Review

*** Der Text enthält Spoiler ***


Nachdem am Ende von Sykfall eigentlich alles so war wie früher, musste der geneigte Zuschauer drei Jahre warten. Die Voraussetzungen für ein klassisches Bond-Abenteuer im modernen Gewand waren gegeben, es kündigte sich die Rückkehr des Oberschurken der Serie als Anführer der titelgebenden Organisation (von früher auch als „Phantom“ bekannt) an und Sam Mendes, der schon Skyfall inszeniert hatte, nahm wieder auf dem Regiestuhl Platz.

Die hier verarbeitete Geschichte ist soweit interessant, als dass sie seine direkten Vorgänger als Puzzlestücke behandelt, die hier zu einem Bild zusammengesetzt werden – mit Erzfeind Blofeld, der gleich noch eine Hindergrundgeschichte verpasst bekommt, die Bonds eigene Vergangenheit mit einschließt. Es gleicht einer Suche nach dem großen Ganzen, welches sich Stück für Stück zusammenfügt. Und trotz der nicht gerade kurzen Laufzeit ließ mich das Gefühl nicht los, dass da mehr drin gewesen wäre. Die Beziehungen der Figuren untereinander und gerade die von Blofeld zum Rest, hätten intensiver gestaltet werden können.

Durchgehend befriedigend ist auch das Drehbuch nicht. Als Beispiel sei hier die zweite „Bohrung“ genannt, die die Wiedererkennung zerstören sollte. Wird ausgeführt und es passiert – nichts. Allerdings spielt das eine Minute später auch keine Rolle mehr. Weiterhin hat Bond mal wieder keinen richtigen Auftrag bekommen, was sich zwar im Kontext der aufgebauten Gesamtgeschichte erklären lässt, aber dem Agenten langsam nicht nur eine klassische Serientradition raubt sondern ihn auch als Typus darstellt, der inzwischen nur noch sein privates Ding durchzieht. Und auch wenn „Spectre“ es darauf anlegt, viele Storyelemente zusammenzuführen, so endet er nicht in sich geschlossen, sondern wieder offen. Das taten zwar Craigs andere Auftritte auch, schafften es aber trotzdem, satt zu machen. Trotz atmosphärischer Szenen wie in Mexico City, Rom (Konferenz) und Österreich (Mr. White) wirkt Spectre dramaturgisch unrund. Das hat der ebenfalls von Sam Mendes inszenierte Vorgänger besser hinbekommen. Inhaltlich ein interessanter Aspekt ist die allgemeine Überwachung zur vermeintlichen Sicherheit, womit die Serie sich mal wieder aktueller Themen bedient.

Natürlich kracht es auch wieder, wobei das Highlight während des Dia de los Muertos in Mexico-City stattfindet. Weitere Sequenzen wie eine Verfolgungsjagd durch Rom, Bond im Flugzeug durch die Alpen und mit dem Boot auf der Themse, einer Prügelei im Zug und dem Ausbruch aus Blofelds Wüstenbasis sind unterhaltsam, aber mal mehr oder minder nachhaltig inszeniert.
Erwähnung finden sollte aber, dass auch in Spectre wieder viel handgemacht ist und er sich damit wohltuend von den modernen CGI-Gewittern und ihrer polierten Künstlichkeit abhebt. Für mich ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt.

Der Film bietet einige Anspielungen auf frühere Abenteuer. Die Klinik in den Alpen erinnert an „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ und die Schlägerei im Zug mit der streckenweise fehlenden musikalischen Untermalung an „Liebesgrüße aus Moskau“, um nur zwei zu nennen. Der Einsatz des Aston Martin DB5 ist quasi schon ein Running Gag innerhalb der Craig-Ära.
Überhaupt scheint Spectre sich in manchen Belangen an seine eigene Vergangenheit anzulehnen. Wenn er in einem ramponierten Flugzeug gen Tal rutscht, hätte ich mir gleichsam einen süffisant grinsenden Roger Moore im Cockpit vorstellen können. Auch der Humor ist hier nicht mehr so trocken wie zuletzt, sondern kommt lockerer und auch selbstreferenziell daher. Er erinnert bisweilen an manche Bondfilme aus den 60ern und 70ern, wobei man aber nicht von Klamauk sprechen kann. Der eigentlich für 009 bereitgestellte Prototyp eines Aston Martin DB10 bietet sogar ein paar altbekannte Gadgets – sofern sie funktionieren.

