Zwei Jahre bis zur ersten Fortsetzung. Weitere fünf Jahre bis zu dieser zweiten. Dazwischen Konkurrenz, einige Trittbrettfahrer, die mehr oder minder erfolgreich waren, so manche Parodien als Bestandteil der Popkultur, zu dem die Ip Man - Filme bisher schon geworden sind, einige Ankündigungen und prompte Verneinungen zum Auswachsen zu einer Trilogie und Karriererentscheidungen der hauptsächlich Beteiligten Wilson Yip und Donnie Yen, die im Nachhinein nicht immer weise waren [Bei Yip wesentlich einschneidender und fataler als bei Yen, der eher ein Auf und Ab hat.]:
1959. Hong Kong steht kurz vor der Prosperität. Das verarbeitende Gewerbe, die Bauwirtschaft, die Kinoindustrie, der Tourismus sind alle am Aufblühen, die Arbeitslosenzahlen sind geschrumpft. Ip Man [ Donnie Yen ] hat eine neue Folgschaft von Schülern, darunter vor allem Chui Lek [ Louis Cheung ], der sich für die lokale Lehrerin Miss Wong [ Karena Ng ] interessiert, und ist ansonsten mit der Erziehung seines heranwachsenden Sohnes beschäftigt. Als er von den Problemen an der Schule erfährt, dessen Prinzipal [ Tats Lau ] von den Schergen von Ma King-Sang [ Patrick Tam ] – des ehemaligen Schülers von Master Tin [ Leung Kar-yan ] – und ohne Schutzmöglichkeiten durch den Polizisten Sergeant Po [ Kent Cheng ] zum Verkauf gedrängt und kräftig unter Druck gesetzt wird, stellt Ip Man mit sich selber und seinen Schülern eine Art Nachtwache und Bürgerwehr vor dem Gebäude ab. Kann allerdings weiteres Ungemach nicht vollständig und auch nur mit der Hilfe des seinen eigenen Weg nach oben anstrebenden Rikshafahrers Cheung Tin-chi [ Max Zhang ] verhindern. Als auch noch sein Sohn von den Gaunern entführt wird, macht sich der bisher zurückhaltende und passiv agierende Ip Man auf in deren Hauptquartier, wo er in Frank [ Mike Tyson ] den eigentlichen Hintermann all der Intrigen findet. Währenddessen fühlt sich seine Ehefrau Cheung Wing-sing [ Lynn Hung ] mittlerweile mehr als vernachlässigt und übersehen von ihrem Mann und muss sich auch noch allein mit einer schwerwiegenden Krankheitsdiagnose herumschlagen.
So richtig geglaubt hat man an einen Dritten Teil der ehemals als Fearless (2006) - Klon angesehenen Reihe bei der erneuten Proklamation und vor allem auch den ersten Einzelheiten des Projektes nicht mehr, was das Endprodukt in seiner allgemeinen Sicherheitslage nach allen Seiten hin umso erstaunlicher und in seinem seltsam verhaltenen Selbstbewusstsein für einen dann doch potenziellen Blockbuster auch interessanter, wenn auch reichlich unpersönlich, als reines professionelles Handwerk eben macht. Denn anders als noch im Erstling und auch in der aggressiven, inhaltlich etwas niederen und fast zum teuren B-Picture ausartenden nationalistischen Fortsetzung wird hier eher wenig die Wut geschürt und wenig gegenüber vermeintlich Landesfeinden wie ehedem den Japaner oder den britischen Eindringling mit der großen Klappe und dem unverschämten Gehabe propagandiert. Vielmehr steht das Emotionale und Drama im Vordergrund und wird durch allerlei saubere Zwei- und Massenkämpfe umrandet, was das Gesamtwerk wesentlich weicher und nachgiebiger als die Vorgänger, wie mit angezogener Handbremse, mit Glacéhandschuhen inszeniert erscheinen und dadurch fast auch das Wegducken vor der offensiven Konkurrenz vom Weihnachtsgeschäft '15 und dem Neujahrsfest '16 hinweg in den stillen März 2016 plausibel wirken lässt. [Dass man nach der ersten Meldung von Rekordeinspielen an der Chinesischen Kinokasse sofort die Vermutung von Betrug und Eigenkäufen feststellen musste, hat das Folklore-Projekt in diesem Sinne seiner materiell und formell blütenweißen, wenn auch historisch komplett inakkuraten Weste eigentlich nicht nötig, und wirkt schon ein wenig wie ein Schmutzfleck.]
