Spoiler ahead…
...and very long text, too...
Ist STAR WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT jetzt nun der große Knaller? Oder gar der Star-Wars-Überfilm? Oder überhaupt ein richtig guter Film? Die Antwort auf diese Fragen wird davon abhängen, inwieweit man Fan des Franchise ist und den Film eher als Hommage oder als Kopie der alten Filme sieht. Was er in meinen Augen jedoch definitiv ist - notwendig.
DAS ERWACHEN DER MACHT ist nicht der beste Star-Wars-Film, aber es ist genau der Film, der notwendig war, um die alte Star-Wars-Magie wieder aufleben zu lassen, die vielleicht auch über Gunst und Missgunst der Star-Wars-Gemeinde über den ambitionierten Neustart des Franchise entscheidet.
EPISODE VII ist nämlich vor allem eins: von Fans für Fans. Eine Mainstream gewordene Fanfiction mit massig Fanservice. Das dies natürlich nicht alle zufrieden stellen wird war auch JJ Abrams und den Machern vorher klar. Doch die Entscheidung, sich gegen eine radikale Neuverfilmung wie z.b. STAR TREK auszusprechen und stattdessen ein - nennen wir es „liebevolles“ - Remake/Reboot von Episode IV zu drehen, war genau die richtige. Denn im Gegensatz zum Star-Trek-Franchise hat es keiner extremen Frischzellenkur bedurft. Diese hatte George Lucas bereits mit seiner Prequel-Trilogie gemacht und einen beinahe schon irreparablen Schaden im „Mythos Star Wars“ hinterlassen.
Was Star Wars benötigte und was ein Großteil der Fans sich trotz Angst vor weiterer Entmystifizierung erhofft haben, war ein Aufleben der verloren geglaubten Magie und ein Wiedersehen mit alten Wegbegleitern der Ursprungstrilogie. Ein simpel gestricktes Fantasy-Märchen im Sci-Fi-Gewand, bei dem es um den Kampf zwischen Gut und Böse geht. Das waren die Episoden IV bis VI und das ist Episode VII auch geworden.
Man mag jetzt darüber streiten wollen, wie viel nun JJ Abrams sich wirklich an Episode IV bedienen musste und durfte. Vor allem die Starkiller Base wirkt dann doch ein wenig zu plump stibitzt, wobei auf der anderen Seite im Rahmen der episodenübergreifenden Geschichte der dunklen Seite wiederum auch in sich schlüssig. Wenn schon zweimal ein Todesstern gesprengt wurde, warum nicht dann was noch Größeres, Gefährlicheres und potenziell noch schwerer Zerstörbares bauen? Irgendwie muss man ja die Rebellen/den Widerstand/die Republik ja einschüchtern und ggf. zerstören können. Insgesamt passt jedoch die Mischung aus den zahlreichen Motiven der Urtrilogie und dem neuen Input durch Kasdan und Abrams.
Dabei ist das quasi nacherzählen der Geschehnisse in Episode IV in neuem Gewand gar kein Problem an sich, denn inhaltlich um vielmehr haben sich die Originalfilme auch nicht gedreht. Und vor dem Hintergrund einen Film für die Fans zu machen, erscheint die Idee das Drehbuch zu Episode IV zu recyclen, um damit eine neue Trilogie einzuläuten nicht als das schlechteste, zu was man sich hätte entscheiden können. Mehr Herausforderung war es eine funktionierende Figurenkonstellation und einhergehend damit eine Harmonie zwischen Ihnen herzustellen.
Und hier hat man auch das Puzzlestück, weswegen DAS ERWACHEN DER MACHT auch so gut funktioniert. Denn sowohl Rey als junger, weiblicher Luke-Skywalker-Verschnitt und Finn als abtrünniger Sturmtruppler sind 2 glaubhafte und vor allem greifbare Hauptcharaktere, denen man gern zuschaut, mit Ihnen mitfiebert und mit Ihnen lacht. So wie einst Luke, so hat man auch hier mit Rey einen starken, herzensguten Haupthelden gefunden. Und ebenso wie einst Han Solo, hat man mit Finn einen nicht ganz so sauberen Sidekick gefunden, der aber ebenso das Herz am richtigen Fleck hat. Ohne große Eingewöhnungszeit nimmt man beide Charaktere auf und ist erstaunt darüber wie gut beide zusammen und mit den bereits gestandenen Figuren interagieren.
