Erich Mielke (1907-2000) war der Minister für Staatssicherheit der DDR. Nach deren Untergang kam er in der JVA Berlin-Moabit in Untersuchungshaft und wurde 1993 für den Mord an zwei Polizisten im Jahre 1931 zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Jens Beckers und Maarten van der Duins Dokudrama aus dem Jahre 2015 setzt sich mit Mielkes Biographie, seiner Geisteshaltung und seinem Aufenthalt in der Untersuchungshaft auseinander und vermischt dabei genregemäß authentisches Material mit Spielfilmszenen.
1991 wird Mielke (Kaspar Eichel, „Die Weihnachtsklempner“) der Psychologin Anna-Luise Brand (Beate Laaß) zugeführt, die feststellen soll, ob der alte Mann verhandlungsfähig ist. Sie konfrontiert den ehemaligen Stasi-Leiter mit Gesprächsprotokollen und geht Station für Station sein Leben von seiner Kindheit im Berliner Wedding an mit ihm durch. Es gelingt ihr, Mielkes anfängliche Verweigerungshaltung zu durchbrechen. Er bezieht Stellung und schilderte seine Motivation.
Mielke als sich unangenehmen Befragungen ausgesetzt sehender U-Haft-Rentner mit Hut, Stock und dicker Brille – besserwisserisch, uneinsichtig und überheblich. So gibt Eichel den ehemaligen Hauptverantwortlichen für die flächendeckende Bespitzelung der eigenen Bevölkerung, mittels derer ein Klima permanenten unterschwelligen Misstrauens geschürt wurde, mit dem die DDR-Bevölkerung sich arrangieren musste – oder das sie selbst in Schwierigkeiten brachte, fiel sie als zu subversiv oder kritisch auf. Der Innengeheimdienst der DDR zählt zum Beschämendsten, was sie hervorgebracht hatte. In ausufernder und selbst durchs Politbüro offenbar unkontrollierter sowie demokratisch nie legitimierter Weise wurden gigantische Aktenberge durch einen mächtigen, kafkaesken Bürokratieapparat angehäuft, die das Leben der Bevölkerung dokumentierten.
Dokumentiert wird hier wiederum Mielkes Werdegang anhand von alten Bewegtbildern und Fotografien, Tonmitschnitten, Akteneinblicken und Interviews ehemaliger Weggefährten wie seinen Anwälten Stefan König und Hubert Dreyling, Historiker Nikita Petrow sowie JVA-Leiter Wolfgang Fixson. Das ist hochinteressanter Stoff, der Mielke als erbitterten Klassenkämpfer und Anti-Kapitalisten zeigt, aber auch als Zyniker entlarvt, dem moralische Skrupel fehlen, sobald seines Erachtens der Zweck die Mittel heiligt. Möglicherweise hilft dieses Material, halbwegs nachvollziehen zu können, was Mielke an- und umtrieb – umso deutlicher wird, wie giftig es für ein Staatsgefüge auf Dauer ist, vermutlich traumatisierte Kriegsgenerationsangehörende, die Starrköpfigkeit und Kontrollzwang entwickeln und den Bezug zur Realität sowie jegliches Augenmaß verlieren, sich über Jahrzehnte an die Macht klammern zu lassen, statt sie demokratischen Prozessen auszusetzen.
Fragwürdig sind hingegen die Spielfilmszenen. Zum einen wird nicht deutlich, auf welcher Grundlage diese beruhen – Fantasie der Autoren oder tatsächlichen Überlieferungen? –, und zum anderen dramatisieren sie unnötig, was eigentlich bereits spannend und interessant genug ist. Diese Sequenzen sind sehr mit Vorsicht zu genießen, wie das ganze Dokudrama-Genre an sich. Allen schauspielerischen Qualitäten Kaspar Eichels zum Trotz wäre eine seriöse Dokumentation sicherlich angebrachter gewesen, gern auch mit Stimmen ehemaliger Parteigenossen(innen) wie Egon Krenz und Hans Modrow oder sich kritisch, jedoch nicht von vornherein delegitimierend mit der DDR auseinandersetzenden Historiker(inne)n.
Der DDR-Stasi konnte man sich erfolgreich entledigen. Die BRD-Stasi gliedert sich in verschiedene Behörden wie den von Rechtsextemisten unterwanderten Verfassungsschutz, die immer wieder für Skandale gute ehemalige Nazi-Institution BND und andere kriminelle Organisationen, die ebenso auf den Misthaufen der Geschichte gehören. Packen wir’s an!