Trotzdem oder dennoch ergibt sich bei Ip Man 3, der nach dem Kritiker- und Publikumserfolg The Grandmaster (2013) sicher auch aus dem Verständnis der Rückgewinnung der Deutungshoheit über die 'Biographie' entstanden ist, ein vorerst willkommener und gleichzeitig auch gelungener Schlussstrich unter dieser Form von Kampfkunst in der Variante eines phantasiegebgabten Figuren-und Zeitporträts. Im Grunde mit dem gleichen Drehteam wie zuvor, abseits des abermals geänderten Actionchoreographen (als wichtige Instanz) in Szene gesetzt, ist das Bemühen um eine Weitererzählung der fiktiven Geschichte auch ohne das schnellen Anklingen des musikalisch gängigen Hauptthemas und des Symbolbildes vom Training an dem Mu ren zhuang, dem 'Wooden Man' sofort deutlich. Die Kulissen der 36 Mio. USD Produktion sind ähnlich, fast noch begrenzter gehalten, die Kostüme, die Bildgebung ebenso etwas sanfter, mehr mit Blau- und Grüntonen arbeitend und dennoch erkenntlich im selben Kolorit, plus die Wiedererwähnung bewährter Figuren und die langsame Steigerung in der Dramaturgie, in der die Handlung über die kleineren Episoden, über Fundament und Hommage nach vorne und in den Kampfszenen voll Präzision und Koordination – akribisch und dennoch angenehm übersichtlich – nach und nach größer und wenigstens etwas schneller und strenger, später auch vertreten mit Waffentechnik in Form von Langstock und Doppelmesser wird.
Erstaunlicherweise ähnelt man in der gegenüber Ip Man 2 vergleichsweise edlen Struktur und Motivation, in der sich für die eigene Jugend, deren Bildung und so wahrhaftig hehre Ziele aufgeopfert wird, und auch in der zu betrachtenden Epoche und der Bedrohung von innen heraus statt von außen tatsächlich auch ein wenig dem ruhigen Ip Man: The Final Fight (2013). Dort eine Untergrundgesellschaft, in der gedroht, okkupiert, korrumpiert wird, hier ebenso, zudem ist auch die Hauptfigur sichtlich reifer und muss sich gleichzeitig heranstürmenden Gegner erwehren, der vernachlässigten Ehefrau wieder das Gefühl der Liebe und Fürsorge geben und dem eigenen Alter trotzen, was zunehmend schwierig wird und der Kampf Einer gegen Zehn hier nicht den erwartenden, sondern den realistischeren, allerdings auch an Höhepunkten vergleichsweise armen Ausgang nimmt.
Mit als Pluspunkt für diese Betrachtung, die der mittlerweile über Fünfzigjährige Yen seit einiger Zeit auch wählt und sich dabei durchaus auch im 'Nachwuchs' im Sinne einer fördernden Kollegialität bestrebt, steht das zweite Augenmerk auf den Mitstreiter/Gegenüber des Cheung Tin-chi. Gespielt von Max Zhang, der das physische Handwerk von der Pike auf gelernt hat, sich Anfang der Jahrtausendwende die ersten Jahre im Bereich des preiswerten Actionfilmes bei My Way Film Company Limited als selbst im Nachhinein unauffällig dargestellt hat und ab 2013/14 langsam empor kam, ist sowohl dessen Charakter wesentlich vielschichtiger als das der simpel scheinenden Titelfigur als auch wesentlich präsenter in den Martial Arts Szenen; eine Eigenheit, die er mit den von Yen zuvor in den Lichtschein der Kamera forcierten Ngai Sing, Jacky Wu Jing, Andy On, Wang Bao-qiang bspw. mehr als gemein hat.
Leider nur ist nicht die gesamte Besetzung und bei weitem auch nicht jedes Detail des (insgesamt nebensächlich scheinenden, aus losen Enden bestehenden) Plots so eindrücklich, schwanken vor allem die (beiden) Frauenrollen, ist der Zwischenhändler des Bösen reinstes und auch nicht ernst zu nehmendes Klischee und der (Gast)Auftritt von Mike Tyson als anordnender Hintermann und (Zwischen)Gegner nur das Gimmick für das Marketing.