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„Sehe ich aus wie Adolf Hitler?!“

2012 erschien der Debütroman des deutschen Journalisten und Schriftstellers Timur Vermes „Er ist wieder da“, eine Satire, von einem urplötzlich im Berlin des Jahres 2011 wiederauferstandenen Adolf Hitler handelnd. 2015 folgte die auf dem Roman basierende Verfilmung gleichen Titels, Regie führte David Wnendt („Feuchtgebiete“). Obschon Schauspieler wie Christoph Maria Herbst und Michael Kessler mitwirken, die beide bereits Erfahrungen als Hitler-Parodisten haben und Herbst mit Vermes‘ Roman sogar auf Lesetour war, wurden beide lediglich für Nebenrollen besetzt. Den GröFaZ mimt Oliver Masucci („Die vierte Gewalt“). Die Handlung des Films ist abgewandelt und spielt drei Jahre später:

2014 erscheint Adolf Hitler wie aus dem Nichts mitten in Berlin, weiß nicht, was die letzten fast 70 Jahre passiert ist, sieht sich mit einer verhältnismäßig freien Gesellschaft inkl. Ausländeranteil etc. konfrontiert und saugt schnellstmöglich alle Informationen in sich auf, um das aktuelle Deutschland und die politische Weltlage zu verstehen. Gleichzeitig wird er durch die TV-Landschaft gereicht, denn niemand hält ihn für den wahren Hitler, sondern für eine Art Satiriker, einen Komödianten im Method-Acting-Modus oder schlicht einen Freak und Spinner. Doch „dem Führer“ ist es überaus ernst und so buhlt er erneut um Rückhalt im Volk zur Durchsetzung seiner Ziele…

„Ich bin froh, dass Goebbels das nicht mehr mitbekommt!“

Nachdem sich Hitler aus ungeklärter Ursache wieder erhoben hat, spricht er aus dem Off zu Luftaufnahmen Deutschlands, mit denen der Film ein Bild Deutschlands zu zeichnen beginnt, wie man es auch 2014 noch gern hatte, als man den nahenden Flüchtlingsstrom als Resultat der Instabilisierung des Nahen Ostens sowie das Brodeln im nationalistischen Untergrund noch geflissentlich ignorierte, weil noch kein „Pegida“-Pöbel durch die ostdeutschen Straßen marschierte. Stattdessen gab man sich gern weltoffen, tolerant und fortschrittlich und feierte den Sieg bei Fußball-WM. Zunächst bezieht der Film seinen Witz vornehmlich aus Hitlers subjektiver Sicht auf die ihm noch fremde Neuzeit, häufig zusätzlich veranschaulicht durch eine Point-of-View-Kameraführung. Generell erweckt die Kameraführung oft einen dokumentarischen Anschein, was sich in einer Doku-Soap mit Hitler in der Hauptrolle niederschlägt, ab der einem das Lachen im Halse steckenbleibt: O-Töne deutscher Bürger verdeutlichen, welches Potential besteht, rechtsextremen Demagogen auf den Leim zu gehen.

„Man kann’s mit diesem Method Acting auch wirklich übertreiben!“

Zuvor allerdings bewies der Film seinen satirischen Gehalt durch eine ebenso geniale wie komprimierte Sicht auf die aktuelle deutsche Politlandschaft im Schnelldurchlauf ebenso wie beim Zitieren anderer Hitlerdarsteller, unter denen sich witzigerweise auch Jörg Haider befindet. Hitler findet ausgerechnet die Grünen gut, obwohl er den Grund ihrer Gründung ablehnt. Statt das zu vertiefen, widmet sich „Er ist wieder da“ jedoch beißender TV-Kritik, zunächst in ähnlich komprimiertem Schnelldurchlauf, dann, indem Hitler zum Medien-Hype avanciert, durch verschiedenste TV-Sendungen tingelt und schließlich bei Plasberg kritisch reflektiert wird, wo er darüber stolpert, einen Hund erschossen zu haben. Zwischendurch arbeitete Hitler auch wieder als Maler – als Portraitmaler in Bayreuth. Hitler führt Neonazis wie die NPD als unfähigen Haufen vor, sammelt sich eine neue SS zusammen und verfasst letztlich einen neuen Bestseller, der verfilmt wird.