Meine größte Sorge galt jedoch dem neuen Droiden BB-8. Für mich sind in der gesamten Star-Wars-Saga eigentlich R2D2 und C3PO die eigentlichen Helden, vor allem R2D2 hat mit seinem unerschütterlichem, zielstrebigen Mut und den witzigen Einlagen für die großen, kleinen Momente gesorgt, die die alten Filme erst zu den Meisterwerken gemacht haben, die sie sind. Und auch hier war es keine falsche Entscheidung, BB-8 zu einem kleinen Bruder von R2 zu machen. Seine Szenen, seine robotische Gestik und seine Interaktion mit den Figuren sind Gold wert und tragen dazu bei, das auch STAR WARS EPISODE VII, genau wie seine Vorbilder wieder diese kurzen, kleinen Momente hat, die sich am Ende im großen Ganzen perfekt einfügen. Und auch bei BB-8, wenn auch anfangs eher MacGuffin und nettes Accessoire der Geschichte, entwickelt sich wie sein großes Vorbild R2D2 zu einer eigenständigen, wertvollen Figur der Geschichte, die hoffentlich in den nächsten Teilen auch weiterhin aufgegriffen und ausgebaut wird.
Herzstück des Films ist jedoch eindeutig Han Solo. Gealtert, aber immer mit einem spitzbübischen Lächeln und sagenhaft pointierten Dialogen ausgestattet. Hier kommt jedoch auch bitterer Ernst und eine gewisse Desillusionierung mit, angesichts seiner Situation rund um ihn, Leia und Ihren Sohn. So sehr man mit ihm lacht und ihm unfassbar gern bei seinen Onlinern und seiner Interaktion mit Chewbacca und den neuen Figuren zuschaut, umso bedrückender werden die Szenen und das unaufhaltbare Zusammentreffen mit seinem Sohn. Natürlich ist es traurig und ärgerlich zugleich, dass einer der ikonischsten Figuren der Filmgeschichte getötet wird, auf der anderen Seite bildet diese Szene den emotionalen und zwingend erforderlichen Höhepunkt der Geschichte, die vor allem für die Entwicklung von Kylo Ren eine ungemein wichtige Bedeutung hat.
Und auch dieser neue Darth Vader, fügt sich nahtlos in den großartigen Cast ein. Was zunächst als platte Kopie (inklusive des Helms mit Stimmverzerrer) beginnt, entpuppt sich jedoch im Laufe des Films als durchaus verständlich und schlüssig, wenn man bedenkt, dass Kylo Ren ein im Grunde zutiefst unsicherer und vom Wunsch nach der gleichen Macht wie sein Opa Vader getriebener Bösewicht ist. Dass er unter dem Helm völlig normal, sogar eher milchgesichtig aussieht, macht aufgrund seiner Herkunft auch durchaus Sinn. Ebenso sein Helm, schließlich eifert er seinem großen Idol Darth Vader nach. Das eigentlich Erstaunliche ist bei der ganzen Darstellung aber die Tatsache, dass sich der Film und der Charakter selbst durchaus bewusst sind, dass da jemand Darth Vader versucht zu imitieren und dass es auch u.a. genau darum geht. Insbesondere deshalb funktioniert Kylo Ren auch als zerrissener Antagonist ziemlich gut. Auch aber deshalb, weil er als Darth-Vader-Kopie zwar nicht so mysteriös-urböse daherkommt, dafür aber dem Charakter mit Jähzorn und (jugendlicher) Unberechenbarkeit eine ganz neue, und ebenfalls gefährliche Facette abgewinnt.
