So, Review Nr.1000 und das soll dann auch einem besonderen Film gewidmet werden. Welcher kommt da besser in Frage als „Blade Runner“? Um dieses brillante Meisterwerk komplett zu analysieren, könnte ich ein Buch schreiben. Es gibt so unglaublich viel über die Charaktere, die Entstehungsgeschichte des Films, die Vorlagen und die Intentionen Ridley Scotts niederzuschreiben. Von fast jeder Szene könnte man einen Screenshot machen, um sie zu besprechen. Ob Scott sich wirklich soviel bei dem Film gedacht hat oder ob vieles nur Zufall war und dem Geiste des Zuschauers entspringt, sei mal dahin gestellt. Es gibt jedenfalls viel zu sagen, ist nur fraglich, ob das hier die richtige Stelle ist, um meine geistigen Ergüsse los zu lassen. Der eine oder andere dürfte meine Gedanken für etwas abstrakt halten. Hoffe aber trotzdem einen kleinen Überblick über die Geschichte des Films wiederzugeben zu können und bei den Recherchen über die Entstehung auf richtige Quellen zurück gegriffen zu haben.
„Sushi. That’s what my ex-wife called me. Cold fish“
Seinen Status erlangte der Film erst viele Jahre später, nachdem er in Kino nur mäßigen Anklang fand. Er war seiner Zeit weit voraus war und kam daher erst viele Jahre später zu Ruhm und Ehre. Sogar selbsternannte Experten wie Roger Ebert zerrissen den Film seinerzeit, um den Film inzwischen in höchsten Tönen zu loben.
„I want more life. Fucker!”
Ohne jetzt lange auf der, zugegeben uninteressanten, 13jährigen Entstehungsgeschichte (Skriptentwürfe, Rechteübertragung) des Films herumreiten zu wollen, werden erst mal die wichtigen Fakten vorgestellt. „Blade Runner“ basiert, genau wie die späteren „Total Recall“, „Minority Report“ und „Paycheck“ auf einer Romanvorlage des, erst nach seinem Tod zum Genie erhobenen, Science-Fiction-Schriftstellers Philip K. Dick. Mir persönlich hat „Do androids dream of electric sheep” nicht besonders zugesagt. Es hat auch nicht mehr viel mit dem Film und damit dem späteren Skript Hampton Fanchers, der sich weit von der Vorlage entfernte (Ein geplantes Ende war, Deckard mit Rachael (Sean Young) in die Natur fahren zu lassen, um sie, in Frieden sterbend, dort von Deckard töten zu lassen), gemeinsam. Scott war mit dem gesamten Drehbuch zuerst nicht sonderlich zufrieden und involvierte David Peoples, der mehr Detektivarbeit in den eigentlich als klassischen „Film Noir“ angedachten Stoff integrieren sollte. Fancher und Peoples waren sich spinnefeind, sollten sich später aber aussöhnen, obwohl einer dem anderen ins Handwerk pfuschte.
Für Fans des Genres bleibt die Vorlage trotzdem ein sehr interessantes Werk aus dem Dickschen Universum. Dick selbst starb kurz vor Fertigstellung des Werks, hatte aber noch die Gelegenheit Material zu sehen und war begeistert.
Zitat: „This is not like anything we have seen before. It isn’t like anything that has ever been made.”
“I’ve done ….questionable things. Nothing the God of biomechanics wouldn’t let you into heaven for.”
Noch während das Skript zum Film sich in der Entwicklung befand, gab es mehrere Titelvorschläge: „Mechanismo“ und „Dangerous Days“ waren frühe Entwürfe. Scott wollte es „Gotham City“ nennen und holte sich dafür von „Batman“ – Erfinder Bob Krane die Rechte. Schließlich entschied er sich für „Blade Runner“. Der Titel entstammt dem Buch „Blade Runner – A Movie“ von William S. Burroughs.
