Roel Reiné begann seine Karriere in den Niederlanden, wechselte dann in die USA, wo er sich als Fachmann für professionell inszenierte direct-to-video-Sequels zu größeren Produktionen einen Namen machte. Doch zwischen Filmen wie „The Condemned 2“, „The Man with the Iron Fists 2“ und „Hard Target 2“ kehrte er nach Holland zurück, um einem dortigen Nationalhelden mit „Der Admiral – Kampf um Europa“ ein filmisches Denkmal zu setzen.
Der im Original titelgebende Michiel de Ruyter (Frank Lammers) ist nicht nach Hollywoodmasche zum adretten Schönling hochgejazzt worden, sondern sieht mit Bäuchlein, wilder Mähne und Fusselbart wie eine Mischung aus Ron Jeremy und Wolle Petry aus. Von Hollywood und hollywoodesken Franzosenproduktionen (siehe etwa „24 Hours to Live“ und „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“) unterscheidet sich „Der Admiral“ dagegen nicht in der Verwendung von Rutger Hauer, der nur für eine kurze Gastrolle als Admiral Marten Troomp vorbeischaut, der aber schon im kurzen Auftaktseegefecht den Fangschuss erhält, in Michiels Armen stirbt und gleichzeitig den Admiralsposten freimacht, was die Haupthandlung ins Rollen bringt.
Denn im 17. Jahrhundert geht es zu Michiel de Ruyters Lebzeiten hoch her in Holland. Während die Franzosen und die Engländer Krieg gegen die rivalisierende Kolonialmacht führen, ist das Land innerlich zerstritten: Die Republikaner wollen – wie ihr Name schon sagt – die Republik beibehalten, die Orangisten wollen die Statthalterschaft wieder einführen und damit auch die Monarchie, denn sie haben den Prinz von Orange, Wilhelm III. (Egbert Jan Weeber), als Machthaber auserkoren. Vorerst setzen sich die Republikaner durch und setzen den Ratspensionär Johan de Witt (Barry Atsma) ein. Damit beschäftigt sich der Film ausschließlich mit Holland und den europäischen Rivalen, blendet allerdings die Kolonialgeschichte aus, bei der Michiel de Ruyter eine wichtige, aber weniger rühmliche Rolle gespielt hatte, was wiederum zu Protesten gegen den Film führte.
Einem klassischen Heldentopos folgend will de Ruyter eigentlich seine Ruhe mit seiner Frau Anna (Sanne Langelaar) und seinen Kindern genießen, weshalb er das Angebot neuer Admiral zu werden erst ausschlägt. Doch als er merkt, dass die Niederlande ihn brauchen und auch die getreue Ehefrau ihm dazu rät, nimmt er den Posten an…
Man merkt „Der Admiral“ jederzeit den Professional Roel Reiné an, der hier wieder als Regisseur und Director of Photography am Ruder steht und das rund zweistündige Historienepos deutlich teurer und edler als sein Budget von rund 8 Millionen Euro aussehen lässt. Sicher, manche CGI-Effekte (vor allem bei einer Feuersbrunst) sind klar als solche zu erkennen, andere müssen sich aber vor Mid-Budget-Kino aus den USA nicht verstecken, gerade bei den großen Seeschlachten des Films, die zwischendrin für Eye Candy sorgen. Dabei setzt Reiné deutlich weniger auf Action als man angesichts seiner Erfahrungen meinen könnte: Neben dem kurzen Auftaktkrawall, einem kurzen Scharmützel zwischendrin und ultrakurzer Schiffsaction gibt es eigentlich nur zwei große Seeschlachten. Die sind, trotz Reiné-typischer Zeitlupen und ähnlicher Action-Stilmittel näher am Realismus eines „Master and Commander“ als am comichaften Bombast der „Fluch der Karibik“-Reihe und erlauben inmitten abgefeuerten Kanonen, Entermanöver und derben Nahkämpfe auch Einblicke in die Taktiken de Ruyters, der als brillanter Stratege die Seestreitmächte Hollands zu den führenden ihrer Zeit machte. Leider geht manchmal die Übersicht über das Gesamtgefecht verloren und es ist dann nicht immer hundertprozentig klar, warum die Niederländer diese oder jene Auseinandersetzung gewannen – angesichts von de Ruyters Ruf und Reinés versierter Actioninszenierung leider ein merkliches Versäumnis des Films.
