Es war George Lucas‘ ursprünglicher Plan, dass die „Star Wars“-Reihe aus drei Trilogien bestehen sollte, doch er selbst setzte diese Pläne nicht mehr um – aufgrund seines Alters und vielleicht auch deshalb, weil die Prequel-Trilogie bestenfalls mit gemischten Gefühlen von Publikum und Fans aufgenommen wurde. Doch nach dem Verkauf der Rechte und zehn Jahre nach „Die Rache der Sith“ konnte es weitergehen mit „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht.“
Damit es noch Konfliktstoff gibt, müssen natürlich die Ergebnisse von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ ein Stück weit zurückgedreht werden. Also ist 30 Jahre nach dem Tod von Imperator Palpatine aus den Ruinen des Imperiums eine Nachfolgeorganisation erstiegen, die First Order, welche mit der neuen Republik im Krieg liegt. Zu Beginn von „Das Erwachen der Macht“ handelt es sich bei der Republik bereits um die Underdogs. Der Auftakt der dritten „Star Wars“-Saga beginnt einem der Sternenkriegsverbrechen, das (für „Star Wars“-Verhältnisse) überraschend explizit gezeigt wird. Auf der Suche nach einer Karte, die den Aufenthaltsort von Luke Skywalker (Mark Hamill) verrät, löschen First-Order-Stormtrooper nämlich ein kleines Dorf aus. Der tapfere Pilot Poe Dameron (Oscar Isaac) konnte den Plan allerdings zuvor seinem Droiden BB-8 geben, auch wenn Poe in die Hände der Soldaten und ihres Anführers Kylo Ren (Adam Driver) fällt.
Moment mal, flüchtige Roboter mit brisanter Fracht, ein gekidnappter Rebell, das kommt einem doch sehr bekannt vor. Dafür macht „Das Erwachen der Macht“ deutlicher als die meisten anderen „Star Wars“-Filme, dass unter den Stormtrooper-Rüstungen Menschen stecken. Menschen wie FN-2187 (John Boyega), der von dem Gemetzel abgestoßen ist, sein Gewissen entdeckt und Poe befreit. Weil seine Klon-Seriennummer aber kein guter Name ist, tauft Poe ihn auf den Namen Finn, ehe sie bei der Flucht getrennt werden. Ansonsten gehen die Déjà-Vus weiter, denn auf dem Wüstenplaneten, auf dem sich alle Beteiligten befinden, landet BB-8 bei der jungen Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley), die von Höherem und den Sternen träumt. Kaum hat Finn sie und BB-8 aufgespürt, da haben sie schon die First-Order-Häscher im Nacken, denen sie bei einer weiteren Verfolgungsjagd an Bord eines schrottreifen Raumschiffs entkommen.
Bei besagter Rostlaube handelt es sich aber nicht um irgendein ausgemustertes Schiff, sondern um den Millennium Falcon, der von einem Weltraumfrachter eingesammelt wird. Und das ist kein Zufall, denn genau den steuert der frühere Millennium-Falcon-Pilot Han Solo (Harrison Ford), der mit seinem Kompagnon Chewbacca (Peter Mayhew) nun die nächste Etappe eines Sternenkriegs hineingezogen wird…
Nicht alle von Lucas‘ Entscheidungen bei der Prequeltrilogie waren gut und richtig, sein Schwächen beim Dialogeschreiben waren eklatant, aber immerhin versuchte er einen neuen Ansatz: „Star Wars“ nicht nur als Sci-Fi-Märchen, sondern auch als politisches Intrigenspiel im Weltraum. „Das Erwachen der Macht“ ist dagegen der Film, den sich viele Fans wünschten, als solcher aber eben auch ziemlicher Fanservice. Nicht nur die Wiederkehr von Han, Luke und Prinzessin Leia (Carrie Fisher) ist eine deutliche Anbindung an die Urtrilogie, auch alle neuen Figuren sind Mischformen der alten Helden. Poe ist ein tougher Pilot wie Han, aber führend in Rebellendiensten wie dereinst Leia. Lukes leicht naive Weltsicht lässt sich bei Rey und Finn finden, wobei erstere die entsprechenden Pilotenskills mitbringt (siehe Han und Luke), letzterer ein reformierter Schurke wie Han ist. Supreme Leader Snoke (Andy Serkis) ist ein Wiedergänger von Imperator Palpatine, Kylo Ren dagegen der Emo-Darth-Vader mit dem Outfit seines Großvaters und der emotionalen Unsicherheit seines Onkels Luke. Denn bei ihm handelt es sich um Ben Solo, den von der dunklen Seite der Macht verführten Sohn von Leia und Han. Erstere ist als General in der Rebellenallianz tätig, macht also quasi den gleichen Job wie vor 30 Jahren, während Han ins Schmugglerbusiness zurückgekehrt ist.
Bei den Figuren hören die Gemeinsamkeiten nicht auf, denn die neue Waffe der First Order ist eine Starkiller-Basis – ein zu einer Art Riesentodesstern umfunktionierter Planet, der zur Machtdemonstration nicht nur einen Planeten, sondern gleich ein ganzes planetares System auslöscht. Und natürlich ist die Zerstörung dieser Superwaffe das oberste Ziel der Rebellen, mit entsprechend vielen Déjà-Vu-Momenten in der Umsetzung. Trotz des verführten Kylo Ren, trotz des umdenkenden Finn, ist das Ganze wieder von märchenhafter Deutlichkeit mit klar verteilten Rollen in Sachen Gut und Böse – selbst Hehler und Weltraumpiraten sind hier eher sympathische Glücksritter, die bei Angriffen der First Order gern mal unter die Räder kommen. Verpackt ist das Ganze in die „Star Wars“-typische Schnitzeljagd über verschiedene Planeten, ehe man alles für den Gegenangriff auf die Starkiller-Basis zusammen hat und Rey am Filmende in Richtung Luke Skywalker aufbrechen kann.
