kurz angerissen*
Die aktuelle Bond-Ära zeichnet sich durch den Spagat zwischen Traditionsbewusstsein und Moderne aus. Ein Eiertanz, dessen man im vierten Anlauf mit Daniel Craig (und dem zweiten mit Regisseur Mendes) besonders gewahr wird. Auf der einen Seite verpflichtet der Drang des Publikums nach komplexen Figurenhintergründen zur Abkehr vom klassischen Bond-Girl, das in „Spectre“ nur kurz in der Eröffnungssequenz anhand der Silhouette von Stephanie Sigman abgefrühstückt wird. Léa Seydoux’ Darstellung wird anschließend nicht unbedingt zu den Höhepunkten der Traditionsreihe gehören, jedoch bietet sie sich plotbedingt als langfristige Gefährtin des Agenten an und zieht damit die lange Brücke zum seinerzeit progressiven Umgang mit Diana Rigg in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“.
Fotografien Verblichener und Vergangener ziehen sich nebenher wie ein roter Faden durch den Film und verknüpfen die bis dato vier Craig-Filme zu einer Kette mit Gedächtnisspeicher. In diesem Zusammenhang wird auch die Entwicklung des Agenten deutlich, der vom Prinzip keinesfalls immer wieder zum Status Quo zurückkehrt, so wie es Roger Moore und Pierce Brosnan pflegten – Puristen werden sich an dieser Tatsache auch weiterhin stoßen, zumal die vielen Verweise auf die Historie der Reihe dadurch offen retro wirken anstatt authentisch altmodisch.
Andererseits bewahrt sich „Spectre“ seine Authentizität in der Action weit mehr als etwa sämtliche diesbezügliche Anstrengungen unter Brosnan. Blickt man zurück, sind 007s Abenteuer eben immer vor allem eine Aneinanderreihung von Stunts gewesen. Hier mal eine Skifahrt, dort ein Jetpack; mal ein Rampensprung, mal ein Atemzug auf der Golden Gate Bridge. Mendes, der nun nicht unbedingt als Bewegtbild-Spezi verrufen ist, liefert hier immer wieder kleine Höhepunkte in autonomer Spitzenqualität zum Aus-dem-Kontext-Reißen und Genießen, leider antiproportional zur Laufzeit abflauend. So gehört die Eröffnung zu den ganz, ganz Großen. Ein außer Kontrolle geratener Hubschrauber über einer Menschenmasse, einstürzende Altbauten, da kriegt man schon mal Achterbahngefühle. Dass die Sequenz konzeptionell nicht ganz zum Restfilm passen mag, darf aufgrund eingangs erwähnter Charaktereigenschaften nicht stören. Später gesellt sich noch eine spannende Schlittenpartie im Segelflieger dazu, die aufgrund ihrer überraschenden und zufallsgelenkten Choreografie ebenfalls herauszuheben ist. Die Zugfahrt mit Oddjob-Beißer-Amalgam Dave Batista passt immerhin noch ins obere Mittelfeld. Man vernimmt, dass das Finale im Vergleich nicht so begeistert aufgenommen wurde, allerdings hinterlässt Bond Nr. 24 auch nicht den Eindruck von Actionarmut, selbst wenn er im Ganzen viele ruhige Momente hat. Die werden allerdings sinnvoll genutzt – Christoph Waltz kann man ob seiner enormen Hollywood-Präsenz inzwischen überdrüssig sein, allerdings entwaffnet er den Kritiker trotz minimaler Screentime in Windeseile, zumal Mendes ihn ganz vortrefflich inszeniert.
Eine lohnenswerte Reise um den Globus wieder, sofern man gegen die zeitgeistige Erzählweise ebensowenig auszusetzen hat wie gegen zugegeben langsam etwas ins Leere laufende Traditionsbekundungen. Wie schon „Skyfall“ zuletzt kein wirklich runder Bond, aber ein solche mit vielen Schauwerten, Ereignissen und Tempowechseln – und damit passt er doch irgendwie wieder in die Tradition.
(7.5/10)
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