Review

Das kann man doch nicht so stehen lassen, dachte man sich wohl bei der Tōhō, kaum dass Roland Emmerich seinen überdimensionalen Lurch im Auftrag von TriStar Pictures durch New Yorks Häuserschluchten hatte schwingen lassen. Der Jahrtausendwechsel stand schließlich unmittelbar vor der Tür. Sollte dieses amerikanische Rindvieh mit Unterbiss etwa das letzte Lebenszeichen des legendären Godzilla im 20. Jahrhundert sein?

Bei der Produktion von „Godzilla 2000: Millennium“ deutet jedenfalls nicht nur der Titel auf Torschlusspanik hin. Unmittelbar nach dem Amoklauf der US-Echse begannen die Vorbereitungen für die japanische Wachablösung, so dass im Dezember 1999, kurz vor dem vermeintlichen Ende der Welt, schnell noch die Millennium-Ära im Kino eingeläutet werden konnte. Gerade noch rechtzeitig. Football’s Coming Home. Wer zuletzt brüllt, brüllt am besten. Aber Moment… hatte eigentlich auch jemand ein Drehbuch mitgebracht?

Die US-Version hätte es ja gar nicht gebraucht, um die Karten neu zu mischen. Schon der konsequente Schlussakt des hauseigenen „Godzilla vs. Destoroyah“ (1995) zwang praktisch zu einem Neubeginn. Drehbuchautor Kazuki Ômori hatte sich die Suppe selbst eingebrockt, denn er war ja schon Schreiber des letzten Films und somit für das radikale Ende der Heisei-Phase selbst verantwortlich. Er löffelt sie aus, indem er den Löffel um die Fliege herumführt. Godzilla ist ohne weitere Erklärung einfach wieder da, als sei er nie weg gewesen. Und nicht nur das: Die Welt ist offenbar auch immer noch an seine Präsenz gewöhnt. Denn schnell wird uns das etablierte GPN („Godzilla Prediction Network“) vorgestellt, das seine Spuren schon lange verfolgt. Und dann ist da noch dieser merkwürdige Felsbrocken auf dem Meeresgrund, der eine unheimliche Energie auszustrahlen scheint…

Das klingt wahrlich nach Tagesordnung. Same Story, Different Day. Wenn man auf der Suche nach neuen Merkmalen ist, wird man weniger im Drehbuch als vielmehr in den Schwerpunkten der Inszenierung fündig. Die Handschrift von Regisseur Takao Okawara, der bereits drei der letzten vier Godzilla-Streifen inszeniert hatte, erkennt man jedenfalls kaum wieder. Während Godzilla in den bisherigen Arbeiten Okawaras gerne aus distanzierten Hubschrauber- und Skyline-Perspektiven eingefangen wurde, ist er nun von Anfang an auf Tuchfühlung mit der Kamera und mit den Darstellern. Gleich am Anfang steht eine Krawallsequenz, in der einige der menschlichen Charaktere in einem zerstörten Straßentunnel stehen und Godzilla praktisch in die Nüstern steigen könnten. Die Freude an schuppigen Details ließ sich auch im US-Film von 1998 beobachten. Während Emmerich seine Close-Ups jedoch hauptsächlich als Suspense Builder einsetzte, um die ungreifbaren Dimensionen des Ungetüms darzustellen, scheint es diesmal darum zu gehen, die Rückkehr des einzig wahren Superstars zu zelebrieren.

Einflüsse des jüngeren amerikanischen Kinos legen sich trotzdem mehr als je zuvor in der langjährigen Reihe nieder, wobei vor allem das Produktionsjahr 1996 überaus einflussreich erscheint. Bei dem einbrechenden Tunnel zu Beginn muss man gleich an „Daylight“ denken, der Einsatz eines Jeeps erinnert an die riskanten Stock-und-Stein-Jagden aus „“Twister“ und als sich im späteren Verlauf ein Ufo auf ein Hochhaus setzt, ist ein berühmtes Schlüsselbild aus „Independence Day“ nicht mehr fern. Der stark ausgeprägte, typische 90er-Filmlook hilft dabei, diese Referenzen zu festigen. Und selbstverständlich hat auch die Jurassic-Park-Reihe ihre Spuren hinterlassen, wenn Godzilla beispielsweise mit der Taschenlampe ins Auge gestrahlt wird und sich die Pupillen verengen wie einstmals beim T-Rex.

Augen hat Godzilla diesmal übrigens überraschend große, was man außerdem von seinem haifischartigen neuen Maul sagen kann. Das Äußere des Hünen wurde grundlegend überarbeitet, so dass seine Gesichtszüge gegenüber dem massigen Leib stärker hervorgehoben werden – beinahe so, als wolle man ihn mit Freund und Feind noch effizienter kommunizieren lassen. Man kann durchaus geteilter Meinung sein, ob das neue Design aufgeht, denn es ist unter dem Strich eine gewöhnungsbedürftige Mischung aus dem bedrohlichen Honda-Original und den tapsigen Godzilla-Junior-Einlagen zu Beginn der frühen 90er.

Viel besser hat es auch sein Gegner nicht getroffen. Mal Felsblock, mal Ufo, mal Gasgemisch, mal krötenartiges Panzer-Kaiju mit Riesenpranken, gibt sich die Bedrohung in „Godzilla 2000: Millennium“ ähnlich wankelmütig wie einst Hedorah in „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“, verliert den direkten Vergleich aber haushoch. Plump und strukturlos wirken die Auftritte, wenig einfallsreich die meist im Dunkel gefilmten Attacken. Überhaupt können die relativ wenigen Kampfchoreografien nur selten überzeugen. Miniaturmodelle spielen eher selten eine Rolle (hauptsächlich zwei Brücken müssen vor Godzillas Hüften in die Knie gehen), so dass die haptische Befriedigung realer Zerstörung auf der Strecke bleibt. Stattdessen dominieren perspektivische Experimente und Compositings zwischen den Bildebenen, vermutlich wieder inspiriert durch Hollywood… allerdings wesentlich unbeholfener in der Umsetzung, wie man feststellen muss, wenn Godzilla etwa mit gigantischen Schritten über ein kleines Stück Strand trampelt, dabei aber nicht von der Stelle kommt, ja seine Beine am Ende sogar transparent in die Sandfläche übergehen.

Leider ist auch das Figurenmaterial nicht interessant genug, um über die Mängel bei der Monsteraction hinwegsehen zu lassen. Mit Takehiro Murata oder Hiroshi Abe hat man zwar ein paar charismatische Schauspieler an Bord, ihre Rollen sind aber zwischen lernbegierigen Wissenschaftlern und skrupellosen Firmenbossen maximal uninteressant angelegt. Man sehnt sich letztlich also doch nach jedem Schwenk zurück zur Titelfigur, die zumindest ein, zwei imposante Einstellungen zu verbuchen hat, nicht zuletzt ihren Finisher gegen einen weitgehend harmlosen Gegner.

Dass „Godzilla 2000: Millennium“ in kürzester Zeit entwickelt und gedreht wurde, merkt man ihm leider an jeder Ecke an. Sein markantes 90er-Flair hilft ihm heute, das Publikum doch irgendwie bei Laune zu halten… die von Regisseur und Drehbuchautor noch mitgeprägten Standards kann er aber nicht halten. Das Millennium beginnt wesentlich druckloser, als Heisei geendet hatte.

Details
Ähnliche Filme