Nicht nur im Angesicht all der Massen-kompatiblen, erfolgreichen sowie seitens aufwändiger Werbe-Kampagnen unterstützen „Reboots“, Sequels und Comic-Adaptionen haben es ungewöhnliche, eigenwillige, kreativ-wagemutige Produktionen auf dem heutigen Markt extrem schwer. Doch es gibt sie – man muss sie bloß zu entdecken und zu schätzen wissen. Nachdem Regisseur Darren Lynn Bousman sich mit den ersten drei „Saw“-Fortsetzungen einen Namen gemacht hatte, verließ er die ungemein lukrative Franchise zugunsten der Realisierung eines lang von ihm gehegten Passionsprojekts: „Repo! The Genetic Opera“ – ein düster-schräges Sci-Fi-Rock-Musical, mit dem das betreffende Studio letztlich jedoch kaum etwas anzufangen wusste. Ohne nennenswerte Marketing-Unterstützung in nur ein paar Kinos in Kanada und den USA gebracht, floppte der Streifen unschön. Frustriert über dieses Vorgehen, entschloss sich Bousman kurzerhand dazu, die Sache sozusagen „in die eigenen Hände zu nehmen“: Mit einer von „Lionsgate“ erhaltenen Kopie des Werks kümmerte er sich fortan selbst darum, unabhängige Kinos überall im Land zu kontaktieren sowie entsprechende Screenings zu organisieren. Die Mühen zahlten sich aus: Ähnlich wie rund 35 Jahre zuvor bei der „Rocky Horror Picture Show“ wurden die Vorführungen zu wahren „Happenings“ – komplett mit kostümierten und mitsingenden Zuschauern, einer tollen Stimmung und der zugehörigen Mundpropaganda. Bis heute finden noch immer derartige Veranstaltungen statt – der „Kult-Status“ des 2008er Streifens gilt inzwischen als „gefestigt“…
2012 dann stemmten Bousman und Terrance Zdunich – seines Zeichens Darsteller, Skriptautor sowie (gemeinsam mit Saar Hendelman) Co-Komponist des Ganzen – das grob vergleichbare, knapp einstündige Anthology-Musical „the Devil´s Carnival“, welches u.a. mit Hilfe von direkt (via der eigenen Website) verkauften „Special Edition“ DVDs und BluRays plus einer gut besuchten „Road Show“-Kino-Tour (samt „Q&A“-Sessions, „Meets&Greets“ sowie einem themenbezogenen Rahmenprogramm) refinanziert wurde. Sowohl das Konzept als auch das Ergebnis an sich wussten zu überzeugen – und so blieben Bousman, Zdunich und Hendelman im Folgenden ihrer Intention treu, die Materie zu einer „mehrteiligen Reihe“ auszubauen. Mit „Alleluia! The Devil´s Carnival” ist dabei das zweite, 2016 veröffentlichte „Kapitel“ der sich um einen eskalierenden Konflikt zwischen Gott und dem Teufel rankenden Geschichte herausgekommen: Erneut in der geschilderten Weise präsentiert und vertrieben – dieses Mal jedoch mit einer Laufzeit von rund 97 Minuten aufwartend sowie hauptsächlich im Himmel angesiedelt, während sich der Vorgänger ja maßgeblich in der Hölle entfaltet hat. Ohne Umschweife wird an Bord der Lok eines rasenden Zugs eröffnet, mit welchem Luzifer (Zdunich) gerade eine Gruppe „verlorener Seelen“ (unter ihnen Briana Evigan) bis an die „Pforten“ des Reiches seines Widersachers heranbringt, um sie dort „abzuladen“. Zwar hätte man den zugehörigen Song „Shovel and Bone“ ruhig einen Zacken kürzer halten können – nichtsdestotrotz fühlt man sich als eingefleischter Fan quasi auf Anhieb „wieder zuhause“…