„Glauben Sie, ich bin von vorgestern?!“

Da es sich dabei um das Buch handelt, das hiermit eigentlich verfilmt wurde, entwickelt sich ab diesem Punkt eine ausgeprägte Meta-Ebene, die darin kulminiert, dass sich bisher Geschehenes als Film im Film entpuppt. Dies treibt das Spiel mit der vermeintlichen Authentizität pseudodokumentarischer Sequenzen, die Seite an Seite mit tatsächlich authentischem Material stehen, auf die Spitze, stellt man doch nun auch die filmische Realität infrage. Infrage stelle ich, ob dieser Schritt wirklich nötig gewesen wäre. Nachdem Hitler von einer dementen Großmutter hinausgeworfen wurde, die sich an nicht mehr viel, an ihn dann aber doch noch erinnern konnte und er sogar selbst von Neonazis zusammengeschlagen wurde, wird sein unvermitteltes Auftauchen thematisiert und während eines mit Morricone-Italo-Western-Musik unterlegten Showdowns betont er, dass das Volk ihn gewählt hatte und er damit ein Teil von allen sei. Wer behauptet, dabei handele es sich um Holzhammer-Pädagogik, liegt sicherlich nicht ganz verkehrt, zumal das letzte Filmdrittel den satirischen Rahmen verlassen hat und auch nicht mehr lustig ist.

„Das ist lustig, das ist Satire!“

Dennoch überwiegt für mich neben dem positiven Gesamteindruck des Films der Eindruck, bei seinen scharfen Kritikern handele es sich vornehmlich um Stimmen, die sich grob wie folgt kategorisieren lassen: Einerseits die der Literaturkritiker, denen es stets schwerfällt, eine Buchverfilmung unabhängig von ihrer Vorlage zu beurteilen und am liebsten eine 1:1-Umsetzung sähen, die in den seltensten Fällen funktionieren kann, und jede freie Interpretation als Sakrileg empfinden, ohne die Unterschiede der Medien Buch und Film zu akzeptieren. Andererseits sind da die getroffenen Hunde, die bellen, da sich der Film in erster Linie als Medienkritik präsentiert. Dabei sind es gerade große Teile der Medienlandschaft, die den öffentlichen Diskurs mitbestimmen und -prägen, inhaltlich wie formal, die Stimmungen erzeugen, Lösungen vorschlagen und den Rahmen vorgeben, in dem gesellschaftliche Diskussionen stattfinden. Nicht selten reicht die Spannbreite dabei nicht viel weiter als von Sensationshascherei bis zum oberflächlichen Doktorieren an Symptomen. Das Beste, was ihnen dabei passieren konnte, ist das undifferenzierte „Lügenpresse!“-Gebrüll der Neuen Rechten, das zum Anlass genommen wird, jegliche Medienkritikberechtigung in Abrede zu stellen und in die Nähe jener Kakophoniker zu rücken. Hält ein Film wie dieser der deutschen TV-Landschaft einen Spiegel vor, ähneln die Verrisse in ihren Aussagen denjenigen, derer sich bereits Timur Vermes auf sein Buch hin ausgesetzt sah. Statt das weit weniger überspitzt als uns lieb sein könnte dargestellte Gefahrenpotenzial anzuerkennen, wird die eigene Verantwortung von sich gewiesen und dem Stoff gar Flachheit und Absurdität angedichtet. Wer sich jedoch auch nur halbwegs auf Augenhöhe mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck der letzten Jahre auseinandergesetzt hat, wird eine derart elitäre Kritik nur ablehnen und hoffen können, dass möglichst viele Nicht-Feuilleton-Leser Filme wie diesen sehen und verstehen. Wie hoch letztlich sein Slapstick-Gehalt ist und dass überflüssige Leerzeichen in Texteinblendungen wohl nicht nur Linguistiker nerven, gerät da zur Nebensache. Stilistisch bedeutender sind da Zitate wie eine aus „Der Untergang“ nachgespielte Szene, die von Hitlers Quartier in die Chefetage eines Unternehmens verlegt wurde. Das ist Satire mit Witz und Hintersinn.

„Er ist wieder da“ ist bestimmt kein perfekter Film, aber der, den Deutschland verdient hat.

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