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„Die Macht wieder erweckt du hast, Jeffrey!"

Die spannendste Frage kurz vor der Weltpremiere des nicht nur von Hardcore-Fans sehnsüchtigst erwarteten siebten Teils der Star Wars-Saga lautet zweifellos: War die Macht mit J.J. Abrams, oder musste er vor der dunklen Seite der höchst persönlich ins Unermessliche gesteigerten Erwartungshaltung kapitulieren? Schließlich hatte der findige Filmklassiker-Refreshment-Experte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die durch die ungeliebten Prequels entstandene Scharte wieder auszuwetzen und Glanz wie Zauber der Urtrilogie wieder herzustellen.
Schon bei der Verkündung der Reaktivierung des Heldentrios Luke, Han und Leia kannte der mediale Hype keine Grenzen. Als dann die ersten bewegten Bilder in Form von Teaser und Trailer mit Tie Fightern, X-Wing-Jägern, Sternzerstörern und dem Rasenden Falken auftrumpften, kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. Vergessen waren die sterilen CGI-Welten aus George Lucas Vorgeschichte-Nachklapp, vergessen der künstliche Look und die Konsolen-Spiel-Atmosphäre. Back to the roots - und zwar mit voller Lichtgeschwindigkeit - brüllten uns Abrams berauschende Bilderschnipsel entgegen und versetzten uns in fiebrige Hochstimmung. Zumal Abrams eine regelrechte Nachrichtensperre verhängte, so dass auch nicht das kleinste Story-Detail an die Öffentlichkeit gelangte.

Nun also kommt die Stunde der Wahrheit. War alles nur ein genialer Bluff, oder hat Abrams zu dem erwarteten As sogar noch weitere im Ärmel? Um es kurz zu machen: nein und ja. Die Macht ist stark in J.J. und vor allem weiß er sie zu nutzen.
„Episode VII" sollte daher nicht das „Das Erwachen der Macht", sondern vielmehr „Die Wiedererweckung der Macht" heißen. Magie, Charme und Schwung halten wieder Einzug ins Star Wars-Universum und lassen die von einem milchigen Look durchsetzten Prequels noch blasser aussehen. Endlich gibt es wieder echte Planetenwelten zu bestaunen, gedoubelt von Abu Dhabi, Island und Irland. Die Darsteller schwitzen in der Wüste, frieren im Schnee und rennen durch Wälder, anstatt permanent im Studio vor einer Greenscreen herum zu tollen und mit imaginären Gegenübern zu kommunizieren. Zahllose handgemachte Puppen und 1:1-Raumschiffmodelle lassen alles wieder so richtig echt, plastisch und greifbar erscheinen.
Die recht zahlreichen und geschickt über den Film verteilten Actionszenen - seien es Verfolgungsjagden, Lichtschwertkämpfe, Lasergefechte oder Raumschlachten - kommen sowohl bildgewaltig wie auch wuchtig daher, sind von enormer Geschwindigkeit und lassen sich dennoch problemlos nachvollziehen. Choreographie, Tricktechnik und Schnitt gehen eine perfekt austarierte Symbiose ein und erinnern zu keinem Zeitpunkt an die im modernen Blockbuster-Kino so häufig kreierte Computer-Atmosphäre.  

Die größte Herausforderung bestand aber sicherlich darin, ein neues Figurenensemble zu installieren, welches dem Ikonen-Trio Han Solo, Prinzessin Leia und Luke Skywalker irgendwie das Wasser reichen kann. Mit der geheimnisvollen Schrottsammlerin Rey (Daisey Ridley), dem abtrünnigen Sturmtruppler Finn (John Boyega) und dem draufgängerischen Piloten Poe Dameron (Oscar Isaac) scheint auch diese Hürde zumindest nehmbar. Jeder Charakter bekommt eine eigene Einführung spendiert, die seine Stärken und Eigenheiten prägnant herausarbeitet und dabei zusätzlich für so essentielle Werte wie Identifikation und Sympathie sorgt.
Auf der dunklen Seite lag die Latte sogar noch etwas höher, galt es doch einen der, wenn nicht den ikonischsten Bösewicht der Filmgeschichte zu ersetzen. Kylo Ren (Adam Driver) ist unverkennbar als Kopie Darth Vaders angelegt, funktioniert aber dennoch erstaunlich gut, da er zugleich bedrohlich wie innerlich zerrissen wirkt und damit zumindest schon einmal sowohl Darth Maul wie auch Anakin Skywalker vergessen macht, die jeweils nur über eines dieser Attribute verfügten. Lediglich der Imperator-Ersatz ist etwas misslungen, da der von Motion-Capture-Experte Andy Serkis verkörperte Supreme Leader Snoke gerade durch seine gigantische Gestalt seltsam uncharismatisch daher kommt und an die Legion wenig furcht einflößender Villains aus dem Marvel-Universum erinnert.