„I’ve seen things you people wouldn’t believe. Attack ships on fire off the shoulder of Orion. I watched C-beams glitter in the dark near the Tannhauser gate. All those moments will be lost in time, like tears in rain. Time to die”
Während der Dreharbeiten legte Scott eine Besessenheit an den Tag, die man so eigentlich nur von Stanley Kubrick kannte. Alles musste so gemacht werden, wie er es wollte. Szenen mussten wieder und wieder gedreht werden, weil ihm im Hintergrund ein Gegenstand nicht weit genug rechts oder links stand. Stunden wurden mit ein und der selben Szene verbracht, was für eine schlechte Stimmung am Set sorgte. Crewmitglieder ließen sich Shirts mit der Aufschrift „Yes, Guv’nor – MY ASS“ (vorn) und „You sore with eagles when you fly with turkeys“ (hinten) drucken oder verließen das Set unter Protest, worauf Ridley Scott und Produzent Michael Deeley mit „Xenophobia Sucks“ konterten. Es brodelte gewaltig am Set, denn auch Hauptdarsteller Harrison Ford, der den Film bekanntlich nicht zu seinen Lieblingen zählt, hatte mit Scott zu kämpfen. Wieder und wieder musste er eine Szene spielen, bis Scott zufrieden war. Zudem hatte sich Ford während der Dreharbeiten mit seinem Regisseur in die Haare bekommen, weil dieser eine unterkühlte Maschine wollte, während Ford der Figur lieber menschliche Züge geben wollte. Der damals gerade mit „Star Wars“ berühmt gewordene Star ließ seinen Aggressionen in körperbetonten Szenen freien Lauf, was seinen wenig begeisterten Kollegen blaue Flecke einbrachte...
Während dessen musste Scott auch noch dem Studio Rede und Antwort stehen, da er gewaltig dem Zeitplan hinterherlief und das Budget schnell überzogen hatte. Am Ende überwarf er sich mit den Produzenten, denen der Film zu pessimistisch war, und verließ das Set, um erst in den Neunzigern endlich seine Vision zu verwirklichen. Zusätzlich zum Happy End, das übrigens aus Deleted Scenes des Kubrick-Films „Shining“ zusammengeschnitten wurde und die Logikfrage aufwirft, warum sich Menschen in so einer verruchten Großstadt aufhalten, wenn es draußen noch die unangetastete Natur gibt, wurden Voice-Overs eingefügt, damit die Zuschauer sich besser mit Deckard identifizieren konnten. Ford sprach die Kommentare absichtlich so lustlos, da er Hoffnung hegte, dass sie nicht integriert werden würden.
„I’ve had people walk out on me before, but not when I was so charming.”
Wie viele Fassungen gibt es eigentlich von „Blade Runner“?
5 Stück, die sich fast immer in den selben Szenen voneinander unterschieden. Der als erstes in Denver gezeigte Workprint im Jahr 1982 war und ist mit gerade mal 113 Minuten die kürzeste Fassung. Ein paar Dialoge haben unterschiedliche Wortlaute, Voice-Overs klangen noch anders und mit Scotts pessimistische Ende (mit der letzten Szene am Fahrstuhl) schloss der Film ab.
Die Sneak Preview in San Diego war 2 Minuten länger hatte nur zwei unwesentliche neue Szenen und beinhaltete das von den Produzenten geforderte Happy End.
Die amerikanische Kinofassung war dann der wohl bekannteste Cut mit Happy End, Gewaltschnitten und Voice-Overs.
Die europäische Kinoversion, die auch mit der Criterion-LD identisch ist, war ebenfalls mit dem Happy End versehen, aber 15 Sekunden länger als die amerikanische Fassung, da die Gewaltschnitte in Europa nicht vorgenommen worden sind. Ich weiß leider nicht, ob auf dieser Fassung auch die alten Fernsehausstrahlungen beruhen. Die Letzte müsste jedenfalls der DC gewesen sein, der 10 Jahre später von Ridley Scott veröffentlicht wurde. Er entfernte die Voice-Overs, sowie das angehängte Ende und fügte den „Unicorn“ - Traum hinzu. Der Zuschauer sollte nun überzeugt sein, dass Deckard wirklich ein Replikant sei. Leider wurde diese Fassung nur mit den Gewaltschnitten veröffentlicht. Übrigens einer der ersten Director’s Cuts. Damals war es noch nicht Gang und Gebe einem Regisseur zu gestatten sein Werk nachträglich noch einmal zu bearbeiten. Heute ist es Standard und eher Abzocke, als die Verwirklichung einer Vision.
