Gut 30 Jahre nach dem Sieg der Rebellen über das Imperium gewinnt die dunkle Seite der Macht wieder an Stärke. Die Erste Ordnung herrscht unter ihrem Anführer Snoke über die Galaxis, während sein gefürchteter Kämpfer Kylo Ren, gespielt von Adam Driver, und Horden von Sturmtruppler Angst und Schrecken verbreiten. Als ein Pilot des Widerstands, gespielt von Oscar Isaac, in die Fänge des Bösen gerät, hilft ihm ein solcher Sturmtruppler, gespielt von John Boyega, bei der Flucht. Die beiden versuchen anschließend, den Droiden des Piloten, BB-8, von einem Wüstenplaneten zurückzuholen, da dieser im Besitz einer Karte ist, die zu dem Aufenthaltsort des letzten Jedi-Kriegers Luke Skywalker führt. Der Druide befindet sich mittlerweile bei einer Schrottsammlerin, gespielt von Daisy Ridley, die noch nicht ahnt, dass die Schergen der Ersten Ordnung bereits auf dem Weg zu ihr sind.
Dem Hype konnte sich letztendlich niemand mehr entziehen. Ob im Supermarkt, im Fast-Food-Restaurant oder sonst irgendwo in der allgemeinen Öffentlichkeit, im Fernsehen oder im Internet, überall waren der gelbe Schriftzug, Lichtschwerter, alte und neue Helden der Sternen-Saga zu sehen. Disney hatte die Werbetrommel gerührt, wie für kaum einen Film zuvor, nachdem man sich die Rechte von George Lucas gesichert hatte. J. J. Abrams trug seinen Teil dazu bei, indem er sich beharrlich weigerte, auch nur das kleinste Detail der Handlung vorwegzunehmen und nach den ersten Vorführungen ein erst vor dem Starttag endendes Embargo gegen die Veröffentlichungen erster Kritiken verhängte. So erfasste der Hype, endgültig entfacht durch erste Twitter-Stimmen der Hollywood-Prominenz nach der Premiere und die am Mittwoch um neun Uhr zeitgleich veröffentlichten, insgesamt gut bis sehr gut ausgefallenen Kritiken, letztendlich auch diejenigen, die nicht zu den Hardcore-Fans der Reihe gehört hatten, sonst wären in deutschen Landen vermutlich nicht über eine halbe Millionen Menschen bereits am Starttag in den Film geströmt. Und letztendlich wird Abrams Film wohl kaum einen dieser Zuschauer enttäuschen, den Fans der Reihe, wie auch dem erwartungsfreudigen Restpublikum etwas bieten. Restlos begeistern dürfte Abrams Werk, das letztendlich nicht so groß wie der gigantische Hype ist, aber auch niemanden.
Nüchtern betrachtet ist „Das Erwachen der Macht“ überzeugendes Blockbusterkino, worauf sich J. J. Abrams ja ohnehin versteht. Die Action-Sequenzen sind wohl dosiert, handwerklich und technisch überzeugend, sehr dynamisch aber dennoch jederzeit übersichtlich und auch der eine oder andere 3D-Effekt kann sich durchaus sehen lassen. Es gibt Laserschwertkämpfe zu sehen, Luftgefechte und Verfolgungsjagden, eben alles, was das Herz begehrt. Auch ansonsten ist Abrams Werk visuell über jeden Zweifel erhaben, was das technische Equipment, die überzeugende Maske und natürlich auch die interstellaren Landschaften angeht, die anders als bei Lucas` vielgescholtenen Prequelfilmen nicht vor dem Greenscreen entstanden. Aber auch die Schauplätze, die im Studio errichtet oder mit dem Computer getrickst wurden, wissen zu gefallen. Toll ist auch die Filmmusik der Komponisten-Legende John Williams, die immer mal wieder deutlich in den Vordergrund tritt. „Das Erwachen der Macht“ hat darüber hinaus auch seine amüsanten Momente, die teilweise dem neuen Droiden, teilweise Chewbacca, aber auch dem einen oder anderen One-Liner geschuldet sind. Kritisch ist allenfalls anzumerken, dass der Film stellenweise etwas gehetzt wirkt, weil Abrams das Geschehen überhaupt nicht zur Ruhe kommen lässt.
Die Geschichte hält wenige Überraschungen bereit, weil sie viele Elemente der vierten Episode enthält. Es gibt einen neuen Todesstern, der den Planeten des Widerstands ins Visier nimmt und die Gegner der Ersten Ordnung daher zum Präventivschlag veranlasst. Hinzu kommt erneut ein ungelöster Vater-Sohn-Konflikt, der ewige Kampf der hellen gegen die dunkle Seite der Macht. Und natürlich sucht auch diesmal die gesamte Galaxis nach einem kleinen Droiden mit wertvoller Fracht. Dennoch ist die Story insgesamt stimmig und vor allem was die Charakterentwicklung angeht gelungen. Der für das Drehbuch mitverantwortliche Lawrence Kasdan, einst Autor der Episoden fünf und sechs, greift zwar auf altbekannte Figuren zurück, entwickelt aber auch neue, die diese Geschichte zu tragen vermögen und die Vorfreude auf weitere Episoden schüren.
