Review

„Ü-Ei-Busfahrt ins DTV-Land"  

Direct to video-Releases haben in der Regel eines garantiert nicht: Originalität. Seit gut 10 Jahren wird der Heimkinomarkt regelrecht überschwemmt mit vergleichsweise kostengünstigen Schnellimbiss-Produkten der Marken Horror, Action und Thriller. Der Begriff „formelhaft" schmeichelt den Baukastenplots noch eher und die Schauwerte werden nicht gerade mit dem Füllhorn ausgegossen. Zur Vermarktung der Schonkost greift man gerne auf klangvolle, allerdings langsam verblassende Namen zurück. Auf diese Weise sichern sich ehemalige Größen wie Bruce Willis, John Travolta, John Cusack, oder Morgan Freeman ihren Lebensabend, ohne sich dabei sonderlich zu verausgaben. Frei nach dem Motto.: ist der Ruf erst einmal ruiniert, chargiert sich´s völlig ungeniert.

Unangefochtener Platzhirsch in diesem „Ich bin alt und brauche das Geld"-Karussell ist eindeutig Robert De Niro, schlicht weil bei ihm die Fallhöhe vom Schauspieltitan zur Schauspielhure besonders beeindruckend ausfällt. Mit Vorliebe gibt er dabei den Autopilot-Mafiosi, gewissermaßen eine Schlaftabletten-Version früherer Glanztaten. So auch wieder im „Speed"-Gedächtnis-Heist-Thriller „Bus 657". Scheinbar. Der skrupellose Casinoboss Frank, der von zwei Mitarbeitern um ein stattliches Sümmchen erleichtert wird und daraufhin seine Bluthunde auf die beiden armen Irren hetzt, klingt wie eine Reißbrettfusion aus Don Corleone, James Conway und Sam Rothstein. Aber siehe da, schon De Niros erster Auftritt bei einem klassischen Mafia-Verhör offenbart eine unerwartet knackige Ladung schwarzen Humors und diebischer Freude am zynischen Spiel. Und das ist nicht die letzte Überraschung.

Liest und entwickelt sich die Geschichte zunächst wie die krude Mixtur aus Looser-Gangster-Drama und Jan de Bonts Heist-Chase-Granate „Speed", so schlägt die Story im weiteren Verlauf mehr Haken als De Niro Oscar-Nominierungen vorzuweisen hat. Das beginnt schon mit der Räuberbande. Bei der Zusammensetzung aus zwei geldgierigen, geistigen Tieffliegern (u.a. Dave  Bautista) mit juckendem Abzugsfinger und dem Ex-Marine und Ex-Mafiasicherheitschef Vaughn (Jeffrey Dean Morgan), der den Bruch für seine todkranke Tochter wagt, bimmeln ekstatisch die Klischeeglocken. Im Verlauf der unfreiwilligen Bustour werden diese allerdings immer leiser, bis sie  gegen Ende fast völlig verstummen.  
Gleiches passiert mit dem vermeintlichen „Speed"-Aufguss. Ein von Gangstern gekaperter Linienbus mit einem dutzend ziviler Geiseln und verfolgt von einer Armada Streifenwagen klingt nicht gerade nach Mastermind-Brainstorming. Autor Stephen Cyrus Sepher hat dann aber ein paar  scharfe „Oops"-Pfeile im Köcher, die die gemütliche Erwartungshaltung ordentlich durchlöchern.
  
Man kann es nicht anders sagen: "Bus 657" macht richtig Spass, zumal, wenn man sich schon auf eine gemütliche DTV-Berieselung nach Schema F eingestellt hat. De Niro scheint auch erkannt zu haben, dass er zufällig in ein qualitativ hochwertigeres Szenario gestolpert ist und schaltet aus seinem mimischen Winterschlaf endlich mal wieder in den Hallo Wach-Modus. Dave Bautista hat schon im neuesten Bond („Spectre") gezeigt, dass er zu den wenigen Wrestlern ohne Vollpfosten-Ausstrahlung gehört und Jeffrey Dean Morgan ist ohnehin eine Bank als Bad Guy mit Herz („Watchmen"). Schade nur, dass Martial-Arts-Schnuckie Gina Carano („Haywire") nur wenig von ihren kämpferischen Qualitäten abrufen darf, als gewitzte Streifenpolizistin mit Initiative gefällt sie aber auch ohne Kickbox-Problemlösungen und empfiehlt sich erneut für umfangreichere Auftritte.

Regisseur Scott Mann darf auch ruhig öfter wieder kommen. Dass er Action auf begrenzten Raum mit ebenso begrenzten Mitteln schick aussehen lassen kann, weiß man schon seit seinem Debut „Tournamant" (2009). Mit den knapp $ 9 Millionen hat er auch diesmal mehr als ordentlich gehaushaltet. Inszenierung, Schnitt und Schauspielführung unaufgeregt zu einem Qualitätsprodukt zu vermengen ist keine Selbstverständlichkeit in der Heimkino-Industrie und zeugt von überdurchschnittlicher Handwerkskunst.

Fazit:
Der vermeintliche „Speed"-Klon „Bus 657" ist ein DTV-Überraschungsei der seltenen Art. Robert De Niro erinnert sich daran, einmal Schauspieler gewesen zu sein, das übrige Personal um Jeffrey Dean Morgan, Dave Bautista und Gina Carano ist nicht nur treffend type-gecastet, sondern rechtfertigt dies auch und die Handlung zündet ein paar nette Twist-Knallbonbons, die mit charmanter Lässigkeit untergemischt werden.

Details
Ähnliche Filme