Es ist nicht verwunderlich zu sehen, warum Jackie Chan in letzter Zeit als Regisseur für seine Projekte vermehrt auf Ding Sheng zurückgegriffen, und diesen noch relativ jungen an Jahren und Karriere als Aufstrebenden für die eigene Filmographie benutzt hat. Ding hat sich spätestens seit The Underdog Knight [ 2008 ] als Autor, Editor und eben Regisseur gerade für China vergleichsweise moderner Werke in Inhalt und Ausdruck hervorgetan und schafft auch am Ehesten die Überbrückung zwischen dem einst zutiefst kommunistischen, jetzt stark in den Kapitalismus herübergerückten Mutterland und einer auch international ansprechenden Aktualität, die ihre Wurzeln in der Volksrepublik China aber nicht verleugnen will und auch nicht verleugnen kann. Dabei hat man auch den Eindruck, Chan nutzt den Filmemacher für seine Zwecke vielmehr als andersrum, und setzt dieser den Star nur als Sprungbrett für den Verkauf seiner Vehikel, nicht zwangsläufig in dessen Methodik und wenn dann nur gewinnbringend für die persönlichen Zwecke ein. Ein gegenseitiges Abkommen, dass mit Little Big Soldier [ 2009 ] begann und mit Police Story 2013 [ 2013 ] fortgeführt wurde, wobei demnächst Rail Road Tigers [ 2016 ] ansteht und von den vielen neuesten Arbeiten des ehemaligen Kung Fu Darstellers noch am vielversprechendsten wirkt.
Dabei stand bisher vor allem Police Story 2013 im Mittelpunkt des Interesses und auch der Aufregung, was nicht zuletzt an der Verwendung des ikonographischen Titels und der damit verbundenen vermeintlichen, nicht tatsächlichen Fortführung einer bereits legendären Filmreihe, und der Enttäuschung dessen lag. Abseits aller Eigenschaften und Qualitäten, die der Film aufweist und teilweise eben auch wieder nicht, entsprach man so gar nicht der Erwartung und hat vor allem mit dem einstigen HK-Kino der Achtziger und frühen Neunziger noch nichts mehr gemein. Vielmehr erinnerte man in manchen Szenen an die einheimische Welle entsprechender Genrearbeiten des Mainland-Polizeifilmes um 1990 herum, nur technisch auf höchsten Niveau, was ein komplett anderer Ansatzpunkt, mehr auf Sprödigkeit, Trockenheit und Kälte und im direkten Vergleich auch auf Naturalismus (nicht unbedingt Realismus) bezogen ist.
Saving Mr. Wu wählt den gleichen Weg, und hat auch viel mit dem Vorgänger gemein, was vor allem an der Erzählweise, dem Springen vor und zurück und Hin und Her statt der Linearität, und zusätzlich auch wieder den Einschüben von imaginisierten Vorstellungen, dies zumeist als das Einbringen von Actionszenen liegt:
Bei dem Verlassen eines Restaurants in Begleitung seines Managers wird der berühmte Schauspieler und Sänger Wu [ Andy Lau ] von vermeintlichen Polizisten aufgehalten, und, nachdem er nach legitimen Ausweispapieren gefragt hat, gewaltsam von diesen entführt. Der Coup ist von langer Hand von Zhang Hua [ Wang Qianyuan ] geplant, der sich zuvor bereits bei mehreren anderen Opfern bedient und sich dieser selbst nach dem Bezahlen von Lösegeld entledigt hat. Hierbei ging allerdings einiges schief, nicht nur, dass man zuvor fälschlicherweise den scheinbar ebenso Schwerreichen Dou [ Cai Lu ] aufgrund des Fahrens eines teuren Sportwagens aufgegriffen und erst im Nachhinein festgestellt hat, dass dies gar nicht sein Wagen war und keine Beute zu erwarten ist. Außerdem hat man bereits die Polizei unter Führung von Captain Cao Gang [ Wu Ruofu ] und dessen Assistenten Xing Feng [ Liu Ye ] am Hacken, da Wus Kontakt Su [ Lam Suet ] direkt nach dem Kontakt mit den Kriminellen die Obrigkeit informiert hat. Nun läuft nicht nur der Countdown für den Gesetzeshüter, sondern vor allem auch die Frist für das Überleben von Wu rapide ab.
