Das größte und das verderbteste Spielcasino in Shanghai, das mit dem größten Angebot an Spiel und an Mädchen, wird geführt von der geheimnisvollem „Mama“ Gin Sling. Ihr Haus ist der Treffpunkt vieler lichtscheuer und verschlagener Gestalten. Als Beispiel mag der Spieler Dr. Omar genannt werden, der gerade erst eine junge Amerikanerin, Dixie Pomeroy aus Brooklyn, gekauft hat. Eines Tages betritt Victoria das Haus. Sie nennt sich Poppy Smith und ist auf der Suche nach Abenteuer und Verderbnis: „Die Luft hier riecht unglaublich verworfen.“ meint sie, und atmet tief durch. Sie verliebt sich in Dr. Omar und mutiert binnen kurzer Zeit von einer stolzen und schönen Frau zu einem spiel- und alkoholabhängigen Wrack mit immens hohen Spielschulden.
Was niemand weiß ist, dass Poppy die Tochter von Sir Guy Charteris ist, einem reichen Investor, der gerade das Grundstück gekauft hat auf dem das Casino steht. Er wird das Casino schließen, was Mama Gin Sling natürlich überhaupt nicht passt. Als Gin Sling herausbekommt, dass Charteris ihr Ex-Mann ist, der sie vor vielen Jahren im Elend hat sitzen lassen und ihr Geld gestohlen hat, will sie sich rächen. Die Tochter ist dabei das Mittel zum Zweck.
Prinzipiell ist ABRECHNUNG IN SHANGHAI ein opulentes Werk über Hochmut und Stolz, über die Sünde und den Abgrund seelischen Verlangens. Oder zumindest könnte er das sein – Die Vorlage war ein Bühnenstück aus dem Jahr 1925, wo das Casino ein Bordell, und Dr. Omar nicht spielsüchtig sondern drogenabhängig war. Die Zensurbehörde der USA, das Hays Office, schnitt und krittelte aber bereits am Drehbuch so viel herum, dass das filmische Endprodukt wie ein kastrierter Kater um die Ecke schleicht, der sich verschämt in den Schatten drückt. Zu vieles in ABRECHNUNG wird nicht einmal angedeutet, wo durch deutliche Verweise viel mehr Druck hätte entstehen können, wo eine Atmosphäre des Untergangs und der Verkommenheit wie eine erstickende Decke über die Akteure hätte liegen können. Irgendwas zwischen DER BLAUE ENGEL und MR. MOTO, so dürfte von Sternberg das wahrscheinlich im Sinn gehabt haben. Denn seine Kulissen sind grandios, der Aufwand, der in der Produktion steckt, ist deutlich zu sehen, die Schauspieler sind hochrangig - und das Ergebnis ist hausbacken und müde …
Schauen wir doch mal auf die zeitgenössische Kritik: Die New York Times schrieb, der Film sei „absolut prätentiös, durchweg schleierhaft und in jeder einzelnen Rolle derartig schlecht gespielt“. Prätentiös ist er, das ist wohl wahr, denn er versucht trotz des Kampfes mit dem Hays Office eine Stimmung abzubilden, die sich einfach nicht einstellen will. Schleierhaft kann ich ebenfalls nachvollziehen, denn viele Vorgänge und Abläufe ergeben sich einfach nicht logisch zwingend. Die Mysterien des exotischen Orients wollen es, dass Mama Gin Sling hinter ihrer starren Maske vieles weiß und alles sieht, oder wie? Schlecht gespielt wiederum kann ich nicht nachvollziehen, die Darsteller sind fast durch die Bank gut, nur Gene Tierney übertreibt es mit ihrem Overacting ziemlich. Die sturzbetrunkene und biestige Teenagerin auf der Bar, die ist einfach nur peinlich, genauso wie der Versuch in Dr. Omars Armen zu landen. Jeder normale Mann würde so eine Zicke einfach nur wegschubsen und sich eine vernünftige Frau suchen. Und erzählt mir bitte nicht, dass die Männer 1941 auf so etwas standen …
Weiter schrieb die New York Times, dass das Ende „lachhaft sei“ – Am Ende des Films sitzen alle beteiligten (und ein paar Unbeteiligte) zusammen, dinieren, und werfen sich hässliche Dinge an den Kopf. Die Szene wirkt irgendwie … künstlich. Prätentiös. Wie aus einem Agatha Christie-Roman. Aus heutiger Sicht tatsächlich ein wenig lachhaft, aber wenn ein zeitgenössischer Kritiker das schon so sah …?
Variety sah „ein eher langweiliges und nebulöses Orient-Drama“. Nun ja, ABRECHNUNG IN SHANGHAI ist schon sehr deutlich den hochtrabenden Filmen der 30er-Jahre verhaftet, und spätestens mit dem Beginn der 40er ist der Stil Hollywoods eine Ecke nüchterner und kantiger geworden. Die verspielten Szenen im Casino waren da nicht mehr unbedingt zeitgemäß, genauso wenig wie die Szenerie von Luxus und Verschwendung. Vor meinem geistigen Auge zieht DIE SPUR DES FALKEN aus dem gleichen Jahr vorbei, und zwischen diesen beiden Filmen liegen stilistische und narrative Welten. DIE SPUR DES FALKEN ist auch heute noch ein mitreißender und packender Kriminalfilm, der mit genauen Figurenzeichnungen und stimmungsvollen Ambiente so wie einer interessanten und wendungsreichen Geschichte Spannung erzeugt. Und genau da liegt der Hund begraben: ABRECHNUNG IN SHANGHAI bietet genau diese Dinge eben nicht: Die Figuren sind tatsächlich unsympathisch und nebulös (um nicht zu sagen schleierhaft), das Ambiente ist übertrieben, und die Geschichte nicht wirklich interessant und schon gar nicht wendungsreich, sondern eher ziemlich vorhersehbar. Momente wie die Mädchen in ihren Käfigen sind zensurbedingt einfach zu kurz um Atmosphäre zu erzeugen, und der verhangene Blick von Victor Mature reißt es da genauso wenig heraus wie das wunderschöne Gesicht der träumerischen Gene Tierney oder die starre und undurchdringliche Maske von Ona Munson.
Was in Summe dann leider etwas ergibt, was dem Terminus verschwendete Lebenszeit relativ nahe kommt. Schade, denn ohne die Einmischung der Zensurbehörde hätte da sicher ein Klassiker draus werden können. Ein Remake von Paul Verhoeven wäre was …