„Bei Weihnachten geht es doch um Vergebung und Familie und Tradition! Wenn man nur daran glaubt und die Magie zulässt, dann... dann erfüllt sie dich!“
Auch die Untergattung des Weihnachtshorrorfilms hat nun ihren Episodenfilm: Die US-Produktion „A Christmas Horror Story“ aus dem Jahre 2015, umgesetzt vom Regio-Trio Grant Harvey („Ginger Snaps III: Der Anfang“), Steven Hoban („Darknet“) und Brett Sullivan („Ginger Snaps II: Entfesselt.“) – zwei der „Ginger Snaps“-Regisseure also zusammen mit einem Neuling seines Fachs, der jedoch als Produzent in Erscheinung trat – u.a. auch jener „Ginger Snaps“-Filme sowie des „Black Christmas“-Remakes. Es handelt sich um eine Direct-to-DVD/Blu-ray/VoD-Produktion, die ihren „Ginger Snaps“-Bezug auch im fiktionalen Handlungsort verdeutlicht, der aus eben jener Trilogie bekannt ist.
„Ich saug‘ dir dein dreckiges Gehirn aus, du Weihnachtsfotze!“
An Weihnachten führt Radiomoderator Dangerous Dan (William Shatner, „Raumschiff Enterprise“) in der US-Kleinstadt Bailey Downs durch das Rundfunkprogramm und betrinkt sich, während die Studenten Dylan (Shannon Kook, „Dirty Singles“), Ben (Alex Ozerov, „Coconut Hero“) und Molly (Zoé De Grand Maison, „Bad Hair Day“) sich zwecks heimlichem Dokumentarfilmdrehs Zutritt zu ihrer alten Schule verschaffen, in der ein Dämon sein Unwesen treibt, der Krampus (Rob Archer, „Kick-Ass 2“) es auf eine heuchlerische Familie abgesehen hat, einem Paar (Olunike Adeliyi, „Saw 3D – Vollendung“ und Adrian Holmes, „Schrei, wenn Du kannst“) beim Baumschlagen ein unheimliches Wechselbalg (Orion John) untergejubelt wird und der Weihnachtsmann (George Buza, „Das Gehirn“) höchstpersönlich gegen seine zombifizierten Elfen splattern muss – gnadenbringende Weihnachtszeit? Nicht in Bailey Downs…
„A Christmas Horror Story“ ist wie ein blutbesudelter bunter Weihnachtsteller: Abwechslungsreich und hübsch durcheinander, denn die einzelnen Geschichten werden nicht nacheinander, sondern abwechselnd stückweise erzählt, was ich so bisher kaum kannte, hier aber ausgesprochen gut funktioniert. Dangerous Dan wird von seinem weihnachtshassenden Kollegen Norman im Studio alleingelassen und ist fortan für so etwas Ähnliches wie die Rahmenhandlung zuständig, die mit ihrem Radio-Setting angenehm an „The Fog“ o.ä. erinnert. Nun bin ich alles andere als ein Trekkie, schätze Shatner aber für seine Fähigkeit zur Selbstironie und dafür, sich auch immer mal wieder für Horrorfilme zur Verfügung zu stellen. Elf Shiney (Ken Hall, „Patch Town“) jedenfalls erleidet nicht nur einen einfachen Weihnachtswerkstattkoller, wie es zunächst den Anschein hat, sondern zombifiziert, infiziert alle Kollegen und führt Krieg gegen den Weihnachtsmann, der sich sehr erfolgreich zur Wehr setzt, so dass ein wahres Blutbad seinen Lauf nimmt.
Während jene Episode noch in Richtung schwarzen, makabren Humors tendiert, verschlägt es die Studenten in ein waschechtes Haunted House. Hintergrund ihrer dokumentarfilmerischen Tätigkeiten sind zwei Mordfälle vom letztjährigen Weihnachtsfest und tatsächlich stoßen sie auf einen verlassenen Gebäudeteil, der ehemals zu einem Kloster gehörte. Diese Episode arbeitet mit Versatzstücken des Found Footage sowie mit Jump Scares, erzählt vor allem aber eine fiese Geschichte, die mit ein wenig Abstraktionsvermögen fast als zynische, blasphemische Allegorie auf die klassische Krippengeschichte aus der christlichen Mythologie betrachtet werden kann.
Sogar noch etwas gruseliger ist die Geschichte um das Wechselbalg, also das unbemerkte Austauschen eines Kinds gegen einen ihm äußerlich gleichenden Dämon. Kinder können ja so gruselig sein, insbesondere, wenn sie plötzlich nicht mehr sprechen, aber über übernatürliche Fähigkeiten verfügen und ausgesprochen aggressiv werden. An Weihnachten wirkt manch Kind wie ausgewechselt und nach dem Fest werden häufig Geschenke umgetauscht – möglicherweise verknüpfte man diese beiden Aspekte für den Rückgriff auf den Wechselbalg-Mythos und dessen Inbezugsetzung zum Weihnachtsfest…
Leben die beiden letztgenannten Episoden in erster Linie von ihrer unwohligen Gruselstimmung, geht es beim Krampus wieder blutig zu. Der gehörnte, hierzulande gar nicht allzu bekannte (jedoch 2015 von Michael Dougherty in Szene gesetzte) Unhold des Nikolaus‘ sieht imposant aus und wird zum Mittelpunkt der moritatischsten, moralischsten Episode des Films, die die Auslöschung einer ganzen wenig intakten Familie vorsieht. Der fast vergessene Bestrafungskult, der dem Weihnachtsfest durch Knecht Ruprecht, den Weihnachtsmann als Quasi-Symbiose aus Nikolaus und Ruprecht und eben den Krampus innewohnt, wird hier einmal konsequent durchexerziert und damit an den brutalen Teil der Mythologie erinnert. Die eine oder andere Episode wird zum Filmende schließlich überraschend zusammengeführt und wartet mit einer unvorhersehbaren Wendung und Pointe auf, bevor die Punkband „The Snots“ die ihnen eigene Interpretation von „Jingle Bells“ im Abspann zum Besten geben darf.
Der stilistisch wie so viele Episodenfilme an Horror-Comic-Verfilmungen erinnernde „A Christmas Horror Story“ bietet klassische Genre-Unterhaltung der gehobenen, weil gemütlichen und ungemütlichen Art zugleich und geht in Sachen Schauspiel und Ausstattung voll in Ordnung. Das Kamerateam darf sich mit einigen coolen Kamerafahrten und -perspektiven beweisen und die fünf Drehbuchautoren verderben nicht etwa den Plätzchenteig, sondern liefern den Rohstoff, aus dem die Regisseure mitunter sogar richtig spannende, sich Zeit nehmende Kurzfilme machen, deren Gruselgehalt letztlich auch höher ausfiel, als ich zuvor angenommen hatte. Rundum gelungen. Freue, freue dich, O Christenheit!