London, Mitte der 1960er Jahre. Die Kray-Zwillingsbrüder sind die ungekrönten Könige der Unterwelt des East End, denen selbst Scotland Yard nichts anhaben kann. Reginald („Reggie“) ist der smarte, geschäftsmäßig denkende Edel-Gangster und Brüderchen Ronald („Ronnie“) ein durchgeknallter Psychopath, dem man seine Schizophrenie leider nie wirklich attestieren durfte. Und weil Reggie seinen Bruder mit illegal besorgten Pillen quasi ruhig stellt, laufen die Geschäfte der beiden perfekt und selbst ein Sprung ins bürgerliche Leben scheint durch die Übernahme lukrativer Clubs jenseits der Themse möglich. Als Reggie jedoch eine alte Strafe absitzen muss, reißt der nun allein agierende Ronnie alles nieder, lebt seine Homosexualität sogar mit Mitgliedern des Oberhauses aus und bringt so selbst höchste Regierungskreise gegen die Krays auf…
Der Titel ist Programm, denn die Krays sind für London das, was Al Capone für Chicago war: eine Legende. Und zu einer Legende könnte auch Tom Hardy werden, denn seine Auftritt in der Rolle beider Brüder (immer geschickt per Schnitt gelöst bzw. mit perfektem Double, selten aber dann perfekt per CGI in einer Einstellung) ist eine Glanzleistung, die ihresgleichen sucht (vgl. auch die jüngst erschienene TOM HARDY EDITION mit „Bronson“, „Dame König As Spion“ und „No Turning Back“) Körper- und tatsächliche Sprache, Mimik oder Gestik – hier sieht man wirklich zwei verschiedene Typen von Mensch: die oben näher beschriebenen, ach so ungleichen Kray-Zwillinge. Mit diesem schauspielerischen Pfund vor der Kamera war es für Regisseur Brian Helgeland ein leichtes, mit „Legend“ nicht nur ein schillerndes Sittenbild der Londoner Unterwelt der 1960er Jahre mit all den verrauchten Bars und Clubs zu zeichnen sondern auch ein zu Beginn des Niedergangs einsetzendes Porträt der Krays, das intimer wirkt als alle bisherigen Verfilmungen über die Beiden. Ob dies daran liegt, dass Helgeland „Legend“ aus der Sicht der Reggie hass-liebenden Frances Shea (zerbrechlich: Emiliy Browning) erzählt und somit mehr Familiy-And-Love-Interest verarbeitet als klassische Gangster-Action, sei dahingestellt: auf jeden Fall gerät „Legend“ dadurch aber zu einem sehr geschickt erzählten britischen „Der Pate“-Pendant, einem allumfassenden Blick auf eine Ära und auf die Krays, die ähnlich wie die Corleones familiäre Höhen und Tiefen, gewiss aber auch menschliche Abgründe kennen. Dass Brian Helgeland, der auch das „Legend“-Drehbuch mitverfasste, aber nie ganz die professionelle Finesse eines Francis Ford Coppola oder Martin Scorsese erreicht, liegt daran, dass er zu keiner Minute Zweifel darüber aufkommen lässt, wie faszinierend er die Kray-Brüder fand, und ihm dadurch tatsächlich bekannte Charakterzüge gerade bei dem „positiv“ besetzten Reggie schlichtweg entfallen – was nicht nur Biografen sehr schade finden. Und dennoch: „Legend“ spielt unzweifelhaft in der Liga großer Gangster-Epen, wie z. B. „Casino“, mit, die nicht unbedingt das Verbrechen an sich in den Vordergrund stellen sondern die Geschichte und die Menschen, die dahinterstecken. Bildformat: 2,35:1. Des weiteren mit Paul Anderson, Christopher Eccleston, Colin Morgan u. a.
© Selbstverlag Frank Trebbin