Der neue Superpilot Poe Dameron hingegen bleibt etwas unter seinen Möglichkeiten, auch wenn er sich ebenso wie alle anderen neuen Figuren ziemlich schnell in das Star Wars Universum einfügt und zumindest das Potential hat, eine noch gewichtigere Rolle zu spielen. Leider ist es auch seine etwas steifmütterliche Behandlung der Grund dafür, weswegen man bei dem finalen Luftkampf nicht ähnlich mitfiebern kann, wie seinerzeit noch mit Luke am Steuer eines X-Wings.
Nichtsdestotrotz sind die Actionszenen sehr gelungen, auch weil sich JJ Abrams da wohltuend zurückhält und frei nach dem Motto „weniger ist mehr“, nicht hunderte Raumflieger, umgeben von lauter Laserfeuer unübersichtlich über den Bildschirm fliegen lässt. Stattdessen herrschen im positiven Sinn unaufgeregte, konzentrierte, fetzige Luft- wie Bodenkämpfe, bei denen man sich endlich wieder auf wenige, aber dafür umso mehr gelungene und sich in das Gesamtgefecht perfekt einfügende Einzelkämpfe einlassen kann. Dazu trägt auch der dezent anmutende, oder besser gesagt, nicht ausschweifende Einsatz von CGI gepaart mit zum Teil körnigen, Retrobildern bei, denn kaum eine Sache vermisst man heutzutage in Filmen und vor allem im Star-Wars-Filmuniversum mehr als echte Flieger, Maschinen und Roboter irgendwo an und in echten, extra gebauten Sets. Nicht zu vergessen, die Rückkehr der so ungemein besser und realistischer aussehenden Masken und Kostüme für diverse Alienrassen, wobei auch die CGI-Figuren um Maz Kanata sich wunderbar optisch einfügen und nie einem aus der Geschichte reißen, wie es bei der Prequel-Trilogie noch Gang und Gäbe war.
Natürlich ist aber auch DAS ERWACHEN DER MACHT nicht perfekt, eigentlich könnte man sogar einige Dinge ansprechen, die zumindest verbesserungswürdig erscheinen. Zum einen der bereits erwähnte stiefmütterliche Einsatz von Poe Dameron, weshalb die X-Wing-Kämpfe mehr optische als auch emotionale Wucht mitbringen, da man mit dem Charakter kaum mitfiebern kann, schließlich kennt man ihn ja kaum. Ähnlich ergeht es Captain Phasma, die zwar eine schillernde Rüstung trägt, jedoch auch stark unter den Möglichkeiten bleibt, weil sie kaum Screentime für die Entfalgun irgendeines Charakters bekommt. Bei beiden ist jedoch durchaus Luft nach oben und es bleibt die Hoffnung, dass beide Figuren in der nächsten Episode ausgebaut und vertieft werden.
Größere Sorgen, auch in der nächsten Episode, bereiten jedoch andere Figuren, namentlich General Hux und Supreme Leader Snoke. Der eine ist nicht mehr als ein gesichtsloser, kaum ernst zu nehmender General, der bei seiner einzigen, wirklich wichtigen Szene, eine Ansprache vor etlichen Truppen hält, die mehr gute Hitler-Persiflage ist, als aus ihm einen respektablen, harten Anführer zu machen. Mit einer der größten Kritikpunkte war jedoch der mysteriöse Supreme Leader Snoke, der leider aufgrund seines Designs, eher wie ein riesiger Gollumklon ausschaut und mich bei seinem Auftritt kurz aus dieser so eigenen Star-Wars-Welt entrissen und mich kurz nach Mittelerde geschickt hat. Da tat es auch doppelt weh, dass ausgerechnet er ziemlich zu Beginn und ohne großartigen Aufbau, beinahe beiläufig, den größten Plottwist des Films verrät. Verschlimmert wird das schlechte Timing dadurch, dass keine Notwendigkeit bestand, Kylo als Sohn von Han und Leia so früh zu offenbaren, da sich der Film anschließend nicht weiter darum kümmert und erst später wieder sich der Geschichte annimmt. Umso unsinniger ist es dann, wenn man sein größtes Ass im Ärmel gleich vorschnell aufdeckt. Denn wo bei Vader und Luke die Offenbarung der Familienverhältnisse eine Szene hervorbrachte, die ikonischer, emotionaler und dramaturgisch perfekte nicht hätte sein können und einen ganzen Film entscheidend mitprägte, verkommt dies hier fast schon zu einer Randnotiz, ohne Wucht und ohne emotionale Reaktion beim Zuschauer. Dabei hatte der Film durchaus Spaß daran, Rey als mögliche Tochter von Han Solo anzuteasern. Wäre dies weiter ausgebaut worden und die Familienverhältnisse erst beim direkten Aufeinandertreffen von Han und seinem Sohn offenbart worden, zeitgleich mit dem kurz danach stattfindenden Vatermord, hätte das eine ähnlich bedeutende, wuchtige Szene im Star-Wars-Universum sein können. So bleibt bei der finalen Konfrontation ein leicht fader Beigeschmack über, ob des verschenkten Potentials.