Mit seiner Aktion will Luzifer Zweifel und Unruhe unter den Himmelsbewohnern säen – was Gott (Paul Sorvino) natürlich erzürnt sowie dazu animiert, seinen besten Mann (Adam Pascal als „the Agent“) auf die Klärung der Angelegenheit anzusetzen, bevor es zum Ausbruch eines fatalen Krieges kommt. Simultan beginnen die entzweiten Parteien aber auch schon mit dem Mobilisieren ihrer Streitkräfte – wobei der „Ticket Keeper“ (Dayton Callie) „unten“ jedoch befürchtet, dass die „Carnies“ (Marc Senter, Bill Moseley, J. LaRose, Brea Grant uvm.) für eine solche Auseinandersetzung schlichtweg noch nicht genügend vorbereitet sind. Eine zentrale Person in Luzifer´s Plan markiert „Painted Doll“ (Emilie Autumn) – ein „gefallener Engel“, der einst June hieß und zusammen mit ihrer Freundin Cora (Lyndon Smith) eine Anwärterin auf einen Platz im Hause der „Heavenly Productions Incorporated“ war, bis sie (aufgrund ihrer „neugierig-rebellischen Ader“) beim Brechen der strengen Regeln erwischt sowie hinab in die Hölle verbannt wurde. Sie und „the Agent“ teilen sich eine Vergangenheit, die bei den anstehenden Verhandlungen mit Sicherheit einen interessanten Einfluss mit sich bringen dürfte. In diesem Sinne entpuppt sich „Alleluia!“ überwiegend als ein ihre „Origin Story“ (in Form ausgiebiger Rückblenden) aufzeigendes Prequel – im Zuge dessen man zugleich Einblicke in die im Himmel vorherrschenden Verhältnisse und Organisationstrukturen gewährt erhält; inklusive der Schaffens- und Betätigungsfelder solch illustrer Gestalten wie „the Designer“ (David Hasselhoff), „the Publicist“ (Ted Neeley) und „the Librarian“ (Tech N9ne)…
Nachdem einem der erste Film „das höllische Jahrmarkt-Treiben“ nähergebracht hat, steht im Vorliegenden nun also der Himmel im Fokus: Im Prinzip wie eine große Hollywood-Gesellschaft in der „goldenen Ära“ der einflussreichen „Major-Studios“ aufgebaut sowie von Gott himself „mit eiserner Härte“ geführt bzw. geleitet, verfügt dieser Ort über verschiedene reichhaltig ausgestattete Räumlichkeiten (á la Theatersaal, Marmor-Flure, Büros, Bibliothek, Schneiderei etc.) und mutet dabei (komplett mit den altmodisch-schicken Frisuren, Anzügen und Kleidern der sie bevölkernden Individuen) förmlich wie den glamourösen 1920ern-'40ern entsprungen Schrägstrich nachempfunden an – das allerdings mit einem merklichen „George-Orwell-Touch“ versehen, denn man muss schon gut darauf achten, was genau man so sagt oder wie man sich verhält. Hinter seiner „strahlenden Fassade“ ist der Himmel der Hölle in Wahrheit nämlich überhaupt nicht allzu unähnlich – eher verlogener und boshafter noch. Gott, der gern des Öfteren in einer weißen Kapitänsuniform in die Öffentlichkeit tritt, erscheint einem reizbar, manipulativ und nahezu unmöglich zufrieden zu stellen. Paul Sorvino („GoodFellas“) verkörpert ihn im Stile einer Kombination aus Leuten wie Harry Cohn, Howard Hughes und Al Capone: Mächtig, rücksichtslos, dominant – sowie hübschen Frauen nicht abgeneigt. Sollte ihm jemand mal nicht genügend lächeln, wird das gelegentlich (auf sein Geheiß hin) „chirurgisch korrigiert“ – während seine Sicherheitskräfte (wie zwei von Jimmy Urine und Chantal Claret gemimte „Keystone Kops“) seine Anordnungen durchaus sadistisch-gewalttätig umsetzen…
