Rolle eines 17 Jahre alten Jungen, der seinen alleine lebenden Vater (Claus Eberth) in dessen Wohnung an Weihnachten besucht.
Schnell stellt sich heraus, dass Sigl an den dysfunktionalen Elementen der von ihm ausgearbeiteten Vater-Sohn-Beziehung interessiert ist und diese so subtil und metaphorisch an die Oberfläche zu befördern versucht, wie es ihm möglich ist. Der sauber strukturierte Dreiakter behauptet vordergründig ein von gegenseitiger Liebe und Respekt bestimmtes Verhältnis, lässt aber spätestens im letzten Akt die Käfer aus dem Erdreich wimmeln, um in Lynchs Bildsprache zu bleiben, als er „Blue Velvet“ mit seiner berühmten Gartenmontage eröffnet.
Von der ersten Sekunde an ist dem Betrachter natürlich klar, dass keineswegs alles in Ordnung ist. Das kalte Pfeifen des Windes bietet die einzige Geräuschkulisse, und wenn die Wohnung des Vaters über Fenster verfügt, so bekommt man sie nicht zu sehen. Die Tapete dominiert das gesamte Szenenbild mit seinem rissartigen Motiv und schräge Kamerawinkel werfen unwirkliche Perspektiven auf das trostlose Stillleben, das Vater, Sohn, ein paar karge Nutzmöbel und ein geschmückter Weihnachtsbaum ergeben. Hinzu kommen zweideutige sexuelle Gesten, die Sigl in den folgenden Langfilm „Laurin“ ebenfalls wieder einbetten würde, in einen besser verdaulichen Märchenkontext allerdings; hier unterstreichen sie jedoch eine harte Realität in Abstinenz des Mütterlichen, das in zwei Gastauftritten ausgerechnet die einzigen übersinnlichen Elemente einbringt: Einmal als vorbeihuschender Schatten, der ebenso gut eine Einbildung sein könnte, einmal als Gemälde, das mahnend über dem Bett hängt, welches sich die beiden Männer in der kleinen Wohnung teilen. Seinen Faible für Symbolik lebt Sigl dann vor allem mit einem Schlüssel aus Schokolade aus, den er sich am Ende hungrig einverleibt.
Auch dieser Kurzfilm kann am Ende nur eine Stilübung sein, die allerdings für einen Regisseur dieses jungen Alters von bemerkenswertem Feingespür für den harmonischen Gebrauch filmischer Mittel geprägt ist, was sich darin niederlegt, dass sich trotz der Verwendung entsprechender Stilmittel kaum Prätentiöses in der Herangehensweise vorfinden lässt. Darüber hinaus ist die dargebotene Thematik als ausgesprochen mutig zu bezeichnen. So ist „Der Weihnachtsbaum“ nicht nur eine wichtige Vorbereitung für „Laurin“, sondern auch für sich betrachtet absolut entdeckenswert.
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