Da wären zunächst der übergelaufene Sturmtruppler Finn, von einem überzeugenden und sympathischen John Boyega gespielt, und der beste Pilot des Widerstands, von Oscar Isaac verkörpert, der mit Filmen wie „Inside Llewyn Davis“, „A Most Violent Year“ und „Ex Machina“ in den letzten Jahren gleich mehrfach unter Beweis stellen konnte, dass er so ziemlich alles spielen kann. Flankiert wird das Ganze durch das große Comeback eines ausgesprochen vitalen Harrison Ford als Han Solo, der wider Erwarten eine sehr gewichtige Rolle spielt und dies Abrams mit einer tollen Vorstellung, witzigen One-Linern und einer großen Leinwandpräsenz dankt. Interessant ist besonders der neue Bösewicht Kylo Ren, der zwischen dunkler und heller Seite hin- und hergerissen ist, und in seiner dunklen Kutte mit schwarzer Maske auch ohne Imperial March eine sehr bedrohliche Präsenz entfaltet, zumindest bis er seine Maske abnimmt und das Gesicht des gänzlich uncharismatischen Adam Driver enthüllt. So werden in der Figur einige Widersprüche angelegt und der direkte Vergleich zum vielleicht größten Schurken der Filmgeschichte, zu Darth Vader, zumindest teilweise vermieden, weil es doch so einige Unterschiede gibt. Doch eine stellt sie alle in den Schatten, auch Carrie Fisher und Mark Hamill, die in kleineren Nebenrollen zu sehen sind: Daisy Ridley. Die bis dato praktisch unbekannte Darstellerin spielt die Schrottsammlerin Rey, die schließlich den gesuchten Druiden auffindet, ein Twist, der dem einen oder anderen ebenfalls bekannt vorkommen dürfte. Dass sie die Hauptfigur der neuen Trilogie werden dürfte, ist schon früh zu erahnen, zu groß sind die Parallelen zu den ersten Auftritten von Anakin und Luke Skywalker in den Episoden I und IV, aber auch die gewaltige Präsenz der durchweg überzeugenden und sehr sympathischen Darstellerin spricht dafür. Die Beziehungen der Figuren zueinander und die zentralen Konflikte werden insgesamt gelungen herausgearbeitet, so zündet das finale Laserschwertduell letztendlich auch nicht wegen einer umwerfenden Choreografie, sondern wegen des emotionalen Bezugs zu den Figuren. Ein Aspekt, der bei den Prequels so nicht immer vorhanden war.
„Das Erwachen der Macht“ richtet sich letztendlich aber vor allem an die Fans der Reihe, bei denen mit den Prequels viel Kredit verspielt worden war. Nicht nur Handlung und Figuren sind teilweise von der Episode vier inspiriert, es gibt auch darüber hinaus unzählige Anspielungen und Verweise, welche größtenteils sehr gut funktionieren. Wenn der Millennium-Falke endlich wieder abhebt, macht sich sicherlich Begeisterung im Kinosaal breit, wenn sich Harrison Ford und Carrie Fisher nach all den Jahren in die Arme fallen oder Mark Hamill am Ende wieder auf der Leinwand zu sehen ist, gehören diese Sequenzen nicht nur zu den emotionalsten des Films, sondern des gesamten Kinojahres. Es gibt darüber hinaus ein Wiedersehen mit vielen lieb gewonnenen Figuren wie Chewbacca, R2-D2 und C-3PO. Um alle Verweise aufzählen zu können, müsste man sich vor dem Kinobesuch wohl mit Klemmbrett und Schreibgerät bewaffnen, so viele sind es - oder diese eben einfach mit einem seligen Lächeln im Gesicht genießen.
Man merkt Abrams die Ehrfurcht vor der vierten Episode, einem der größten Meilensteine der Kinogeschichte, also durchweg an. Diese teilweise sklavische Verehrung der Vorgänger-Filme ist aber zugleich die größte Schwachstelle des Films, weil die Handlung so nur sehr wenige Überraschungen bereithält. Nachdem Abrams der anderen großen Weltraum-Saga „Star Trek“ eine Frischzellenkur verpasst hatte, versucht er hier erst gar nicht aus dem Schatten der ersten Trilogie herauszutreten, er macht es sich darin vielmehr sehr bequem. Man kann den Prequels, die sich gleichwohl bis zur „Rache der Sith“ gewaltig zu steigern vermochten, vieles vorwerfen, aber Lucas hatte weniger Ehrfurcht vor dem eigenen Werk gezeigt, hatte mehr gewagt und sich stärker von der alten Trilogie entfernt, wenn auch nicht immer in positiver Hinsicht. Dennoch darf man wohl froh sein, dass Abrams Jar Jar Binks im Ruhestand gelassen hat.
Fazit:
J. J. Abrams liefert lupenreines Blockbusterkino, das zugleich eine große Verneigung vor der vierten Episode der größten Space-Opera aller Zeiten ist. Der Film wird nirgendwo anecken, den Durchschnittszuschauer, wie auch den Hardcore-Fan sehr zufrieden stellen. Das ist letztendlich aber auch dem Umstand geschuldet, dass der hochbegabte Filmmacher, dem bisher der Ruf des großen Visionärs vorauseilte, wenig riskiert und sich (zu) stark an der vierten Episode orientiert. Dabei handelt es sich zwar mehr um ein Haar in der Suppe als um einen Kardinalfehler, zumal interessante, neue und von unverbrauchten Darstellern verkörperte Figuren eingeführt werden. Trotzdem sollte sich Abrams Nachfolger Rian Johnson frei fühlen, nach dem gelungenen Auftakt nun seinen eigenen Weg zu gehen. Zuletzt noch eine klare Empfehlung: Ticket lösen und reingehen!
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