Bleiben noch die alten Recken und vor allem hier setzt Abrams nun voll auf Retro-Effekt und beordert den unzweifelhaft populärsten Sternenkrieger der gesamten Saga zurück ins Glaskuppel-Cockpit. Harrison Ford dankt es ihm und legt seinen Part als Sprüche klopfender Weltraumpirat mit enormer Spielfreude und erstaunlicher Kontinuität zu seiner letzten, immerhin über 30 Jahre zurückliegenden Interpretation mit einer Selbstverständlichkeit neu auf, als hätte er nie etwas anderes gespielt oder gar spielen wollen. Zusammen mit seinem ebenfalls reaktivierten Copiloten Chewbacca feuert er eine launige Deja-Vu-Salve nach der nächsten aus seiner rostigen Blasterkanone und hat mit den größten Anteil an der durchgängig heimeligen Stimmung von „Episode VII". Die weniger gut gealterte Carrie Fisher hat dagegen eher einen Cameo-Auftritt, überzeugt aber zumindest bei ihren gemeinsamen Szenen mit Ford. Und Mark Hamill? Sein großer Auftritt kommt wohl erst in „Episode VIII", aber der verspricht sehr interessant zu werden.

Sucht man ein Haar in der gekonnt abgeschmeckten Sternenkrieger-Suppe, dann könnte man am ehesten bei der Story sowie der Eigenständigkeit fündig werden. Die Handlung um die finstere, die Galaxis zunehmend beherrschende „Erste Ordnung", ihre neue planetare Superwaffe und die sich neu formierende Rebellion erinnert frappierend an den allerersten Film („Star Wars", 1977), wobei das rasante Erstarken des Imperiums nach seiner totalen Niederlage in "Return of the Jedi" mindestens stark verwundert.
Darüber hinaus zitiert Abrams zahllose Szenen sowie Dialoge aus dem Original. Das ist einerseits ein wahres Freudenfest für alle Fans und Star Wars-Jünger sowie ein heftiger Seitenhieb auf die Fehler der Prequel-Trilogie, andererseits aber auch eine Kapitulation vor Risiko, Wagemut und Kreativität - alles Attribute, die man George Lucas definitiv zuschreiben kann. Abrams geht hier klar auf Nummer sicher und liefert exakt was das Fanherz begehrt bzw. bei den Episoden I-III so schmerzlich vermisste.

Dabei hat ihm auch sicher Autor Lawrence Kasdan gewinnbringend unter die Arme gegriffen - schließlich hatte der schon die Skripts zu „Das Imperium schlägt zurück" (1980) und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter" (1983) verfasst -, was nicht nur hinsichtlich des nicht unerheblichen Kontinuitätsfaktors, sondern v.a. bezüglich der Figurenzeichnungen eine vortreffliche Wahl war. So wirkt die Interaktion der Hauptfiguren untereinander wieder ähnlich stimmig und wird häufig durch trockenen Wortwitz aufgelockert. Die aufgedeckten wie die angedeuteten familiären Bindungen und Beziehungen zwischen den alten und den jungen Helden werden flüssig und glaubhaft entwickelt. Lieb gewonnene Figuren wie C3-PO, R2-D2 und Chewbacca fügen sich harmonisch ein, ohne zur bloßen Staffage zu verkommen. Dazu gibt es mit dem Kugelroboter BB-8 noch einen niedlichen R2-Nachfolger und auch an diejenigen die Yoda vermissen, wurde irgendwie gedacht.

„Back to the classic roots" prangt also in goldenen Lettern über dem gesamten Film. Aber auch damit liegt Abrams voll im Trend anno 2015. Ob der verrückte Max in „Fury Road", der ergraute T-1000 in „Terminator - Genysis", oder Englands schneidigster Staatsdiener in „Spectre", stets wurde sich ausgiebigst aus dem Mythenfundus und Zitatenschatz der berühmtesten Franchise-Beiträge bedient. Ein filmisches Retro-Revival-Festival popkultureller Ikonen. Was passt dazu besser als der bläulich leuchtende Eingangssatz: „ Es war einmal, vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten ... „?
„Star Wars Epiosode VII" ist letztlich ein Film von Fans für Fans. Ein sehnsuchtsvoll erhofftes Weihnachstgeschenk mit golden glänzender Nostalgie-Schleife. Hier wurde der nach den Prequels enttäuscht zusammengeknüllte Wunschzettel fein säuberlich geglättet und Wort für Wort akribisch abgehakt. Beim nächsten Star Wars-Fest darf es dann aber gern die ein oder andere Überraschung (mehr) geben. J.J. Abrams hat die image-mäßig angeschlagene Saga wieder in die Spur gebracht und hoch beschleunigt. Der Hyperantrieb ist repariert, nun gilt es beherzt durchzustarten. Rian Johnson, übernehmen Sie. „Möge die Macht auch mit dir sein. Immer ...."

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