Der bis dato mit einer Laufzeit von 148 Minuten längste Bondfilm bietet optisch keinen Grund zur Kritik. Die Kameraarbeit ist exzellent, der Anfang in Mexico-City bietet sogar eine lange Sequenz ohne sichtbare Schnitte. Das Cinemascope-Format wird mal wieder voll ausgenutzt, sehenswerte Motive bieten sich zuhauf und die detaillierte Ausstattung der einzelnen Sets macht Freude.
Wie bei Skyfall zeichnete wieder Thomas Newman für den Soundtrack verantwortlich, der diesmal deutlich rhythmischer, da vor allem in den Actionszenen perkussionslastiger, ausgefallen ist. Dazu mischen sich auch mal Chöre und Streicher im Stakkato,
Ansehnlich geben sich auch die Drehorte bei. Das erwähnte Mexico City bietet dabei eine grandiose Kulisse für eine ebensolche Anfangssequenz, Österreich zeigt sich von seiner verschneiten und bergigen Seite und bietet ein paar beeindruckende Motive (Fahrt über den See). Marokko mit seiner Wüste wirkt weit, Rom bei Nacht ist reizvoll (aber auch ziemlich leer), London setzt dann den Schlusspunkt zuhause – mit einem Showdown, der durchaus opulenter hätte ausfallen dürfen. An Abwechslung bezüglich der Einsatzorte mangelt es zumindest nicht.
Und endlich befindet sich auch die ikonische „gun barrel sequence“ wieder da, wo sie hingehört (wenn auch ohne Aufblende) und mündet in den von Daniel Kleinman gestalteten Vorspann, welcher nicht gerade in Erstaunen versetzt. Vielleicht trägt dazu aber auch das von Sam Smith aus den Boxen falsettierte „Writing's on the wall“ bei, das musikalisch zwar noch halbwegs brauchbar ist, stimmlich aber unpassend und wie ein Fremdkörper wirkt.

Daniel Craig überzeugt in seinem vierten Auftritt als Agent ebenso wie in den Vorgängern. Nicht nur, dass er die Rolle verinnerlicht hat, er hat ihr inzwischen auch seinen Stempel aufgedrückt und der Figur einen eigenen Stil gegeben, den man mit seiner Person in Verbindung bringt.
Was Christoph Waltz angeht, so ist seine Leistung ein zweischneidiges Schwert. In seiner ruhigen Art, unter deren Oberfläche etwas zu brodeln scheint, ist er ein passend besetzter Bond-Bösewicht. Doch ist es einfach so, dass Waltz wieder mal seinen Stil durchzieht und wer ihn aus Tarantinos „Inglorious Basterds“ und „Django Unchained“ kennt, der weiß, welche Performance ihn hier erwartet. Eine repetitive Art kann man seiner schauspielerischen Leistung nicht absprechen.
Der aus der WWE bekannte Dave Bautista gibt einen schlagkräftigen und wortkarger Handlanger mit physischer Präsenz, der zwar (vor allem im Zug) ein paar rabiatere Szenen bietet, dessen Abgang dann aber doch zu plötzlich daherkommt, wobei die intensive Szene im Zug dafür entschädigt.
Monica Bellucci verrät in ihren paar Minuten auf der Leinwand zwar, wo Bond als nächstes hin soll, erfüllt aber ansonsten keinen Zweck und wirkt verschenkt. Darüber kann man hinwegsehen, über Madeleine Swann, gespielt von Léa Deydoux, nicht so leicht. Das liegt weniger an der ansprechenden Optik oder der Tatsache, dass man auch hier wieder einen Charakter vor sich hat, der mehr als der früher übliche laufende Kleiderständer ist. Sondern an ihrer Beziehung und Einstellung zu Bond selbst, die sich in kurzer Zeit von Ablehnung zu Zuneigung wandelt – in einem Maß, das ob der Flexibilität ihrer Einstellung mindestens verwunderlich ist. Da war die Entwicklung zwischen Vesper Lynd und Bond in Casino Royale um einiges glaubwürdiger und emotionaler, hier wirkt es kaum nachvollziehbar. Vom Verlassen, dann gerettet werden und doch wieder zusammen in den Sonnenuntergang reiten will ich gar nicht anfangen. Aber vielleicht ist das auch ein Teil der in „Spectre“ betriebenen Rückbesinnung auf die traditionellen Bondfilme. Denen waren die weiblichen Darsteller zumindest aus drehbuchtechnischer Sicht meist auch ziemlich egal.
Die sonst als Nebenfiguren agierenden M, Q, Moneypenny und Tanner bekommen mehr Screentime und tragen sogar aktiv zur Fortführung der Handlung bei. Sie treten ein Stück aus dem etablierten Schattendasein ihrer Rollen und so wirken einige Plotelemente mehr wie eine Gemeinschaftsproduktion als die von Bond gewohnten Alleingänge.

„Spectre“ macht es einem nicht leicht. Er kann mit altmodischen Anleihen an seine entfernten Verwandten aufwarten, ist optisch überaus ansprechend gestaltet, bietet tolle Locations und greift das Thema der allgegenwärtigen Überwachung auf. Auf der anderen Seite verärgert er mit einem Ungereimtheiten im Drehbuch und einer grundsätzlichen Schwäche in der Dramaturgie; die Beziehung der Figuren untereinander will nicht ganz überzeugen, wirkt bisweilen aufgesetzt. Die Action ist ansehnlich und der Film schafft es auch durchaus, ein gewisses Bond-Gefühl zu beschwören und rückt die sympathischen Nebenfiguren mehr in den Fokus.
Zugegeben, es gibt an Spectre einiges zu kritisieren, aber letztendlich entscheidet das Gesamtpaket. Und dieses reiht sich zwar hinter Casino Royale und Skyfall ein, doch ist Spectre ein guter Beitrag zur Reihe. Einen klassischen Bond im modernen Gewand würde trotzdem gerne mal sehen.

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