Bei Risiken & Nebenwirkungen, erschiessen Sie Ihren Apotheker
Seit dem ersten kurzen Clip aus dem damals noch simpel als "POV-Action" betitelten Filmchen aus Russland, habe ich den Werdegang dieses "Videospiel"-Films mit höchstem Interesse verfolgt. Nach 3 Jahren Entwicklungszeit, sicher etlichen lädierten Stuntmen, kaputten GoPros & blank liegenden Nerven, kommt der Film nun weltweit in die Kinos, nachdem er schon auf sämtlichen Filmfestivals die Mengen rockte. Bei dem normalen Publikum wird es "Hardcore" zwar etwas schwerer haben, erst recht bei seriösen Kritikern, & volle Kinosäle bleiben leider aus - trotzdem ist er der Film der Stunde, in Zukunft Kult & ein neuer Fixstern am Actionhorizont, wie es ihn seit den "Raid"s wohl nicht mehr gegeben hat.
Für Gamer ein Traum, für Actionfans ein Muss, für Sci-Fi-Heads ein Schmankerl, für harte Typen ein Genuss. Noch dazu ein auf technischer Ebene so versierter & mutiger Adrenalinstoss von Film, dass man sich nach dem Kinobesuch schon fast etwas müde & geschlaucht fühlt. Aber glücklich. Sowas hat man noch nie gesehen & der POV-Einsatz in dieser exzessiven Art & Weise, ohne Kompromisse, wird weite Wellen schlagen, da bin ich mir sicher. Vielleicht nicht so wie "Avatar" es mit 3D gemacht hat, aber in Sachen harter Action & weiterer Möglichkeiten, gerade im VR-Bereich, spielt diese Granate schon weit oben mit. Ein Partyfilm en excellence.
Die Story ist simpel & unterstützt darin nur die Assoziationen mit Videospielen, von "Call of Duty" bis "GTA" oder "Hitman": Henry wacht als eine Art Cyborg auf & sieht sich einem Bösewicht mit telekinetischen Fähigkeiten gegenüber, der seine Frau kidnapped & eine Art böse Cyborg-Armee bauen will. Kurz, knapp, knackig, aufs Wichtigste reduziert. Manchmal hätte ich mir etwas mehr Substanz & Hintergründe gewünscht, vor allem zu Henry selbst, aber es hätte alles auch noch viel hohler & empathieloser sein können. Als eine Mischung aus Rambo & Robocop, gibt es genug Anleihen aus Klassikern des Actiongenres & man ist auf dem besten Weg, selbst dorthin. Am ehesten noch mit den "Crank"-Filmen vergleichbar, ist "Hardcore" ein eigenes Ding, was es so noch nie gab.
Intensiv, ultrabrutal, schnell. Manchmal schon zu schnell, da nervt vor allem anfangs etwas die wackelnde Kopfkamera. Nach einer gewissen Eingewöhnung ist man aber drin - mehr "drin" geht nicht. Für empfindliche & ältere Herrschaften ist das alles sicher zu schnell, zu hohl & zu migränefördernd. Besser weiter nach hinten setzen, dann wird nicht nur das, leider oft sehr unscharfe Bild besser, sondern auch das Kopfweh weniger. Gamingerfahrung schadet sicher nicht, hilft sogar so manch einen Insider zu verstehen, der ganz klar beweist, was für massive Fans von Videospielen die Macher des ungewöhnlichen Feuerwerks sind.
"Hardcore Henry" hätte ein ermüdendes Experiment werden können - war es bei mir zum Glück nicht. Klar ist er ganz auf übertriebene Gewalt, Spaß & aberwitziges Tempo ausgelegt, unterlegt mit treibendem Techno oder sogar coolen Klassikern - das Gesamtpaket hat mich jedoch einfach beeindruckt. Restlos, maßlos & alle Erwartungen erfüllend. Es gibt etliche actionreiche Schauplätze, von der Landstraße über ein Bordell bis zum vollkommen am Rad drehenden Finale, auf dem Dach eines Hochhauses gegen dutzende Russen-Roboter - mehr Abwechslung geht kaum, selbst wenn er sich manchmal wiederholt & kurz vorm ermüden steht. Diese Grenze übertrat er bei mir zum Glück nie.
Die Darsteller sind voll bei der Sache & hängen sich rein - allen voran Sharlto Copley in einer Mehrfachrolle. Sein Jimmy bringt Auflockerung & Herz an den Tisch, sorgt für coole Sprüche, Drogen, Frauen & etliche Momente, in denen man vor lauter Lachen fast den nächsten detaillieren Headshot verpasst. Der Bodycount hört nicht auf, man erkennt etliche Shooter-Spielmodi wieder. Spassiger als das beste Let's Play Video, von Filmen zu echten Videospielen ganz zu schweigen. Ein hammerhartes Highlight 2016, aber nicht für jedermann.
Fazit: ein Film wie ein spaßiger Schlag in die Fresse - ob du oder er zuschlägt, hängt ganz von dir ab ;). Ist er zu hardcore, bist du zu weich. Kleine Action-Revolution aus Russland, die ganz Hollywood alt aussehen lässt. Außerdem eine gelungene Hommage an Egoshooter, Stuntmen & das komplette Actionkino. Einfach nur wow!