Würde man eine Umfrage in Auftrag geben, in der es darum ginge, das beliebteste Monster der Filmgeschichte zu ermitteln, der Vampir würde höchstwahrscheinlich den obersten Rang erklimmen. Als eines der ältesten Geschöpfe, das je auf Zelluloid gebannt wurde, wusste es schon immer, mit der Evolution des Films mitzugehen. Es musste sich dazu nicht einmal über längere Zeiträume in tiefster Dunkelheit verstecken.
Zwar kam es vor, dass der Horrorfilm mit neuartigen Entwürfen moderner Schreckgestalten Quantensprünge vollzog… der blutsaugende Nachtwandler wurde in diesen Phasen auch mal zum ausgedienten Relikt erklärt und auf das Abstellgleis verwiesen. Man musste jedoch stets damit rechnen, dass er über kurz oder lang wieder an den Nabel der Popkultur zurückkehren würde, perfekt angepasst an die neuen Umweltbedingungen.
Zu verdanken hat er das seiner unvergleichbaren Wandlungsfähigkeit, über die er ironischerweise gerade deswegen verfügt, weil sie auf alten mythologischen Grundlagen aufbauen kann. Erst weil jedes Kind weiß, dass Knoblauch, Kreuze, Weihwasser, Pfähle und Sonnenlicht als Abwehrmittel gegen den Vampir verstanden werden, kann es ihm überhaupt erst gelingen, sich darüber hinwegzusetzen. Und wenn die osteuropäischen Wurzeln schon so früh in der Filmgeschichte gekappt wurden und die ganze Welt erobert werden konnte, wieso sollten Vampire viele Jahrzehnte später nicht auch die Chefsessel in den höheren Etagen einer Firma einnehmen?
Das fünfköpfige Comedy-Kollektiv „Dr. God“ präsentiert ein Szenario, in dem Vampirismus sinnbildlich für die parasitäre Aushöhlung kleinerer Mitarbeiter (und auch der Kunden) zur Profitmaximierung eines Unternehmens steht. Der Titel „Bloodsucking Bastards“ ist dabei als freundlicher Gruß an die Manager-Abteilung zu verstehen, unterzeichnet von der gesammelten White-Collar-Trägerschaft, abgestempelt mit einem saftigen Mittelfinger. Insofern gar keine dumme Idee, dem Büro-Typus „dynamischer Power-Manager“ die Eigenschaften eines Vampirs zuzuschreiben, denn wenn man sich mal durch die Klassiker des Vampirfilms wühlt, fällt doch eines auf: Vampire agieren um ein Vielfaches effizienter als „normale“ Menschen. Erfüllung finden sie nur beim Aussaugen ihrer Opfer. Und Spaß haben sie keinen an ihrem Leben, geschweige denn, dass sie überhaupt ein Leben jenseits ihrer blutsaugenden Bestimmung hätten.
Obwohl sich eine uralte Gestalt wie der Vampir zwischen Druckern, Kaffeemaschinen und Schreibtischen wohl seines ursprünglichen Heimvorteils beraubt fühlen dürfte, ist „Bloodsucking Bastards“ nicht unbedingt ein Film, der sich so kontemporär wie möglich geben würde, nur um einen möglichst hohen Kontrast zwischen alten transsylvanischen Schlössern und dem modernen Zeitgeist zu erzeugen. Es ist nicht das Produktionsjahr 2015, auf das man es gezielt abgesehen hat, auch wenn „Human Resources“ für die Personalverwaltung und „Management“ für Delegationsarbeiten nach wie vor beliebte Kodierungen sind. Smartphones, digitale Verknüpfung und State-Of-Art-Kommunikationstechnologie spielen aber für den hier dargestellten Büroalltag im Vergleich zu „Klassikern“ wie Kaffeebecher, Büroklammern und Zimmerpflanzen eine untergeordnete Rolle. Möchte man die getroffene Stimmung einordnen, bietet sich der Finanzkapitalismus der 80er im Übergang zum grauen Büro-Mief der 90er Jahre an: Großraumbüros für die kreativen Köpfe, festgezurrte Arbeitszeiten, Kaffeekränzchen in der Küche, alberne Wetten und billige Insider-Gags („Bam Snap!“). Dass Joey Kern einen überaus hässlichen Schnurrbart zu seinem Diensthemd trägt, beschleunigt die Zeitreise von der Postmoderne zurück in die Moderne noch einmal enorm.
