Der 11. September 2001 ist zum Synonym einer Katastrophe geworden, die die USA wie nichts zuvor in ihren Grundfesten erschütterte und die die weltpolitische Entwicklung eines gesamten Jahrzehnts grundlegend beeinflusste. Es war natürlich nur eine Frage der Zeit, bis dieses Ereignis Thema eines Films werden würde, und tatsächlich dauerte es nicht einmal ein Jahr, bis die ersten Filmemacher sich dessen annahmen.
"11"09"01 - September 11" ist einer der ersten und dürfte der bis heute beste Beitrag zur Bewältigung des größten Terroranschlags in der Geschichte der westlichen Welt sein. Schon der Vorspann erklärt umfassend das Prinzip: Elf Regisseure aus elf Ländern haben je eine Episode gedreht, ohne formale Bestimmungen, mit völliger künstlerischer Freiheit - von einer Ausnahme abgesehen: Jeder Kurzfilm sollte genau elf Minuten, neun Sekunden und ein Bild lang sein.
Bei Episodenfilmen, die von unterschiedlichen Regisseuren zusammengesetzt werden, ist stets die Gefahr groß, nicht unerhebliche qualitative Differenzen in den einzelnen Beiträgen zu erhalten. So ist es auch hier der Fall. Sowohl was den Inhalt als auch was die Inszenierung oder die Schauspielerführung anbelangt, tun sich mitunter Abgründe auf zwischen den verschiedenen Episoden. So wirkt der ägyptische Beitrag ein wenig wirr und unverständlich in seinem Bemühen, die Terroranschläge durch die Augen eines in Israel gefallenen US-Soldaten zu kommentieren, während die Metaphorik des japanischen Films klar wird (wenn auch erkauft durch eine etwas zu platte Auflösung): Hier geht es um einen japanischen Soldaten, der aus dem Zweiten Weltkrieg mit der Wahnvorstellung zurückkehrt, er sei eine Schlange. Fazit dieses Fallbeispiels: "Kein Krieg ist heilig!"
Doch die meisten Episoden überzeugen: Ob es um afghanische Flüchtlinge im Iran geht, die Angst davor haben, dass die USA eine Atombombe auf sie abwerfen, oder um einen Selbstmordanschlag in Tel Aviv, der durch die Gleichzeitigkeit der New Yorker Anschläge völlig untergeht - meist zeigen die Beiträge diskussionswürdige Ideen zum Umgang mit dem Terror und seinen Folgen. Es geht um Menschen und ihre privaten Probleme, ihre Ängste und die Veränderung ihres Lebens, die jener Anschlag selbst bis in so entfernte Regionen wie das ländliche Bosnien (damals noch Bosnien-Herzegowina) trägt.
Viele Episoden sind auch von starkem moralischem Zündstoff. So zieht Ken Loach in erschütternden Worten eine Parallele zum Sturz des chilenischen Präsidenten Allende am 11. September 1973, der von den USA angezettelt wurde, weil sie die darauf folgende Terrorherrschaft des Diktators Pinochet dem friedlichen Kommunismus Allendes vorzogen. