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Am Ende von „Puppetmaster 2“ war alles präpariert für ein weiteres schnelles Sequel. Eine amerikanische Landstraße wies wie ein Pfeil in die Zukunft, der klapprige Bulli mit Mannequin-Camille am Steuer tuckerte geradewegs hinein in ein neues Abenteuer. Die nächste richtige Fortsetzung sollte aber erst drei Jahre später mit „Puppetmaster 4“ eingefädelt werden. Zunächst sah Charles Band wohl die Zeit gekommen, ein paar Dinge aus jener düsteren Vergangenheit zu klären, die seit dem Prolog von „Puppetmaster“ als Schatten über der Franchise schwelte.

Der Entschluss, aus „Puppetmaster 3“ ein Prequel zu machen, führt zur bis dato ambitioniertesten Produktion innerhalb der Reihe. Das kleine Studio, dem es irgendwie gelang, ein ganzes B-Movie-Imperium auf Basis ausdrucksloser Plastik- und Holzköpfe zu erschaffen, muss diesmal schließlich mehr zum Leben erwecken als ein paar Puppen, nämlich gleich die komplette Epoche des Nationalsozialismus… nicht als kurze Rückblende wie im Ägypten von Teil 2 oder eben wie im WWII-Prolog von Teil 1, sondern als primäre Filmkulisse. Sets, Bauten und Kostüme sehen sich auf einmal ganz anderen Ansprüchen ausgesetzt, noch dazu müssen Drehbuch und insbesondere die Dialoge darin der dargestellten Zeit entsprechen.

Wenn man sieht, wie sich Full Moon im Speziellen und B-Filme im Allgemeinen seit der Digitalisierung des Films entwickelt haben, sind ältere, analog gedrehte Filme wie „Puppetmaster 3“ schon alleine aufgrund ihrer filmischen Optik und ihres verhältnismäßig hohen Aufwands bei der Rekonstruktion historischer Settings im Wert gestiegen, selbst wenn die Illusion eben nicht so wasserdicht sein kann wie bei einer Big-Budget-Produktion. Dennoch sind Bilder wie diese mit einem Budget von unter einer Million Dollar heute nicht einmal mehr nach Inflationsausgleich zu stemmen. Hier und da macht man Stock Footage anhand der Bildeigenschaften aus, offensichtlich wurde aber auch viel in den Universal Studios nachgebaut. Hakenkreuzbanner flattern meterhoch an riesigen Betonfassaden , Statisten in SS-Uniform drehen am Bahnhof ihre Runden, während der Zug einfährt. In Hintergassen und Labors mit blutbeschmierten Soldatenleichen, denen grüne Substanzen injiziert werden, kommt darüber hinaus Re-Animator-Feeling auf, im städtischen Bordell High-Noon-Stimmung und später im Exil des Puppenmeisters sogar noch ein Schuss apokalyptische Retro-Futuristik. Die für einen Film dieser Budgetklasse durchaus zufriedenstellende Kopie einer blühenden Nazizeit wird dadurch mit Erweiterungen im Produktionsdesign ausgeschmückt und ergibt im Gesamtbild dennoch ein geschlossenes Ganzes, das mit abwechslungsreichen, hübsch gestalteten Kulissen punktet, die tatsächlich den Charme der Hintergründe eines Marionettentheaters versprühen.

Inhaltlich wird mit „Puppetmaster 3“ eine Kurswende eingeläutet. Die Puppen Toulons standen zwar nie für das ultimativ Böse, da sie immer schon in Opposition zur Nazi-Ideologie standen, sie wurden aber doch bisher als Werkzeug eingesetzt, um gängige Slasher-Mechanismen zu bedienen. Letztlich standen sie gewissermaßen als neutrale Instanz zwischen den aufrichtigen und den bösartigen Charakteren unter den Menschen. Wenn man nun sieht, wie sie sich durch Nazi-Leiber bohren, ist das Sehgefühl ein komplett anderes; es ist auf einmal so, als habe man die Puppen selbst ausgesandt, um sie im eigenen Namen töten zu sehen, während man vormals immer das Gefühl hatte, man sei als Unbeteiligter in einen Kleinkrieg geraten und hoffte nur, auf dem Schlachtfeld keine Messerklinge abzubekommen.

Mit Sicherheit liegt das auch an Guy Rolfe als André Toulon, der William Hickeys kurzen Auftritt aus dem ersten Film würdevoll aufgreift und viel Wärme in seine Rolle bringt, die wie ein Lagerfeuer in der feindlichen, mit hassenswerten Zeitgenossen bevölkerten Umgebung leuchtet – nicht unähnlich einem Geppetto aus „Pinocchio“. Im Umgang mit seinen Puppen offenbart er eine humanistische Philosophie, die vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus sehr schlüssig dargestellt wird und der Figur dadurch sehr viel mehr Tiefe verleiht, als man normalerweise von einem Film dieser Kategorie erwarten würde. Auch sonst ergeben sich neben den vielen Abziehbildern unter den Schurken Momente überraschender Menschlichkeit, die man nicht hat kommen sehen, was dem Gesamtton einen Anstrich von Gut gegen Böse gibt, bei dem die Seiten fast ausgeglichen sind und das Gute einen Silberstreif am Horizont entfacht.

Das Puppenarsenal vertraut weiter auf seinen Stamm und hat wie schon der Vorgänger lediglich einen Neuzugang zu vermelden. Feuerspucker Torch ist nicht mehr dabei, dafür feiert Six Shooter seine Premiere. Der sechsarmige Gunslinger entpuppt sich als extrem vielseitiges Allroundtalent, das dem Film zu so manchem Schauwert verhilft: Nicht nur bewährt er sich in einem fetzigen Shootout Luger vs.Colt, bei dem es überdurchschnittlich blutig und stuntreif wird, auch kann er beispielsweise mit seinen vielen Gliedmaßen spinnengleich eine Hauswand hochkrabbeln. Abgesehen davon bietet er symbolische Qualitäten, besteht sein erster Auftritt doch darin, einer Hitler-Marionette im Puppentheater die Lichter auszublasen.

Die Cowboy-Gestalt repräsentiert damit die amerikanische Lösung für die Bedrohungen durch das Deutsche Reich. Harlekin Jester wirkt immer ein wenig nackt, da er abgesehen von seinen vielen Gesichtsausdrücken wenig zu bieten hat und somit eher die Aktionen seiner Kollegen kommentiert anstatt selbst zuzulangen. Fan-Liebling Blade ist über weite Strecken sogar abwesend und kommt erst sehr spät zum Zug. Die Drecksarbeit wird also einmal mehr von Tunneler und Pinhead übernommen, die mal wieder bohren, würgen und K.O. schlagen, was das Zeug hält. Leech Woman bekommt in ihrem letzten Auftritt vor der vom Studio verordneten Zwangspause immerhin die tiefste Charakterzeichnung aller Puppen, wird ihr doch die Seele von Toulons Frau Elsa injiziert – was rückblickend allerdings Fragen aufwirft in Bezug auf die fehlende Emotionalität Toulons in Teil 2, als er erfährt, dass Leech Woman von zwei Hillbillies im Ofen verbrannt wurde.

Über weite Strecken bleibt der Ton bei den Attacken eher kindlich und es sind nur blutige Spitzen, die sich als kleine Höhepunkte ergeben, aber im Finale wird es dann doch etwas derber, wenn eine Figur im Stil von „Hellraiser“ mit Widerhaken aufgespießt und zur Marionette umfunktioniert wird. David Allen, Regisseur von „Puppetmaster 2“, ist übrigens immer noch für die Animationen verantwortlich, seine Stop-Motion-Werke dominieren die Ästhetik aber nicht mehr so deutlich wie noch in seinem eigenen Film. Die wenigen kurzen Einstellungen werden von der auffälligen Kulisse erdrückt, die sich klar in den Vordergrund spielt. Die Kunststücke, die Six Shooter mit seinen Waffen anstellt, gehören noch zu den Highlights von Allens Arbeit, ansonsten werden hauptsächlich simple Bewegungsabläufe modelliert oder gar Material aus dem Vorgänger wiederverwertet (u.a. aus der Ägypten-Episode).

Trotz Künstlichkeit gelingt es den kreativen Verantwortlichen von „Puppetmaster 3“ also, eine in sich geschlossene Welt mit historischen Bezügen zu erschaffen, die dank gut ausgearbeiteter Hauptfiguren und hassenswerter Antagonisten einen starken Sog zu entfachen weiß. Die Toulon-Mythologie wird schlüssig mit der Ideologie der Nazis verknüpft und sorgt hier für spannende Konflikte, bei denen erneut tief in die Kiste für Übernatürliches gegriffen wird. Dass die Zeitlinie bei dem Exkurs in die Vergangenheit nicht immer ganz plausibel ist und mancher Einwurf aus den Vorgängern revidiert werden muss, ist aufgrund des soliden Unterhaltungswertes wohl zu verschmerzen. Letztlich ist das hier nämlich der „Puppetmaster“, den jeder von Anfang an sehen wollte.

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