Erst auf diese Weise können Dr. God ihre trockenen Gags überhaupt festzurren, denn mit Skype for Business, Home Office und stylishen Designer-Büros inklusive Kuschel-Ecke ließe sich vielleicht die Ich-Bezogenheit des modernen Großstadt-Hipsters vorführen, doch um die Anzapfung des willenlosen Büroarbeiters zu thematisieren, ist ein 20 Jahre zurückliegender Berufsethos als Dekor nicht falsch gewählt. Man braucht allerdings ein wenig Zeit, um sich an die Arschloch-Attitüde der gesammelten Firmenbelegschaft zu gewöhnen (jawohl: Nicht nur die Chefs benehmen sich daneben, auch die Mitarbeiter, inklusive Helden und Sidekicks, bekommen durchaus ihr Fett weg). Der Humor ist sehr speziell und könnte auf den ersten Blick arrogant erscheinen, entfaltet sich aber spätestens ab Filmmitte, wenn die ersten Andeutungen einer Übernahme des Büros durch die untoten Beißer gestreut werden. Pedro Pascal (“The Great Wall“), der den Antagonisten spielt, wird zwar in ein absolutes Schmierlappen-Klischee gedrängt und sieht sich gegen Ende durch eine typische „Villain erklärt seine teuflischen Pläne“-Situation in Verlegenheit gebracht. Er bringt aber einem Rollentypus, den zwischenzeitlich ein Neil Patrick Harris als Barney in „How I Met Your Mother“ zum Sympathieträger erklären wollte, die rechtmäßige Schmierigkeit zurück.
Überhaupt hat die gesammelte Office-Crew reichlich Unterhaltungspotenzial. Emma Fitzpatrick und Hauptdarsteller Fran Kranz (“Der Dunkle Turm“) sind zwar die Protagonisten eines wenig überzeugenden Nebenplots um unerfüllte Liebesgeständnisse, machen aber gemessen an dieser Drehbuchschwäche einen durchaus akzeptablen Job. Lebendig wird es am Arbeitsplatz jedoch vor allem durch die starken Nebencharaktere. Ob nun der rückgratlose Boss wieder einen seiner Untergebenen vertröstet, der Praktikant mit der Müllentsorgung beauftragt wird oder der große, schwarze Wachmann unbemerkt in jeder Situation zugegen zu sein scheint (hellwach dank Red Bull), die Autoren zeigen eine besondere Stärke darin, ihre Gags organisch auf die komplette Besetzung zu verteilen – und das, ohne jede Pointe erzwungen mit einem lauten *badumm-tss* zu untermalen.
Der Comedy gilt also das Hauptaugenmerk, das Horror-Element ist somit eher ein rhetorisches Mittel, um den Witz bildhaft an den Mann zu bringen. Artworks zum Film und Trailer-Ausschnitte mit blutgetränkten Bürohengsten könnten bei Freunden von Vampir-Splatter womöglich falsche Erwartungen wecken. Es landet zwar auch mal ein Schneidwerkzeug in einem Schädel und getroffene Vampire (mit handwerklich sehr gelungener, wenn auch im Design eher konventioneller Maske) zerplatzen äquivalent zur „Blade“-Reihe wie reife Früchte mit einer roten Explosion aus zerstäubtem Blut, was dann wohl auch das ungepflegte Äußere der Darsteller im letzten Akt erklärt. Wie die Putzfrau im finalen Gag des Films bekommt aber auch der Zuschauer überwiegend die Konsequenzen zu sehen, seltener den Akt selbst.
Als Zuschauer empfindet man immerhin ein gewisses Vergnügen dabei, zu beobachten, wie die Ordnung der Bürowelt langsam auf den Kopf gestellt wird – ein noch stärkeres Auskosten des Blutbeutel-Klimax, der in der vorliegenden Form „ganz okay“ ausgefallen ist, damit hätte dieses Vergnügen noch um ein Vielfaches gesteigert werden können. Eine ausladende Splatterbombe in geistiger Verwandtschaft zum legendären From-Dusk-Till-Dawn-Massaker, damit wäre das staubtrockene „Office Space“-Vakuum erst so richtig angemessen geflutet worden. Aber immerhin: Die artifizielle Manager’s-Point-Of-View-Idealwelt wie aus einem Compliance-Kurs-Video wird zur Freude des Zuschauers bereits von Anfang an durch die Mitarbeiter sabotiert, die sich zu keinem Zeitpunkt so benehmen, wie man sich benehmen sollte. Da braucht es nicht einmal unbedingt rollende Köpfe und Innereien-Konfetti. Wer selbst 40 Stunden pro Woche oder mehr im Büro verbringt, wird schon die respektlose Nonchalance von Joey Kern mit einem diebischen Grinsen zur Kenntnis nehmen und davon träumen, auch mal so auf die Kacke zu hauen.
Es ist schwer, für „Bloodsucking Bastards“ eine grundsätzliche Empfehlung auszusprechen, einfach weil der Humor schon ein sehr eigenwilliger ist. Allerdings spielen sich die Akteure doch sehr elegant die Bälle zu und sorgen damit für reichlich doofe Situationen, über die man eigentlich gar nicht lachen will, weil sie so bescheuert sind… doch irgendwann kann man nicht anders. Ja, der Plot ist banal, Vampire sind abgenudelt, und doch funktionieren sie als Metapher auf wirtschaftliche Methoden der Effizienzsteigerung erstaunlich gut.