Doch es geht nicht allein um die Seeschlachten, sondern der Rest der über zwei Stunden ist eine straffe Zusammenfassung niederländischer Geschichte und des Lebens von de Ruyter. Genau das ist auch ein Problem, manches wirkt arg gehetzt, mancher Zeitsprung ist unschön, während man sich an anderer Stelle fragt, warum genau diese oder jene Szene so viel Zeit einnimmt: Etwa, wenn Anna einen wütenden Lynchmob mit einer pathetischen Rede beruhigt um das Ansehen ihres Mannes zu retten und die politische Lage zu beruhigen. Dabei gibt es natürlich auch reichlich Patriotismus, an dessen Inszenierung man die Vorbilder Reinés erkennen kann. Doch im Gegensatz zu Werken wie „Braveheart“ oder „Der Patriot“ ist das Pathos hier nicht ganz so packend, erscheint manchmal aufgesetzt. Ganz auf Augenhöhe mit Hollywood ist dagegen der schmetternde Soundtrack, für den Reiné allerdings auch den US-Komponisten Trevor Morris engagierte.
Mit seinen Temposchwierigkeiten und seiner Vielzahl an Themen, von den royalen Ränkespielen zwischen Holland, Frankreich und England, letzteres vertreten durch König Charles II. (Charles Dance), über den Streit zwischen Republikanern und Orangisten bis hin zu de Ruyters Privatleben, überzeugt „Der Admiral“ dann eher in Einzelszenen. Das Wüten eines Lynchmobs und die damit einhergehende Bedrohung von de-Ruyter-Vertrauten ist einerseits spannend, zeigt gleichzeitiig aber auch die wankelmütig und die (historisch belegte) Grausamkeit des Volks. Manchmal erinnern die königlichen Winkelzüge an „Game of Thrones“ und verdeutlichen so Machtstreben und Taktiken, bleiben aber zu sehr Nebenschauplatz um an besagte Serie heranzureichen. Stärker ist da die Darstellung von Politik, wenn es um de Ruyter und seinen Freund de Witt geht, die im privaten Rahmen Pläne schmieden um ihre Gegner in Schach zu halten – nicht immer erfolgreich. So ist „Der Admiral“ schon ein phasenweise faszinierender Blick auf ein weniger bekanntes Kapitel europäischer Geschichte, aber nicht lang genug um allen gewählten Themen wirklich gerecht zu werden.
Dabei legt sich die Darstellerriege ordentlich ins Zeug: Frank Lammers überzeugt in der Titelrolle, auch wenn der Film seinen de Ruyter teilweise über die Maßen heroisiert, gerade im übermäßig pathostrunkenen Schlussakt zu sehen. Charles Dance trumpft als Intrigant auf, hat aber nur eine kleine Rolle, während Barry Atsma als wagemutiger Politiker nicht nur ausreichend zum Zuge kommt, sondern auch groß aufspielt. Ebenfalls Nennenswertes leisten Sanne Langelaar als Ehefrau, Roeland Fernhout als de Witts Bruder Cornelis und Derek de Lint als intriganter Wortführer der Orangisten. Etwas schwächer dagegen die Darbietung von Egbert Jan Weeber als heimlich schwuler Monarch, bei dem man nie so genau weiß, ob es ihm um die Rettung Hollands oder den eigenen politischen Vorteil geht.
So hinterlässt „Der Admiral“ einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits zeigt er eindrucksvoll, was in Sachen europäisches Genrekino möglich ist, wenn er als schickes Historienepos mit Action und Schauwerten punktet und europäische Geschichte anschaulich in einen Unterhaltungsfilm gießt, der sich mit diesen Anreizen auch über die Landesgrenzen hinweg verkaufen lässt. Leider zerfleddert das Script bei dem Versuch möglichst viele Facetten und Einzelaspekte in etwas über zwei Stunden Film unterzubringen und gleichzeitig noch genug Raum für Set-Pieces zu haben, wodurch man nie so ganz in den Film hineinkommt, schmetternden Pathosklängen und guten Schauspielleistungen zum Trotz.