The Revenant(2015)
Klirrende kälte zieht über die schneebehangenen Wipfel der aufwalzenden Bergkette. Der Blick nach oben ist von schier unendlicher Gewalt. Durchzogen von stillstehendem Nebel. Kein Atemzug in dieser surrenden Luft fühlt sich an wie im alten Europa oder in südlicheren Gefilden dieses nordischen, noch weitgehend unentdeckten Landstriches. Ein Mann in Pelz, Mokassins und dürftigem Werkzeug bahnt seine dünnen Linien durch den endlosen Schnee. Die Luft ist trocken, daher beißt sie zwar nicht so straff, aber die starken Verletzungen und die schwindende Energie sind ständige Geister des Todes, die um den Mann schwirren. Mit letzter Kraft, vor Ehrfurcht innehaltend sackt er in die weite der nordamerikanischen Wildnis. Getrieben von Liebe, Hass und ausstehender Gerrechtigkeit, bahnt sich der Fallensteller und Trapper Hugh Glass(DiCaprio) seinen Weg zurück.
Mit einer Gruppe wild durcheinander gewürfelter und mehr oder weniger talentierter Männer war er auf dem Weg durch Wälder, Flüsse und Wiesen. Auf der Suche nach Fellen und Pelzen, Ureinwohner im Nacken, der ständigen Gefahr durch wilde Tiere und der Gnadenlosigkeit der unwegsamen Natur, wird Hugh Glass im Taumel der Ereignisse und Zufälle von einem Bären angefallen und beinahe getötet. Seine Begleiter lassen ihn zurück. Doch Glass überlebt und bahnt sich nun einen Weg durch die Wildnis...
Wer von The Revenant als Film spricht, darf das sehr schöne Buch eigentlich nicht außen vor lassen. Ein sehr karg geschriebener Roman mit wenig offensichtlicher Tiefe, aber einer grandiosen Motivation und enormer Detailverliebtheit geprägt. Ich mochte das Buch von Michael Punke sehr. Vor allem sein Schreibstil gefiel mir. Es ist so geschreiben, als wäre man wirklich dabei. Keine modernen Wortspiele oder ausgefeilte Strukturen. Ein gerader Faden, ausufernde Atmosphäre und einem ganz klaren Ziel. Es dauerte ein paar Seiten, aber dann ließ mich diese Geschichte nicht mehr los. Wer dann noch die Gesichter der einzelnen Schauspieler vor sich hat, kann sehr tief in ein einmaliges Abenteuer abtauchen.
Einige Kritiker sehen in Inarritu's neustem Film zu wenig Substanz. Das ist doch aber der große Schlüssel von The Revenant. Muss es wirklich immer mehr sein, immer verworrener und komplexer? Twists? Handlungsebenen? Müssen Gefühle immer in schwülstigen Klischees ausgewalzt werden und Emotionen zu triefender Butter dahinschmelzen? Nein. Es ist ein entschlackendes Kino, wie man es lange nicht mehr so stark auf der Leinwand sah. Die Vorgabe war klar und ich bin sehr froß darüber, damit die Autoren zwar kleinere Freiheiten im Film abänderten, aber im großen und ganzen ist Buch und Film eine saubere Symbiose. Hier ist von Anfang an klar, wo die Reise hingeht und daher genieße ich diesen straffen Kern einer Geschichte, die so zwar schon zig mal erzählt wurde, aber in der visullen Sprache selten so erlesen war.
Optisch ist The Revenant ein echtes Erlebnis. Kammeramann Lubezki zaubert Bilder, Perspektiven und rauschende Träume auf die Leinwand, dass einem die Spucke wegbleibt. Hier muss es einen Oscar geben...das hat man so noch nicht gesehen. Die Bilder der nordamerikanischen Wildnis so zu fassen, als würde man fast selbst dort stehen, ist in dieser Dynamik einfach klasse! Inarritu und sein Team hinter der Linse ist einfach ein bildgewaltiges Monument der Filmwelt gelungen. Punkt. Dreck, Leid, Schlamm, wüste Erscheinungen und Schnee. Zwischen all dem wohnt trotzdem eine Ruhe und eine Faszination, das es schwer fällt, sich für diese Szenerie nicht zu begeistern.
Vor der Kamera wird es schon differenzierter. Bei einigen Szenen gerät man zwar arg in die kitschige und prätentiöse Richtung, aber wer jemals in diesen Breitengraden stand, wird schnell und ganz gefangen von der Schönheit der Natur. Deswegen sehe ich hier - wie beim Gehalt der Story - kein Problem. Wenn etwas fantastisch aussieht, darf man auch gerne etwas auftragen und ausschweifen. Die Darsteller machen ihre Sache weitesgehend solide. Die Nebendarsteller sind zwar nur bessere Platzhalter, mehr hat man da aber auch nicht erwartet und mehr war da auch gar nicht nötig.
Domhnall Gleeson spielt routiniert wie in all seinen Arbeiten der letzten Jahre. Er gibt seinen Hauptmann mit viel Leidenschaft, ist aber eigentlich etwas zu jung für diese Rolle. Beim lesen des Romanes kommt die Figur deutlich robuster. Tom Hardy hat eine etwas undankbare Rolle als mürrischer Fiesling Fitzgerald. Er spielt die Rolle, wie sie auch geschrieben stand. Ein knarziger Überlebenskünstler, der in dieser eisigen Welt eigentlich gar nicht zugegen sein will und im engen Korsett des Standardbösewichtes trotzdem solide und bleibende Eindrücke hinterlässt. Diese Herren und der gesamte Nebencast verblassen im Angesicht eines gewissen Leonardo DiCaprio.
DiCaprio ist für viele ein Schauspieler der sich erst beweisen musste. Seine Pre-Aviator Phase mag ich perönlich nicht besonders. Sein Händchen für Rollen aus dieser Zeit war nicht immer passend und tat ihm häufig weniger gut, als er es sich vermutlich eingestehen würde. Vergeben und fast vergessen macht er sich eigentlich mit jeder Rolle seit Aviator daran, einen Goldjungen mit nach Hause zu nehmen. Departed, Blood Diamond, Django Unchained, The Wolf of Wall Street und die vielen anderen hochkarätigen Figuren, die DiCaprio die letzten 10 Jahre spielte, waren allesamt Preismaterial. Der Running-Gag um sein dauerndes Scheitern bei den Oscars ist nach wie vor amüsant und man darf gespannt sein, ob er dieses Jahr wenigstens mal "dran" ist. Verdient wäre es allemal, aber die Konkurrenz ist hart...
...aber keiner hat diese Saison mehr gelitten, geschwitzt und musste so entstellt vor die Kamera als DiCaprio. Seine Erscheinung, der Kampf mit dem grandios animierten Bären, die Wortfetzen, greifende Monologe, abgehackte Dialoge, Spucke, Tränen, Blut, Schreie und diese enorme Wandlungsfähigkeit dürften bei jedem Zuschauer Eindruck hinterlassen. Mal von den überschätzten Filmpreisen dieser Welt abgesehen, ist dies eine ganz und gar mitreißende Performance.
Fazit...Inarritu legt mit The Revenant einen schnörkellosen "Northern" hin, badet in unvergesslichen Aufnahmen und bettet Leonardo DiCaprio eine Bühne, die von starker Leidenschaft durchzogen wird. Das Leben kennt kein alternatives Ende...8.5