Pack deine Altlasten in die Kiste, grabe sie bei grell erleuchtetem Nachthimmel in die Walderde ein und verbrenne sie. Kehre dann in deine Werkstatt zurück und versuche es gleich nochmal. Ach, wie praktisch, dass die passende Metapher für Abschluss und Neubeginn gleich mit der ersten Szene auf dem Silbertablett serviert wird.
Oberflächlich betrachtet startet „Curse of the Puppetmaster“ mit einem Verweis auf den Gothic-Horror-Prolog von „Puppetmaster 2“, in dem die Sklaven ihren Meister unter Blitz und Donner aus der feuchten Erde bargen. Diesmal ist es unter den gleichen Vorzeichen genau andersherum. Der Meister wird nicht mehr ausgegraben, sondern er selbst ist es, der etwas vergräbt. Letztlich zwei Seiten derselben Medaille, die als Sinnbild für die gesamte Franchise rund um Toulons mörderische Puppen steht. Denn fast jeder Eintrag in die Reihe spielte mit den Regeln kontinuierlichen Erzählens und deutete eine übergreifende Mythologie an, nur um mit dem nächsten Film wieder einen völlig neuen Ansatz auszutesten, die ausgelegten Pfade des Vorgängers stets kappend wie der Bootskapitän das Tauwerk beim Ablegen. Verbuddeln – ausgraben. Ausbuddeln – vergraben.
Vier Jahre nach „Puppet Master V“, dem vermeintlichen Schlussstrich unter die Saga, sollte es nun also doch weitergehen, allerdings offenbar mit so geringem Aufwand wie möglich. Anstatt Gordon Currie, Chandra West und Guy Rolfe zurückzuholen und mühsam ein Drehbuch aufzuziehen, das die Fäden des letzten Teils wieder aufnehmen würde, ließ man den frischgebackenen neuen Haus- und Hofautoren Neal Marshall Stevens („Hideous“, „The Creeps“) quasi das Skript des ’73er-Schlangenhorrorfilms „Sssssnake Kobra“ dummdreist umschreiben – wohl weniger in Verbeugung vor dessen Qualitäten, sondern wohl eher in der Hoffnung, dass den obskuren Streifen mit Dirk Benedict niemand sonst kennt. Speziell das Ausgangsszenario beider Filme ähnelt sich so stark, dass Stevens vermutlich nur eine gewisse Abstraktionsfähigkeit abverlangt wurde: Er musste sich vorstellen können, wie sich die Puppen wohl anstelle der Schlangen verhalten würden. Ansonsten durfte er dieselbe Geschichte mehr oder weniger noch einmal erzählen. Zum wiederholten Male also „häutet“ sich die Puppet-Master-Reihe; doch nie wirkte dieser Vorgang fauler als hier.
Faulheit ist in Kombination mit Sparwut womöglich die spielbestimmende Motivation im sechsten Teil, denn so ziemlich alles, was in den Vorgängern mit Aufwand verbunden war, wurde inzwischen aus dem Framework getilgt. Das dabei entstandene Vakuum füllte man dann einfach mit den alten Lorbeeren. Der elend lange Vorspann des Films, der ohnehin mit Ach und Krach gerade noch eine Nettospielzeit von 70 Minuten überschreitet, präsentiert nicht umsonst die besten Puppen-Einstellungen aus den bisherigen Teilen. Man sollte trotz der Wiederholung besser gebannt auf den Bildschirm schauen, denn die einzig wahren Spezialeffekte wird man lediglich in dieser Collage finden, kaum mehr im nachfolgenden Film. David Allen und seine Stop-Motion-Crew sind nämlich nicht mehr an Bord. Vergleicht man die Anzahl der Mitarbeiter im Effektbereich zwischen „Puppet Master 5“ und „Curse of the Puppetmaster“, dann wird man feststellen, dass die Basis-Aufgaben auf wenige Schultern umverteilt wurden und die besonderen i-Tüpfel einfach weggekürzt wurden. Und das sieht man.
Blade, Jester, Pinhead, Tunneler und Six Shooter sind die Konstanten, die diese Filmserie noch zusammenhalten, im Wesentlichen hat man aber das Gefühl, sie sind nur so ausdauernd, weil sie keine Gage verlangen und es einfach und billig ist, sie als steife Requisiten von einem Film zum nächsten mitzuschleppen. Selbst die zwischenzeitlich ausrangierte Leech Woman ist plötzlich wieder dabei, als hätte man sie zufällig im Ofen zwischen den Holzscheiten wiedergefunden und sich gedacht: warum eigentlich nicht. Wie sie so dahocken in ihren kleinen Käfigen in der Werkstatt, erzeugen sie unfreiwillige Assoziationen zu Ray Harryhausens „Bestie aus dem Weltenraum“ (1957), einer ebenfalls in einen Käfig gesperrten Mini-Kreatur, die aber im Gegensatz zu den Charles-Band-Puppen ganz und gar nicht wie totes Holz wirkte, sondern Dutzende Male pro Sekunde das pure Leben verströmte. Was die Steifheit der Puppen nur noch mehr betont.
Der Fokus liegt dann auch eher auf Dr. Magrew, gespielt von George „not quite Gregory“ Peck, der als Puppenmeister den frischen Wind des jungen Gordon Currie aus dem Vorgänger wieder mit dem alten Kellermief des Original-Toulon der Guy-Rolfe-Prägung ersetzt, was im Sinne der klassischen Grusel-Schule eines Vincent Price mit einem eher Magie und Okkultismus denn Wissenschaft zugeneigten Subtext sogar begrüßenswert wäre, verfügte die Produktion denn über ausreichend Budget, um derartige Stimmungen in den Kulissen zu realisieren. Ein „Magrew’s House of Marvels“-Schild reicht aber nicht, wenn sich dahinter wenig Magisches befindet. Der entweder bei neutralem Tageslicht oder aber mit künstlichem Stroboskoplicht bei Nacht inszenierte Film zeigt letztlich kaum Gespür für übernatürliche Stimmungen.