Dabei erhält man den Eindruck einer gleichbleibenden, im Gesamtkontext allerdings verbessernden Identität schon von Beginn an, stimmt schon die erneut in Straßengewirr, nächtliche Lichtreklamen und einer gewissen anstrengenden Geselligkeit gehaltene Titelsequenz, deren Bilder auch stets wiederholt werden, auf das folgende Treiben an Sich-, Observierungs-, Verfolgungs- und Befragungsaktionen ein. Obwohl geboren in Qingdao in der Shandong Province und damit das Großstadttreiben gewohnt, scheint der Regisseur mit dem Umfeld eher zu fremdeln und dies selber als Hort von Gefahren, auch von Anonymität und Entfremdung und einer zunehmenden Gewaltspirale zu sehen. Die rasche Entführung, eine von vielen übrigens nur, findet ohne erzählerischen Vorlauf, ohne Vorwarnung und auch noch unter der vermeintlichen Autorität der Polizei, und so mit einer widersprüchlichen Machtkontrolle statt. Was Echt ist und was Falsch, und wie schnell man – in einer Stadt, die vor Menschen schier erstickt – in Gefahren geraten kann, in denen es um Leib und Leben und um den Tod geht, stellt die Handlung als Motiv der Szenerie voran, und beschäftigt sich folgend in sprunghaften Eindrücken damit, die letztlich ein großes Gesamtbild ergeben, dass alsbald eher an emotionaler Negation als an Zusicherung von Gesetz und Ordnung gewinnt.
Das Herausreißen aus dem normalen Leben und seinem Alltag hat hier getreu seiner Funktion auch tatsächlich etwas zutiefst Bedrohliches, was das anschließende Frage-/Antwortspiel, dass aus einer Salve von gegenseitigen Hauptsätzen besteht, nicht zu einem rein Katz-und-Mausspiel, sondern wahrhaftig um die Existenz und die eigene Werte im Leben, Geld auf der einen Seite und das Leben selber auf der anderen macht. Dabei erscheint die Polizei trotz massig Manpower und erster schneller Fahndungserfolge der Vorbereitung und vor allem auch der Skrupellosigkeit und Brutalität der Gangster gegenüber machtlos; was wesentlich widriger und für die Inanspruchnahme des Zuschauers auch adäquater als bspw. (der dennoch gelungene) Crime Story [ 1990 ] um die Entführung und den Tod von Teddy Wang Tei-hue ist. Hier wie dort (oder auch in Operation Billionaires [ 1998 ] bzw. Big Spender [ 1999 ]) wird auf reale Ereignisse eingegangen, wobei die Hintergründe natürlich fiktionalisiert werden, das Geschehen selber in dieser Ausgestaltung dennoch seinen einschüchternden Charakter nicht verliert. (Sowieso erscheint der Film zuweilen als willkommenes Update des mittlerweile verschollenen Kirk Wong.)
Auflockerungen finden durch tatsächliche Actionszenen, da hauptsächlich Razzia + Verfolgungsjagd statt, und durch einige Szenen von Phantasierten Vorstellungen bzw. einem Was-wäre-wenn, ähnlich von Gedankengängen statt, in dem die Geisel nicht nur versucht, ein in der Nähe stehendes Gewehr zu ergreifen, sondern dies tatsächlich schafft und dann erst mal wild um sich schießend die Kriminellen aus dem Fenster raus bläst. Auch der Verbrecher bekommt seine frei erfundene Szene, in der er einen wilden Bankraub mit Maschinengewehrkugeln Allerortens und vor allem in die Körper der überrannten und chancenlosen Wachmannschaften zusammenfabuliert.