„It’s too bad she won’t live! But then again, who does?”
Aber ist Deckard nun ein Replikant oder nicht?
Diese Frage spaltet die Fan-Community. Nun, Fakt ist, dass Ridley Scott in einem Interview selbst gesagt hat, dass er Rick Deckard als Replikant angelegt hat. Dafür spricht ja auch der „Unicorn“ – Traum, auf den Gaff Deckard anspricht. Wenn der Traum nicht implantiert ist, woher soll Gaff von Deckards Träumen wissen? Es gibt zwar noch weitere Interpretationsansätze, die Rachael (Sean Young) mit dem Einhorn gleichsetzen, aber keiner kann diese Frage beantworten.
Weitere Indizien für die Theorie des Replikanten ist Deckards Durchhaltevermögen bei Auseinandersetzungen mit seinen Zielen. Ein Mensch hätte insbesondere den Kampf gegen Roy (Rutger Hauer) kaum überleben, geschweige denn, sich mit einer Hand an der Fassade festhalten können. Außerdem kennt Roy Ricks Namen. Woher? Gehörte Deckard etwa auch der Rebellion an?
Genau wie Rachel sich an ihr Foto klammert, hängt Deckards Appartement voller verblichener Fotos. Die brauchen Replikanten, um sich an ihre nicht vorhandene Vergangenheit zu erinnern. In einer Szene leuchten übrigens seine Augen im Hintergrund auf. So wie es mehrmals bei den Replikanten geschieht.
Außerdem ist Gaff ständig in Deckards Nähe. Man könnte glauben, dass Gaff der wirkliche „Blade Runner“ ist und Deckard nur sein Werkzeug, welches gar nicht glauben kann, dass er auf seinesgleichen Jagd macht.
„You’ve done a man’s job, sir“
Dagegen sprechen die These, dass Deckard nun mal mit sehr vielen negativen Aspekten ausgestattet worden ist, die für einen Polizisten und seine Motivation nicht gerade förderlich sind. Große Lust den Job zu übernehmen hat er nicht, denn die negativen Erinnerungen haften noch an ihm. Er ist geschieden und hat in begrenztem Maß ein Alkoholproblem. Und warum sollte die Polizei ausgerechnet einem Replikanten trauen, wo die doch auf der Erde Gesetzlose sind?
Der Traum wird mit der Idee wiederlegt, dass Deckard und vielleicht auch Gaff bei ihrem Tyrell-Besuch diese Implantate gesehen haben. Zugegeben, ein sehr weit her geholter Versuch ihn als Menschen zu etablieren.
„Wake up! Time to die!“
Aber da der Plot nun mal eine ganze Menge Fragen aufwirft, können sich beide Seiten austoben. Interessant, aber keineswegs ärgerlich, sind ein paar logische Patzer des Films. Bryant (M. Emmet Walsh) erzählt beispielsweise von 6 Replikanten, die ausgeschaltet werden müssen. Im Film sind aber nur Fünf vorhanden. Wo ist also der Sechste? Es war eine Replikantin, die aus dem Skript gestrichen wurde, da die Produktionszeit knapp wurde. Der Dialog wurde zwar neu gesprochen, aber Scott vergaß ihn auszutauschen (Oder war etwa Deckard damit gemeint?).
Warum muss man Replikanten so aufwendig identifizieren, wenn sie wie Roy einfach in eiskalten Stickstoff greifen können?
Es gibt noch mehr Ungereimtheiten, aber das hier sind wohl die offensichtlichsten und schwerwiegendsten.
