Review

„Er muss natürlich noch sterben.“

Wolfgang Beckers („Good Bye, Lenin!“) bis dato jüngster Film „Ich und Kaminski“ aus dem Jahre 2015, eine Verfilmung des (mir unbekannten) gleichnamigen Romans Daniel Kehlmanns, ist eine Mischung aus Dramödie und Satire auf den Kunstbetrieb, versetzt mit Roadmovie-Elementen. Der Film entstand in deutsch-belgischer Koproduktion.

„Da rollt ein Kaminski-Zug auf uns zu!“

Der ebenso ehrgeizige wie überhebliche Kunstkritiker Sebastian Zöllner (Daniel Brühl, „Der ganz große Traum“) hat es in seinem Beruf bisher kaum zu Erfolg gebracht und lässt sich von seiner Freundin Elke (Jördis Triebel, „Die Päpstin“) aushalten. Dies soll sich mit seinem neuen Projekt ändern: Er will die Biografie des altgewordenen und erblindeten Malers Manuel Kaminski (Jesper Christensen, „Casino Royale“) verfassen, von dem er annimmt, dass er nicht mehr lange leben wird – und ihn der Lüge überführen, denn er glaubt nicht an Kaminskis Blindheit. Zunächst scheitern seine Versuche, an den zurückgezogen in den Schweizer Alpen lebenden Kaminski heranzukommen, dessen Tochter Miriam (Amira Casar, „Michael Kohlhaas“) den Künstler vor schädlichen äußeren Einflüssen weitestgehend abschottet. Als es ihm mithilfe unlauterer Methoden doch noch gelingt, Kaminski ohne Aufpasserin Miriam zu treffen, eröffnet er ihm, dass dessen alte Muse und Jugendliebe Therese (Geraldine Chaplin, „Wolfman“) noch lebe, und macht sich mit ihm zusammen auf dem Weg zu ihr…

„Gleich kommt das Millionenspiel!“ (Eine Anspielung auf Tom Toelles böse TV-Satire?)

Der Prolog ist eigentlich ein vorangestellter Epilog, denn er setzt mit dem Tode Manuel Kaminskis ein, der erst nach dem Ende der Handlung eingetreten ist. Vermittelt wird dieser in Form von Fotos und Bewegtbildern aus Kaminskis Leben sowie Aussagen seiner Weggefährten und sogar Fotomontagen, die Kaminski mit berühmten Persönlichkeiten zeigen, im Stile eines dokumentarischen Nachrufs. Das ist mit viel Verve umgesetzt und beweist schelmischen satirischen Humor. Zöllner, gespielt von einem bärtigen Brühl, lernen wir, auch über seinen eigenen Off-Kommentar, als unsympathischen und zynischen Egomanen kennen, der wie eine Karikatur peinlicher Flitzpiepen der Springer-Presse wirkt. Zugleich werden sowohl Kunstbetrieb als auch Literaturbranche aufs Korn genommen. Die in Kapitel unterteilte Handlung kostet zudem ein wenig den Kultur-Clash zwischen der BRD und der ländlichen Schweiz aus, bevor es nach Frankreich geht. Französische Dialoge werden untertitelt.

Auch nach dem Prolog arbeitet Becker mit netten visuellen Effekten. So werden kleinere Zeitsprünge integriert, indem Zöllner auf seinem Diktiergerät zurückspult und damit auch die Bilder bis zum Zeitpunkt des jeweiligen Gesprächs zurücklaufen. Schön auch, wie ein ehemaliges Aktmodell Kaminskis in ein junges Modell zurückverwandelt und schließlich zum Gemälde wird. Auch Zöllners Fantasien werden verbildlich, z.B. Sex mit Kaminskis Tochter. Auf ihrer gemeinsamen Reise gerät Zöllner fast ausschließlich an Bekloppte, was leider ab einem gewissen Zeitpunkt ein bisschen beliebig wirkt. Generell zieht sich die Handlung umso mehr, je stärker Drama und Melancholie Einzug halten. Das scheint mir Becker hier nicht ganz zu liegen, der Film leidet unter Timing-Problemen und wird auf Dauer ein bisschen langweilig. Und manch schwerverständliches Sprachwirrwarr wirkt dann auch eher enervierend denn komisch.

Klar, Zöllner macht an der Seite Kaminskis eine gewisse (wenn auch minimale) Entwicklung durch, aber wer geduldig auf eine überzeugende Moral oder Pointe wartet, dürfte sich am Ende enttäuscht sehen, denn der Film endet – offenbar beabsichtigt – im Nichts. Dass Zöllner sein Ziel nicht erreichen würde, war von vornherein abzusehen. Die Konsequenz daraus ist, dass „Ich und Kaminski“ mit all seinen Spielereien, Sticheleien und satirischen Anwandlungen bei gleichzeitigen erzählerischen Schwächen und der Verweigerung eines Höhepunkts im finalen Akt ähnlich selbstverliebt erscheint wie das, was er durch zuspitzende Verballhornung kritisiert. Oder sich nicht traut, die Literaturvorlage kinotauglicher abzuändern.

Es existierte übrigens tatsächlich ein deutscher Maler namens Max G. Kaminski, der mit dem hier Porträtierten jedoch bis auf den Familiennamen nichts gemein haben dürfte.

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