Review

Nichts ist stärker als die Wahrheit

Gesellschafts- & systemkritische Filme sind momentan in Mode - und das ist auch gut so! Denn was ist schon grausamer, unvorstellbarer & schockierender als unsere reale Welt? Kein Wunder, dass uns kein Horrorfilm mehr wirklich schockiert... Genauso wie "The Big Short" schon dem verrückten Finanzsektor zwischen die Beine getreten hat, nimmt es "Spotlight" mit dem anderen, aber ebenso verfaulten & korrupten Ende unserer Gesellschaft auf - dem Klerus, in Form der fast allmächtigen katholischen Kirche. Beruhend auf wahren Begebenheiten, wird die Geschichte einer Sondereinheit der Zeitung "The Boston Globe" erzählt. Dieses engagierte & verbissene Spotlight-Team versuchte monatelang Vergewaltigungen von Priestern an Kindern in Boston zu beweisen, und musste nach & nach feststellen, dass es sich keinesfalls um Einzelfälle handelt & eher ein weltweites "Problem" der Kirche ist & diese alles tut, um es zu vertuschen...

Der Film bricht einerseits ganz nüchtern & unspektakulär erzählt eine Lanze für den Journalismus, andererseits schockiert er mit einem Thema, was uns alle betrifft, direkt vor unseren Augen passiert & ganz klar aufzeigt, wie leicht wir unsere Augen verschließen oder nicht sehen wollen. Kindesmissbrauch ist immer ein schockierendes, Urängste treffendes Thema - wenn es jedoch fast systematisch in einer unserer gesellschaftlichen Säulen passiert & auch noch verschleiert wird, hat das aber natürlich nochmal ganz andere Dimensionen. Und da wundert sich die Kirche, warum immer mehr austreten? Und da wundern sich Leute, warum Menschen schon längst aufgehört haben zu glauben? Sowohl an die Gesellschaft, die Kirche oder unsere Führungselite? Filme & Ereignisse wie diese rütteln auf, machen aber auch fast bis zur Verzweiflung traurig, da sie zeigen, wie viel verborgen bleibt & das die meisten von uns nur unbedarft an der Oberfläche leben, über so viel Schmutz, Schuld & Schande. 

Klar & akzentuiert erzählt, behandelt "Spotlight" ein komplexes Thema verständlich & ein hervorragendes Script bringt den ganzen Skandal treffend auf den Punkt. Ein engagiertes Ensemble von dem man sonst nur träumen kann, setzt dann den Rest originalgetreu um. Jeder der Darsteller versinkt in seinem Charakter & selbst Stars wie Ruffalo oder Keaton vergisst man, man sieht nur noch die Journalisten. Ganz große Kunst & jede Auszeichnung wert - am stärksten jedoch als Ganzes & Team, genauso wie ihre Vorbilder, mit denen spürbar eng zusammengearbeitet wurde. Daher ist es auch kaum verwunderlich & sehr verdient, dass der spektakulär-unspektakuläre Film kaum individuelle Oscars gewann, dann aber den wichtigsten als bester Film. Für mich vielleicht nicht der beste Film des Jahres, aber einer der wichtigsten. Da zittert man sich seinen Weg schonmal aus dem Kino - egal ob gläubig, kritisch oder einem die Kirche ganz egal ist. Immer wieder faszinierend & seltener werdend, wie ein Film mit über 2 Stunden nur, meist sogar sehr ruhigen, Dialogen, so fesselt & dynamisch mitreißt. In der Mitte gibt es vielleicht eine längere Schwächephase in der sich auch ein paar mal etwas wiederholt & etwas mehr stilistische Kniffe wären schön gewesen & hätten Abwechslung in die graue & nüchterne Optik gebracht - aber so ist das Journalistenleben halt, dies ist einer der bewussten Stilmittel des Films & ein Soundtrack wie ein bedrohlicher Tropfen (auf den heißen Stein), entschädigt mehr als genug. Spätestens wenn am Ende die Liste mit weltweiten Städten eingeblendet wird, in denen es Vorfälle gab, ist man konstaniert & schluckt einen dicken Kloß.

Fazit: aufwühlender & schockierender Investigations-Thriller ganz im Geiste von "Die Unbestechlichen", der eine ganz faule Stelle unseres System aufzeigt & zum Nachdenken anregt. Bedacht, clever, packend.

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