„Volle Drohnung"
„London has fallen" klingt zunächst einmal deutlich nach mehr. Beschränkte sich der Terrorangriff in Antoine Fuquas Überraschungshit „Olympus has fallen" noch „lediglich" auf den Amtssitz des US-Präsidenten, so haben es die bösen Jungs im unvermeidlichen Sequel auf nichts weniger als die Erstürmung und Lahmlegung der englischen Hauptstadt abgesehen. Auch Ziel-personell zeigt man sich diesmal deutlich ambitionierter. Natürlich steht Amerikas Staatsoberhaupt wieder ganz oben auf der Abschussliste, aber wie es ein vermeintlich glücklicher Zufall so will, führt das Staatsbegräbnis für den plötzlich verschiedenen englischen Premier auch noch die Regierungschefs der wichtigsten westlichen Industrienationen nach London.
Die Freude des Actionspektakel-Gourmets währt allerdings nur bis zur ersten Explosion. Der US-Drohnenangriff auf das palastartige Terrornest des Waffenhändlers Aamir Barkawi sieht mehr nach Filmhochschulenexperiment als nach versierter Computer-, geschweige denn Pyrotechnik aus. Dass dies keine Auftaktschluderei war, zeigt dann leider auch die Terrorattacke auf ein halbes Dutzend Londoner Wahrzeichen, die Roland Emmerich in seiner Studentenzeit vermutlich überzeugender getrickst hätte. Tiefpunkt ist dann der Absturz des Präsidentenhelikopters, der aussieht, als habe ein wütender Knirps sein Playmobil-Fluggerät auf den heimischen Rasen gedonnert.
Für den gut informierten Filmfreund dürfte all dies zumindest im Bereich des Befürchtbaren gewesen sein. So lies nicht nur das Stühlerücken auf dem Regiesessel (Actionexperte Antoine Fuqua gefiel das Skript nicht, so dass der kaum bekannte Kurz- und TV-Filmer Babak Najafi einspringen durfte), sondern auch die Kürzung des schon beim Vorgänger vergleichsweise knapp bemessenen Budgets nichts Gutes erahnen (zumal Plot und Setting geradezu nach einer Aufstockung schrieen).
Man braucht also schon ein wenig Leidensfähigkeit, um „London has fallen" genießen zu können, bringt man die aber mit, so hält die zweite Hälfte ein paar schmackhafte Leckerlis bereit. Denn ist die etwas unbeholfene CGI-Kleckserei erst mal überstanden, klotzt Najafi mit bodenständigerer Action und liefert endlich das erhoffte Inferno. Neben einer minutenlangen Auto-Motorrad-Verfolgung durch die Straßen Londons macht vor allem der als Plansequenz arrangierte Frontalangriff auf den innerstädtischen Unterschlupf der Terrorbuben ordentlich Laune. Hier wird nicht nur aus allen Rohren mit sämtlichen Kalibern gefeuert, sondern auch wenig zimperlich durch die gegnerischen Reihen gepflügt. Frei nach dem Motto „Erst schießen, dann fragen", tobt sich Secret Service-Superheld Mike Banning (Gerard Butler) erneut so richtig aus und tötet praktisch im Minutentakt und je nach Laune mal per Klinge, mal per guter alter Handarbeit. Dazu hat er für jedes Opfer noch einen knackigen Oneliner parat, der bei entsprechender Neigung zumindest einen Hauch von Partystimmung verbreitet.
„London has fallen" ist also ein lupenreiner B-Reißer und als solcher sollte er auch konsumiert und goutiert werden. Die Logik ist ein schwarzes Loch, die Charaktere sind flunderflach und die politische Aussage wird mit dem Holzhammer serviert. Anders ausgedrückt: Der einer Drohne entfleuchte Waffenhändler sinnt auf Rache und lässt die Attacke auf das World Trade Center sowohl planerisch wie logistisch wie einen Amateurversuch aussehen. Seine Anhänger sind allesamt abgrundtief böse, grimmig, humor- und sprachlos. Die Parteigänger von US-Präsident Asher dagegen sind alle herzensgut, gerne auch mal aufmunternd lächelnd und mitteilungsfreudig. Und der Drohnenkrieg ist wichtig, sinnvoll und sorgt schlussendlich für eine bessere Welt.
Alphatier-Platzhirsch Gerard Butler passt wunderbar auf diesen Krach-Bumm-Peng-Spielplatz und hat mit seinem Präsidenten-Buddy Aaron Eckhart einen wackeren Mitstreiter um die Kernigkeits-Krone an der breitschultrigen Seite. Bei so viel Testosteron aus dem Füllhorn bleibt für den Gegner nur noch die Flucht in süffisante Perfidie. Der Israeli Alon Moni Aboutboul wird diesem Anspruch mehr schlecht als recht gerecht, was aber letztlich kaum ins Gewicht fällt, da Superagent Mike sich durch eine gefühlte Hundertschaft von Barkawis Jüngern ballert, meuchelt und prügelt, so dass die Drohkulisse durchgängig erhalten bleibt.
Dieses hohe Tempo im Verbund mit einer knackig kurzen Laufzeit von 99 Minuten kommt auch dem (einst) relativ prominenten Supporting Cast zugute. So fällt es gar nicht erst auf, dass Morgan Freeman als US-Vizepräsident wie ein seniler Grußonkel durch die Kulissen stolpert, Angela Bassett als Secret Service Director neben ihrem Angestellten Mike wie eine Praktikantin wirkt und Robert Foster als zauseliger Army-General sich wenig erinnernswert an verschiedenen Graden der mimischen Verblüffung und Entrüstung versucht.
Ob in Zukunft dann Paris, oder zur Abwechslung auch mal Berlin fallen wird, entscheided wie immer der zahlende Zuschauer. Mit einer Handvoll Dollar mehr, einem Skript, an dem länger als 2-3 Stunden geschrieben wird sowie einer erkennbaren Portion (Selbst-)Ironie dürfte auch ein dritter Terroristen-Albtraum seine Anhänger finden. Gerard Butler jedenfalls ist so gerüstet wie prädestiniert für knallige B-Action ohne Verwässerungsambitionen. Also gebt dem Mann ein weiteres Betätigungsfeld, denn für den DTV-Sumpf ist er immer noch viel zu schade.