Lieber frönt er da schon der spielerischen Annäherung an Backwood- und Kleinstadt-Klischees. Dem arroganten Schnösel in Daddy’s Cabrio, der mit seiner Halbstarken-Gang den leicht beschränkt wirkenden Tankwart namens Robert erniedrigt („Folks call me Tank“), wird sogar so viel Raum gegeben, dass man ihn fast schon zum zentralen Antagonisten des Films erklären muss, denn sonst weiß das Drehbuch kaum einen richtigen Fiesling aus dem Hut zu zaubern. Die Puppen lässt man also am langen Arm verhungern, sie greifen in der ersten knappen Stunde tatsächlich kaum aktiv in das Geschehen ein, und wenn sie es später doch tun, dann stets halbherzig und ohne richtige Beweggründe. Hier wird ja schließlich nicht mehr gegen die Nazis gekämpft.
Was man selbst diesem sechsten Teil noch zugute halten muss: Trotz des Mangels an Puppen-Action und trotz der völlig neu aufgezogenen Story verliert er sein Kernthema nie ganz aus den Augen. Während etwa die „Hellraiser“-Reihe ihre Zenobiten zum gleichen Zeitpunkt längst zu nutzlosen Gimmicks erklärt hatte, die in kathartischen Tragödien dritter Klasse über uninteressante Einzelfiguren schattenhafte Cameos zu absolvieren hatten, bemühen sich die kreativen Verantwortlichen um Charles Band und Regisseur David DeCoteau zumindest darum, ihre Kernmythologie weiter auszubauen. In diesem Fall versuchen sie sich an einer Art Pinocchio-Variation, mit der Wendung allerdings, nicht etwa einen Holzjungen davon träumen zu lassen, ein echter Mensch zu werden, sondern einen echten Menschen fürchten zu lassen, in Holz verwandelt zu werden. Auch Geppetto wird ein dämonischer Kniff gegeben, der ihn einen Assistenten nach dem anderen verschleißen lässt. Wenn Peck eben auch kein Gregory ist, so ist er doch immerhin charismatisch genug, um den inneren Kampf zwischen Gut und Böse über sein Schauspiel austragen zu können, gerade im Zusammenspiel mit den vielen unterschiedlichen Nebenfiguren: dem hemmungslos chargierenden Sheriff beispielsweise (Robert Donavan), seiner gutmütigen Tochter (Emily Harrison) und eben dem hoffnungslos treudoofen Tank (Josh Green), der seinerseits äußerst interessante Facetten in sich birgt. Aber auch hier scheitert wieder das Drehbuch, da es ihm nicht gelingt, den inneren Zwiespalt über die verschiedenen Akte hinaus schlüssig auszuarbeiten. Stattdessen dominieren wirre, sich selbst widersprechende Handlungen, die nur selten schlüssig erscheinen.
Zum Ende hin wirkt der bis dahin recht gemütliche Streifen dann auch noch seltsam gehetzt. Einige der Puppen rasten auf einmal aus, als müssten sie ihre bis dahin waltende Passivität mit einem Energiestoß egalisieren. Blade jedenfalls hat man noch nie so abgedreht mit der Klinge fuchteln sehen, ja selbst Jester macht sich erstmals selbst die Hände schmutzig, anstatt die Geschehnisse hämisch lachend oder entsetzt ein „O“ formend zu kommentieren. Pinhead und Tunneler sind ohnehin immer am Start, wenn es etwas zu hämmern und bohren gibt, nur die sechs Sechsschüsser von Six Shooter bleiben, von einer Zirkuseinlage abgesehen, ungewöhnlich stumm. Und Leech Woman darf das Innere ihres Magens diesmal bei sich behalten. Um Neuzugänge ist es übrigens eher schlecht bestellt. Eine ziemlich grotesk wirkende neue Puppe bekommt man für eine kurze Einstellung zu sehen, am Ende wird inmitten der nach Holz und Handarbeit riechenden Kulisse plötzlich ein Hi-Tech-Roboter aus dem Hut gezaubert, der eher in den vierten oder fünften Teil gepasst hätte. Ansonsten beschränken sich die Innovationen auf zwei zugegeben effektive Traumsequenzen, in denen sich Tank von den Beinen aufwärts langsam in eine Holzpuppe verwandelt. Die Krönung ist das völlig überhastete Finale, das wohl nach Art von „Der Hexenjäger“ mit dem Schock des unmittelbaren Traumas in den Abspann entlassen soll, das aber letztlich so wirkt, als habe der Cutter aus Versehen die letzten Filmrollen geschrottet.
Eigentlich hätte „Curse of the Puppetmaster“ der letzte Sargnagel für die Reihe sein müssen. Stattdessen hat er sie wiederbelebt und weitere Sequels in Gang gesetzt. Wie das möglich war, lässt sich heute kaum mehr nachvollziehen. Jedem Teil der vorausgehenden Pentalogie würde man rückblickend seine eigenen Qualitäten zugestehen. Nichts an diesem sechsten Teil jedoch rechtfertigt eine Wiederauferstehung nach vier Jahren seligen Schlafes in der Graberde. Vielleicht war das bereits der Beginn des Untergangs einer Studio-Kultur.