An „Starletts in einem Internat“ erinnernd, erhält eingangs eine Gruppe „Angelic Applicants“ Zugang zu diesen „heiligen Hallen“, in denen sie regelmäßig mit Jingles beschallt und ihnen die unbeugsamen Regeln eröffnet werden – allen voran den „Schöpfer“ nicht zu hinterfragen sowie bestimmte Verbote zu respektieren. In dieser Phase obliegt es den Neuankömmlingen, sich als „würdig“ zu beweisen – sich sozusagen „ihre Flügel zu verdienen“. Im Gegensatz zu Cora – bezaubernd: Lyndon Smith aus „Bleed“ – kann und will June ihren „Freigeist“ jedoch nicht unterdrücken: Dies mündet u.a. darin, dass sie eine Affäre eingeht sowie aus Neugier ein „untersagtes“ Buch zu lesen versucht und dafür am Ende „den Preis zu zahlen“ hat. Ihre erste wirklich „tragende“ Schauspiel-Rolle meistert die kalifornische Sängerin und Violinistin Emilie Autumn ohne Veranlassung zur Klage – und zwar auf beide Facetten ihrer Figur (sprich: sowohl June als auch „Painted Doll“) bezogen. Ebenso überzeugt Adam Pascal („Rent“) als „vertrauter Wegbegleiter“ Gottes sowie dessen bewährtester „Lap Dog“, der tatsächlich etwas für June empfindet – seinem „Boss“ jedoch loyal ergeben ist (vereinzelter aufkeimender Zweifel zum Trotz). In seinen Ausführungen kritisiert Luzifer wiederholt die Art, wie Gott die Zugegenen im Himmel behandelt – von denen einige (getreu ihrer Wirkungsbereiche) beispielsweise als „Workhorses“ bezeichnet werden. Das „inhaltliche Konstrukt“ des Streifens weist diverse zynisch-satirische (für manche sicher provokante) Elemente auf: Per Sarkasmus wird nicht allein nur die Heuchelei gewisser „religiöser Institutionen“ ins Visier genommen…
Barry Bostwick („Nancy Drew“), der ja bereits in der 1975er „Rocky Horror Picture Show“ mitgewirkt hat, gibt hier (unter einer Schicht Make-up verborgen) den Cartoon-esken, immerzu mit seiner Kamera auf den richtigen Augenblick wartenden Sensationsreporter „the Watchword“ zum Besten, Rapper Tech N9ne („Jack's Law“) schlägt sich (samt goldenem Bart) wacker als lehrender Bibliothekar, David Hasselhoff („Sharknado 3“) hatte sichtlich Spaß an seinem Part des extravaganten „Designers“ und Ted Neeley („Jesus Christ Superstar“ höchstpersönlich) führt als „the Publicist“ stimmgewaltig Gottes „PR-Truppe“ an, zu der auch ein aus Kristina Klebe („Chillerama“), Alisa Burket („Evol“) und Francesca Vannucci („Chained“) bestehendes Chor-Trio gehört. Während die stets willkommene Briana Evigan („Burning Bright“) die Mehrheit ihrer Screen-Time „in himmlischer Gefangenschaft“ verbringt, haben die meisten anderen „Carnies“ nur recht kurze Auftritte – was vorrangig aus der gewählten Plot-Gewichtung resultiert. Aus ihren Reihen wären da etwa „Skinny Puppy“-Sänger Nivek Ogre, Marc Senter („Brawler“), Bill Moseley („the Devil´s Rejects“), J. LaRose („the Baytown Outlaws“), Brea Grant („Smothered“) sowie „Asking Alexandria“-Frontmann Danny Worsnop herauszustellen. Eine wichtige Position nimmt wiederum Dayton Callie (TV´s „Sons of Anarchy“) als „the Ticket Keeper“ ein: Er macht sich sorgenvolle Gedanken um die gravierenden Folgen eines Krieges zwischen den verfeindeten Parteien und fühlt sich von seinem „Chef“ ausgerechnet in dieser kritischen Zeit „ein wenig ausgegrenzt“…