„My mother... let me tell about my mother!“
Nun aber zum Film selbst. Der Film hatte es 1982 nicht leicht, da das Publikum für einen solch düsteren Film gar nicht im Stimmung war. Ein Flop zeichnete sich ab, denn Steven Spielberg präsentierte mit „E.T.“ eine heile Welt, die am amerikanischen Boxoffice abräumte. Für Pessimismus war keinen Platz. Das musste zur selben Zeit auch John Carpenter mit seinem hervorragenden „The Thing“ – Remake feststellen. Genau wie der gar nicht mehr Scotts Vision (u.a. auch abgeänderter Score) entsprechende „Blade Runner“ mutierte er zum Superflop.
„I MAKE friends“
Dabei ist und bleibt der Film visuell wie inhaltlich ein Erlebnis, das bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Das schluchtenartige Los Angeles (mal auf die Gebäude achten. Einige sind dem Millenium Falcon und Dark Star nachempfunden) ist ein pechschwarzes, wegweisendes Zukunftsbild, aus dem heute noch Filme wie „Judge Dredd“, „The Fifth Element“, „Dark City“ ihr Design beziehen. Der Cyberpunk entwickelte sich größtenteils aus Scotts Zukunftsbild.
„Lo fa, ne-ko shi-ma. De va-ja blade… Blade Runner.”
Im 21. Jahrhundert lässt der Mensch in entfernten Kolonien nur noch für sich arbeiten, anstatt selbst die Finger schmutzig zu machen. Es wurde keine Alienrasse unterjocht, sondern Roboter entwickelt, die stark und intelligent waren. Sie gleichen äußerlich dem Menschen. Die Entwicklungsphase „Nexus“ der Tyrell-Corporation bedeutete unendlichen Nachschub an billigen Arbeitskräften. Doch die revoltierten auf einem entfernten Planeten, worauf allen Replikanten die Rückkehr zur Erde verboten wurde und Kopfgeldjäger, sogenannte „Blade Runner“, eingesetzt wurden, die alle sich auf dem Planeten befindlichen künstlichen Lebewesen eliminieren sollten.
„Nothing’s worse than having an itch you can never scratch!“
Rick Deckard ist einer von ihnen. Ein ganz klassischer Noir-Detektiv mit harter Schale und weichem Kern. Längst der Arbeit überdrüssig will er den Job ablehnen, lässt sich überreden. Wenn er ihn nicht macht, was soll er sonst tun? Es ist das einzige was er kann. Eine Gruppe von Nexus-6-Replikanten ist auf der Erde angelangt. Sie wollen zu ihrem Schöpfer, um ihre begrenzte Lebensdauer zu verlängern. Nur Tyrell (Joe Turkel), so glauben sie, kann ihnen helfen. Derweil testet Deckard bei eben diesem Mann Rachael, die selbst glaubt ein Mensch zu sein, aber keiner ist. Das perfekte Ebenbild eines Menschen.
„Are you for real?“
„Blade Runner“ wirft die Frage auf, wie weit man mit dem Leben spielen darf. In Zeiten wo das Klonen längst Gang und Gebe ist, ist der Film aktueller denn je. Lässt es sich moralisch vertreten, dass man künstliche Wesen nur mit einer bestimmten Lebensdauer ausstattet und sich damit über Gott erhebt? Sie nicht ihr Schicksal selbst bestimmen lässt, sondern es in vorbestimmte Bahnen presst? Und was ist, wenn diese Geschöpfe sich einmal rächen? Roy Batty erscheint hier wie der Leibhaftige, der vom Himmel gefallene Engel, der den Schöpfer bestrafen will, eben weil er glaubt die Frage nach dem Sinn des Lebens für alle Replikanten beantworten zu können. Ihre Fähigkeiten werden ganz individuell den Wünschen des Kunden angepasst. Von der Kampfmaschine bis zur Hure ist alles zu haben.
