Ein Mörder geht um in London. Der Tod kommt in Form einer vergifteten schwarzen Witwe aus Gummi, und er trifft nach und nach alle, die vor 12 Jahren mit einer Expedition nach Mexiko zu tun hatten, auf welcher der Leiter der Expedition, Professor Avery, unter mysteriösen Umständen den Tod fand. Der Sensationsreporter, Alkoholfreund und Damenverehrer Welby möchte den Fall gerne lösen, und findet ganz unverhofft die Tochter Averys, Clarisse, im Hause eines der Expeditionsmitglieder. So sehr er auch versucht weiterzukommen, ständig stößt er auf einen geheimnisvollen Gentleman, der ihm regelmäßig aus der Klemme hilft. Und immer wieder auch auf Clarisse, die nicht nur als Opfer der Mordserie in Frage kommt, sondern auch als Täterin. Denn die Schwarze Witwe muss nicht unbedingt ein Mann sein …
Warum sind die Straßen so einsam und leer?
Warum gehen die Menschen so ängstlich umher?
Es gibt eine Frau die im Dunkel der Stadt
Einen Pakt mit dem Tode geschlossen hat
Ich glaube, ich habe noch nie einen Film mit O.W. Fischer gesehen. Gar zu viele Herz-Schmerz-Filme sind in seiner Filmographie vorhanden, als dass ich mich jemals mit ihm näher hätte beschäftigen wollen. Und PETER VOSS, DER MILLIONENDIEB habe ich mit dem hinreißenden Victor de Kowa in der Verfilmung von 1946 gesehen, da gab es bisher auch keine Veranlassung zum Weiterstöbern.
Bis dato. Denn das hier ist O.W. Fischers Film! Er rockt von Anfang bis Ende den Film, dass einem der Atem stockt. Er trinkt. Er flirtet. Er sucht nach Worten. Er versprüht seinen ganzen Charme, und der Zuschauer liegt ihm zu Füßen. O.W.Fischer trinkt. Er prügelt sich. Nonchalant geht er mit den Vorwürfen seines Chefs um. Er lacht, er schimpft, er staunt, und er trinkt wieder. Fischer tänzelt durch den Film wie ein verliebter und wortgewaltiger Fred Astaire, und wie Astaire auch mal an der Wand oder auf Einrichtungsgegenständen getanzt hat, genauso leichtfüßig bewegt sich Fischer durch, auf und mit der Handlung. Ich hatte in fast allen seinen Szenen den Eindruck, dass er improvisiert hat, und dass er das Spiel vor laufender Kamera einfach so gestaltete wie es ihm gerade passte. Hat er sicher nicht, aber der Eindruck entsteht, und mit diesem Eindruck das Gefühl, dass er wie ein Grashüpfer von Drehbuchseite zu Drehbuchseite fliegt und den Film im Alleingang mal eben so nebenher mitnimmt. Bewundernswert! Hinreißend! Gottgleich …
Ja ja, andere Schauspieler spielen auch mit. Doris Kirchner ist mir aufgefallen und hat einige ganz starke Momente, Klaus Kinski ist Klaus Kinski und kommt hier ebenfalls eindrucksvoll und sogar ansatzweise charmant(!) rüber, und Eddi Arent hat ein paar denkwürdige Dialoge mit O.W. Fischer. Fernando Sancho kann in einer frühen Rolle entdeckt werden, und das Lied der Sängerin Belina ist hochgradig gänsehautverdächtig. Aber sonst?
Es gibt einige ganz feine Momente, wenn die Kamera außer Rand und Band gerät und gerne durch Gegenstände hindurchschaut, was immer einen geheimnisvollen Rahmen um die Figuren spinnt. Auch gibt es da eine Sequenz mit Karin Dor, die auf ihren Stöckelschuhen durch das nächtliche London stakt, und außenrum hat es Schatten und Geräusche und jede Menge Gänsehaut. Ein starker Noir-Moment, und von solchen Momenten lebt der Film, denn einerseits konnte ein Wallace-Epigone im Jahr 1963 aus finanziellen Gründen nur bedingt visuelle Spielereien einsetzen, und zum anderen war Franz Josef Gottlieb zwar ein fleißiger und solider Filmregisseur, aber er war auch beileibe kein Erneuerer. Kein Alfred Vohrer und schon gar kein Rolf Olsen, sondern ein Handwerker mit einem Händchen für publikumswirksame Filme. Was bitte nicht negativ zu verstehen ist! Auch die muss es geben. Aber dadurch wirkt halt die ein oder andere Szene doch manchmal etwas … bieder. Oder zumindest könnte es das, wenn da nicht O.W. Fischer wäre, der wie ein Wirbelwind durch das Drehbuch fegt und allen angestaubten Mief einfach beiseite bläst …
Die Musik gehört nicht zu Martin Böttchers besten Arbeiten, nur das bereits erwähnte Titelstück kann sich neben zeitgenössischen Evergreens wie Elisabeth Flickenschildts Besonders in der Nacht (aus DAS GASTHAUS AN DER THEMSE) locker behaupten:
Es gibt eine Frau, die im Dunkel der Stadt
Gedanken von Hass und Verderben hat.
Sie tötet im Schatten und meidet das Licht
Und niemand kennt ihr Gesicht
Und niemand weiß wie das geschah
Weil keiner mehr lebt der sie einmal sah
Die schwarze Witwe, wer ist diese Frau?
Sie findet ihr Opfer und trifft sehr genau
Und während Belina dies singt gibt es auf dem Bildschirm bzw. der Leinwand einen wahrhaft magischen Moment: Die Kamera zeigt die Augen von Karin Dor, die Augen von O.W. Fischer, die Augen von Belinda. Sie streift durch den Nachtclub und zeigt Blitzlichter der Gäste, doch immer wieder kommt sie zurück zu den Hauptdarstellern und konzentriert sich auf sie. In Großaufnahme. In absoluter Konzentration. Noch näher. Noch geheimnisvoller …
Und für einen kurzen Moment sprengt Gottlieb das Korsett des deutschen Nachkriegskrimis und driftet in filmische Sphären, die eigentlich Regisseuren wie Sergio Leone vorbehalten waren. Magisch!
Die 7-kleine-Negerlein-Geschichte ist dann auch noch da, aber die Innovation hält sich doch einigermaßen in Grenzen. Punktabzug gibt es von meiner Seite dafür, dass gegen Ende irgendwie die Linie verloren geht und die Story sich etwas verläuft. Aber mei, man kann nicht alles haben, und spannend ist das Ganze ja schlussendlich doch erzählt. Spannend, und vor allem: Leichtfüßig. Als Alternative zu den regulären Wallace-Filmen ist die SCHWARZE WITWE damit absolut zu empfehlen!