Was hingegen nicht verschenkt wurde, ist der gelungen Auftritt der vielen kleineren und größeren Haupt- und Nebenfiguren. Insbesondere der Auftritt von Luke Skywalker. Wo ist Luke nun? Auf dem Poster jedenfalls nicht und auch als Zuschauer begreift man relativ schnell, dass die über alles schwebende Frage, wo der alte Jedi-Ritter nun abgeblieben ist, erst ganz am Schluss enthüllt wird. Was am Ende zu sehen ist, ist natürlich ärgerlich, denn kaum hat man den alten Luke gesehen, ist der Film auch ohne ein einziges Wort von ihm wieder vorbei. Andererseits hätte sich eine Ausdehnung dieser Szene wie ein Anhängsel des Films angefühlt, sodass es wohl keine bessere Überleitung auf Episode VIII geben könnte als diese.
Und dann werden womöglich etliche Fragen beantwortet werden, die STAR WARS EPISODE VII aufwirft und nicht beantwortet. Was jetzt vielleicht als kritikwürdig und „unlogisch“ bezeichnet wird, kann sich nach Aufdeckung der Hintergründe durchaus als schlüssig und nachvollziehbar erweisen. So könnten sich auch scheinbare Ungereimtheiten, Unlogik und Unglaubwürdigkeiten, die bei DAS ERWACHEN DER MACHT angemerkt werden, schnell als falsch und nicht zutreffend rausstellen. Zumal der Film auch nicht alles erklären muss, was er zeigt, um zu funktionieren. Insbesondere wenn er sich mit zunehmender Laufzeit mehr und mehr vom Fanservice, den Referenzen und dem Druck löst und beginnt seine eigene Geschichte zu erzählen.
Am Ende eines viel zu langen Textes bleibt also die Erkenntnis, dass STAR WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT kein perfekter und fehlerfreier Film ist, auch keiner der vor Originalität überquillt und die Macht neu erfindet. Aber er ist ein Film, der vieles, was ein Großteil der Star-Wars-Fans so lange und so sehr vermisst hat aufgreift und in neuem Gewand und mit Achtung vor der Original-Trilogie präsentiert. Man sieht Gewohntes und Liebgewonnenes in neuen Bildern; sieht alte, ins Herz geschlossene Charaktere wieder, freundet sich mit neuen Figuren an, lacht, weint, fiebert mit diesen mit. Wohl jeder Fan wird seinen eigenen nostalgischen Moment im Film finden, bei dem man sich wieder wie beim ersten „mal“ Star-Wars-Gucken fühlt. Sei es der Auftritt des Millenium Falken, von Han Solo, der Musik John Williams‘, Lukes Lichtschwert, oder in meinem Fall nach Wiederaktivierung von R2D2, als C3PO sich neben ihn stellt, seine Hand in gewohnter Weise auf R2D2 legt und sagt, dass er seinen alten Freund vermisst hat…Got me. Force awakened.