„I’m sort of an orphan“
Scott pflastert „Blade Runner“ mit Andeutungen zu, dass man sein Jahre damit verbringen könnte Interpretationsansätze auszuarbeiten. Deckard selbst verliebt sich in eine dieser künstlichen Lebewesen, obwohl er weiß, dass er sie eigentlich töten müsste beziehungsweise die Liebe nur von kurzer Dauer sein wird. Der Zuschauer kann hier mitdenken, sofern er denn Spaß daran hat, sich diesen vielen, religiösen und ethischen Assoziationen hinzugeben, oder einfach in der Optik des Films versinken und sich gehen lassen. Es ist eine Welt zum Miterleben, nur selten gelingt es Filmen (Beispiel bei mir: „Master and Commander“) den Zuschauer so mitreißen, ihn in diese Welt zu entführen, sie schmecken und fühlen zu lassen. Da ist „Blade Runner“ schlicht und einfach ein grandioses Erlebnis, bei dem den Zuschauern die Augen ausfallen. Dazu der Vangelis-Score, der gefühlvoller kaum sein könnte.
„The light that burns twice as bright burns half as long... and you have burned so very, very brightly, Roy”
Diese Welt ist längst von der fortschreitenden Industrialisierung zerstört. Sie ist hässlich, düster und gar nicht einladend. Überall dampft und tropft es. Die Feuchtigkeit dringt in jede Pore und die Gebäude verfallen. Die Menschen die dort Leben sind abgestumpfte Typen, die sich ihrem Schicksal hingeben oder den lügenden Werbetafeln glauben schenken. Längst ist diese durch Smog von der Sonne abgeschottete Welt verloren. Der Müll stapelt sich vor den Häusern, doch noch scheint die Gesellschaft einigermaßen intakt. Aber wie lange noch? Wie lange braucht die Menschheit, um sich und den Planeten endgültig zugrunde zu richten? Es ist scheinbar allen egal.
„That was irrational of you. Not to mention unsportsmanlike.”
„Blade Runner“ konfrontiert den Zuschauer eigentlich mit einer Story, die die Welt nicht im geringsten verändern soll. Was hat sich getan, nachdem Deckards seinen Job erledigt hat? Nichts. Ganz im Gegenteil. Nun ist sich selbst dieser Mann, der die Welt längst aufgegeben hat, nicht mehr im Klaren darüber was er nun ist und ob es sich noch zu Leben lohnt. Wir blicken durch Deckards Augen und folgen der Suche nach Wahrheit und den kläglichen Versuchen sie auszumachen. Mich erinnert das Spiel mit der Augensymbolik sehr an E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“, den wir in der Schule einmal bezüglich eben genau dieser Motive „Augen“ und „künstliches Leben“ besprochen haben. Ähnlich lässt sich dieser philosophische Ansatz auch auf „Blade Runner“ anwenden.
„Louie. The man is dry.“
Auf die Wahrnehmung mit dem Auge ist diese Zukunft ausgelegt. Das künstliche Licht suggeriert den letzten Funken Hoffnung, ohne ihn wäre man in der Dunkelheit verloren. Doch was die Augen hier aufnehmen sind, von der trostlosen Welt bis hin zu den Werbebotschaften, alles Lügen. Also wie weit kann man seinen Augen noch trauen? Tyrell traut seinen schon nicht mehr und trägt daher eine überdimensionierte Brille. Das hilft ihm nicht, denn Roy wird sie ihm ausdrücken. Die Welt wird für ihn schwarz; wie der Tod. Ist das die eigentliche Wahrheit?
Die Augen sind es, durch die die Replikanten identifiziert werden können. Doch was sehen wir in ihnen? Sind es nicht längst Wesen, die menschlicher als die eigentlichen Menschen sind. Sie kämpfen noch um das Überleben und ihre Einmaligkeit.
Was versteckt sich vor unseren Augen? Die Menschen in den verslumten Straßen sind unter ihren Regenmänteln, ihren Regenschirmen und in ihrer Geschäftigkeit ohne Gesicht. Die Replikanten verstecken sich vor Deckards Augen, um zu überleben. Der kann seinen schon nicht mehr trauen, denn (Pris als Puppe in Sebastians Wohnung) die Wirklichkeit ist längst nicht mehr was sie zu sein scheint. Er muss aufpassen, abwiegeln und auf der Hut sein, um die Lügen zu erkennen.
