In einem fiktiven Japan nach dem Zweiten Weltkrieg sieht sich die Führung mit sie bekämpfenden Gruppierungen konfrontiert. Demonstrationen und Anschläge sind an der Tagesordnung. Nach der Gründung einer neuen Einheit zur Eindämmung dieser Aufstände entstehen hierin weitere Organisationen, sodass der von Hiroyuki Okiura inszenierte Anime streckenweise etwas wirr wirkt und Konzentration erfordert. Innerhalb dieser Geschichte um sich gegenseitig beharkende Abteilungen der politischen und exekutiven Kaste steht der zur Spezialeinheit gehörende Kazuki Fuse im Mittelpunkt. Sein letzter Einsatz hat ihn traumatisiert, als sein Zögern einer Selbstmordattentäterin eine explosive Gelegenheit gab. Dass er später deren Schwester kennenlernt und aufgrund seines Verhaltens wieder auf die Akademie geschickt wird ist nur ein Puzzlestück in der Erzählung.
Diese nimmt sich der politischen Zustände an wie auch der Gesellschaft und dem Widerstand gegen die Besatzung. Im Kern ist „Jin-Roh“ aber eine Betrachtung verschiedener Personen, ihrer Motivationen und insbesondere ihrer Zwänge. Dies gelingt Okiura nach der Vorlage von Mamoru Oshii mit teils gemächlichem Tempo, viel Düsternis in Bild und Ton und mancher Gewaltspitze. „Jin-Roh“ ist ein Anime für ein erwachsenes Publikum und ebenso bebildert ist diese Welt und sind es die Charaktere.
Das Einbinden des Märchens vom Rotkäppchen (in einer abgewandelten Form) und das wenig eindeutige Umreißen von Begriffen wie Gut und Böse können beim Verfolgen der Geschichte irritieren. Oder es kann dem Szenario mehr Tiefe geben. Manch vage Andeutung lässt sich leicht entschlüsseln und sicherlich trägt es zur Atmosphäre bei, die das Werk spürbar besitzt, was auch durch die vielen nächtlichen oder in zumindest wenig beleuchteten Szenen erzeugt wird.
Die Animationen sind chic und überwiegend handgezeichnet, da bietet „Jin-Roh“ viele ansprechende Sets. Gerade die reduzierten Lichtverhältnisse liefern schöne Ansichten, da gefiel mir das Design der menschlichen Figuren streckenweise doch merklich weniger.
„Die Tiere haben ja vielleicht ihre eigenen, ganz anderen Geschichten.“
Machtverteilung und -erhalt spielen in „Jin-Roh“ eine zentrale Rolle. Die politische und gesellschaftliche Ebene betrachtend kümmert sich der Anime um seine Hauptfiguren und deren Schein und Sein. Alles Zutaten für einen spannendes Thriller-Drama. Dennoch packt mich das Werk letztlich nicht so sehr, wie es die Einzelteile vermuten lassen. Was auch an der Gewichtung liegt. Mehr auf die Figuren bedacht und auf den gesellschaftlichen Aspekt, weniger Hinterzimmergerede von den Parteien der Exekutive – das wäre für mich interessanter gewesen. Ebenso ein detaillierteres Umreißen der Welt abseits der Hauptfiguren. Dennoch ist „Jin-Roh“ ein sehenswerter, ernsthafter Vertreter seines Genres, den man mal gesehen haben sollte.