Doch J.J. Abrams hatte schon mit seinen „Star Trek“-Filmen und „Super 8“ bewiesen, dass er sehr gut darin ist, dass Fantasy- und Sci-Fi-Kino der 1980er fangerecht, aber beschwingt aufzubereiten weiß. „Das Erwachen der Macht“ ist da keine Ausnahme, denn mit der aufrechten Liebe eines Genrefans setzt Abrams‘ seinen Film temporeich in Szene, findet mit Kameramann Dan Mindel und seinen Effektspezialisten immer wieder schicke Bilder, egal ob bei einer fetzigen Monster-Rampage im Schmugglerschiff, Partytime in einer Schmugglerkneipe oder der majestätischen Schurkenfestung im dunklen Wald. Wie schon George Lucas bei den früheren „Star Wars“-Filmen räubert man sich munter durch Motive von Popkultur und Geschichte, weshalb etwa der geifernde First-Order-General Hux (Domhall Gleeson) wie ein Space-Hitler rüberkommt, eine Schurkin ist Phasma nach der „Phantasm“-Reihe genannt und ein Stormtrooper hat nicht nur die Seriennummer JB-007, unter der Rüstung steckt auch James-Bond-Darsteller Daniel Craig.
Auch effekttechnisch betreiben Abrams und Co. Fanservice, denn vieles hier ist noch handgemacht, gerade in Sachen Kreaturen und Locations, auch wenn man bei Weltall-Schlachten, besonders elaborierten Kreaturen und ähnlichen Scherzen natürlich auf CGI zurückgreift, aber das ist dann auch state of the art. Aber selbst manche CGI-Kreation stammt nicht rein aus dem Rechenknecht, sondern lässt mit den entsprechenden Verfahren Motion-Capturing-Koryphäe Andy Serkis oder Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong’o in die Rollen von außerweltlichen Kreaturen schöpfen. So mag das Drehbuch aus der Feder von Lawrence Kasdan, J.J. Abrams und Michael Arndt storytechnisch Altbekanntes recyceln, aber in die Ausstattung dieser Welt ist schon einiges an Arbeit geflossen.
Zu einem waschechten Sternenkrieg gehören natürlich auch Kampfhandlungen und auch in der Beziehung liefert „Das Erwachen der Macht“ wie erwartet. Es gibt mehrere atemberaubende Verfolgungsjagden, bei denen vor allem jene über den Wüstenplaneten im Millennium Falcon heraussticht, es gibt größere Raumschiffschlachten, wobei vor allem der First-Order-Angriff auf das Gebiet um die Schmuggler-Kaschemme herausragt, und auch ein Lichtschwertduell, denn Rey trägt Jedi-Macht in sich und clasht mit Kylo Ren im Finale. Manches davon, vor allem das Finale, folgt den Blaupausen der Vorgänger (vor allem jenen der Episoden 4 und 6), aber handwerklich ist das Ganze immer noch top und bietet aufregende Mainstream-Sci-Fi-Action.
Von den Franchise-Rückkehrern gibt es unterschiedlich viel zu sehen: Mark Hamill hat nur eine Szene, dafür haben Carrie Fisher und Harrison Ford herzige Szenen als Paar, das über den Verrat des Sohnes zerbrach und bei dem gleichzeitig die alten Gefühle beim Wiedersehen wieder da sind. Harrison Ford kann auch im fortgeschrittenen Alter seinen Weltall-Swashbuckler-Charme einbringen. Außerdem gibt es in den gewohnten Kostümierungen Peter Mayhew (als Chewbacca) und Anthony Daniels (als C-3PO), sowie in kleinen (und teilweise ebenfalls verfremdeten/kostümierten) Rollen bekannte Namen und Gesichter wie Simon Pegg, Warwick Davis, Greg Grunberg, Hannah John-Kamen und Thomas Brodie-Sangster zu sehen. Die Hauptlast tragen natürlich die drei neuen Hauptdarsteller und das durchaus zufriedenstellend. John Boyega als Klonkrieger, der auf einmal die eigene Programmierung in Frage stellen muss und entsprechend naiv an die Welt geht, Daisy Ridley als junge Waisen-Frau auf Sinnsuche und Oscar Isaac als neuer Fighter-Pilot in Han-Solo-Tradition.
Wagemut kann man „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ sicher wenig unterstellen. Es ist eine kaum verhohlene Variation des ersten „Krieg der Sterne“, mit etwas anders gesetzten Akzenten und neuen Nuancen, aber sonst vor allem ein Fanservice-Film, der mit modernsten Mitteln noch einmal feiern will als wäre es 1977. Das funktioniert dann J.J. Abrams kompetenter Umsetzung ziemlich gut und macht Laune, lässt aber höhere Ambitionen und echte Innovationen vermissen. Eine Selbstkopie auf sehr hohem Niveau eben.