Was unterscheidet das künstliche vom wirklichen Leben? Darf man sich überhaupt anmaßen mit ihm zu spielen?
„Milk and cookies kept you awake?“
Deckard verliebt sich als einsamer Mensch ausgerechnet in die künstliche Rachael. Längst sind die Menschen in dieser High-Tech-Welt zu Einzelgängern geworden. Auch Chew (der Augenmacher) und vor allem Sebastian sind ohne Gesellschaft. Alle drei suchen Zuneigung und Geborgenheit in künstlichem Leben. Bleibt die Frage, ob sie überhaupt noch erkennen, dass in Wahrheit hier wirklich kein menschliches Individuum vor ihnen steht, sondern ein Wesen, dass ihm nur eins vorspielt und gefährlich werden kann. So wie Roy Batty, der Tyrell erklärt, dass er ihm nicht das Leben geschenkt hat, sondern den vorbestimmten Tod und keinerlei Selbstbestimmung. In wie fern nimmt uns der technische Fortschritt unsere Menschlichkeit, unsere Einmaligkeit und tauscht sie gegen eine Lüge aus? Der Unmenschliche ist hier nicht Roy Batty, der Deckard sogar noch das Leben rettet, sondern Tyrell.
“ Where do I come from? Where I am going? How lomg have I got? All I could do was sit there and watch him die.”
Ridley Scott fragt im Kern was „Mensch sein“ überhaupt bedeute und in wiefern uns die Technologie beeinflusst. Seine Meinung ist durch und durch negativ, denn in „Blade Runner“ ist die Menschheit längst zu weit gegangen – hat das „Mensch sein“ verlernt. Es ist eine düstere Vision, die hier präsentiert wird, denn ein menschliches Miteinander scheint nicht mehr möglich. Man ist der Technik verfallen, pflegt keine gesellschaftlichen Kontakte mehr und steht kurz vor der Aufgabe – vielleicht auch schon einen Schritt weiter. Sieht so auch unsere Zukunft aus?
„I design your eyes“
Ich könnte mich hier noch über die so offensichtlichen Dinge wie Qualität der Spezialeffekte, Spannungsaufbau, Schauspielerleistungen, Actioneinlagen, Ton und Kamera auslassen. Das ist aber nicht das, was den Film ausmacht. Ist mir in diesem Fall auch zu banal. Ich kann angesichts dieser Inszenierung dem Film sowieso keine negativen Seiten abgewinnen, denn man spürt die Besessenheit Scotts dahinter. Ich verehre ihn dafür. Liebevoll bettete er zudem noch Anspielungen auf seinen vorherigen Science-Fiction-Hit „Alien“ ein, der ja ebenfalls das künstliche Wesen als Fehler deklassiert. Man vergleiche diesbezüglich einmal Zigarettenmarken und Monitortext.
„It’s not an easy thing to meet your maker.“
Man könnte noch Unmengen in „Blade Runner“ hinein interpretieren, aber vielleicht sehe ich da auch etwas zu viel. Tyrell könnte mit Dr. Frankenstein verglichen werden und Roy mit seiner Schöpfung beziehungsweise, wenn man das Ende betrachtet, sogar als Jesus. Wer sich selbst einmal Gedanken will, sollte sich während des Films einmal nicht von der Bilderflut erdrücken lassen oder selbst Gedanken machen. Außerdem gibt es unzählige englische Webseiten im Netz, die sich mit dem Film und seinen Fragen beschäftigen.
Fazit:
Für mich ist und bleibt „Blade Runner“ DAS filmische Nonplusultraerlebnis. Und dabei belasse ich es hier auch mal. ;) Auch wenn ich nur an der Oberfläche gekratzt habe und irgendwie noch viel mehr könnte schreiben...