Erneut ist Terrance Zdunich („Chain of Souls“) – so wie nicht anders von ihm gewohnt – in der Rolle Luzifers absolut großartig: Mit seiner imposanten „Screen Presence“ und markanten Stimme portraitiert er Gottes Antagonisten (auf interessante Weise) geradezu perfekt. Die von ihm und Saar Hendelman („A Fuchsia Elephant“) kreierte Musik ist abwechslungsreicher, klangvoller Natur: Unterschiedliche Stile umfassend, mit feinen, teils fast schon poetischen, die Geschichte erzählenden sowie Hintergründe preisgebenden Lyrics gesegnet sowie individuell den Stärken der jeweiligen Performer angepasst. Geschmacksache – mit Sicherheit – aber ohne Zweifel originell und Lob gebührend. Neben Zdunich´s Songs – besonders das anfangs erwähnte Duett mit Evigan sowie ein tolles Stück mit dem Titel „After the Fall“ – gefiel mir Pascal´s schmissige Nummer „Down at the Midnight Rectory“ (dank seiner „Energie“ und „Ohrwurm-Qualität“) herausragend prächtig – worüber hinaus es amüsant war, Bostwick und „the Hoff“ mal wieder singen zu hören, mich Tech N9ne im Rahmen seines Beitrags „Hitting on all Sevens“ positiv überraschen konnte sowie Emilie Autumn mit „Hoof and Lap“ ein rundum anständiges (übrigens mit einigen deutschen Textzeilen aufwartendes) „Finale“ ablieferte. Die „Slapstick-Ausrichtung“ der Charaktere Jimmy Urines und Chantal Clarets sowie ihres Liedes „Good little Dictation Machines“ gefiel mir indes nicht allzu sehr – und Ted Neeley´s „All aboard (Everybody´s doing the Ark)“ hätte man getrost um zirka ein Drittel seiner Dauer kürzen können – doch insgesamt wusste mir der Soundtrack prima zu gefallen…
Es mag sein, dass die Drehbuchvorlage weder „tiefschürfend“ noch außerordentlich komplex gestrickt wurde – mehrschichtig sowie von interessanten Gestalten bevölkert, die u.a. in Form einiger reizvoller Beziehungsverhältnisse miteinander in Verbindung stehen, kommt sie aber dennoch daher. Verspielt und bunt – simultan jedoch auch düster und ernst – haben Bousman und sein beherztes Team (trotz ihrer limitierten finanziellen Ressourcen von nur knapp $500.000) ein optisch schick anzusehendes sowie phantasievoll ausgestattetes Werk geschaffen, das sich (mit Stolz) sehen lassen kann. Kompetent bebildert seitens des erfahrenen Cinematographers Joseph White („Fear Clinic“), würde ich eine wunderbar atmosphärische Szene in einem verrauchten Swing&Jazz-Club als meine liebste bezeichnen: In diesen Momenten stimmt einfach alles. Was mich letztlich allerdings dazu veranlasst hat, den Film geringfügig schwächer als seinen Vorgänger zu bewerten, sind zwei Punkte: Zum einen bevorzuge ich bei einem derartigen „Format“ (im direkten Vergleich) eine Laufzeit von „plus/minus einer Stunde“ dann doch einer fast an 100 Minuten heranreichenden – zum anderen habe ich es (unweigerlich) als etwas schade empfunden, dass in diesem „Kapitel“ der eigentliche Krieg noch gar nicht ausbricht. Ich bin gespannt darauf, wie sich die Geschehnisse weiterentwickeln werden – und hoffe, nicht noch einmal drei Jahre bis zur nächsten Veröffentlichung ausharren zu müssen. Mir ist allerdings klar, dass es bei solchen „unabhängigen“ Projekten oft schlichtweg nicht schneller geht – und besser so, als irgendwelche „unvorteilhaften Kompromisse“ eingehen zu müssen…
Fazit: Ungewöhnlich, kreativ sowie u.a. ein ansprechendes Produktionsdesign, engagiertes Cast-Ensemble und einen schön zynischen Sinn für Humor aufweisend, handelt es sich bei „Alleluia! The Devil´s Carnival 2” um ein eigenwillig-unterhaltsames Musical, das sich in erster Linie (ganz bewusst) an ein spezielles „Nischen-Publikum“ richtet…
gute „6 von 10“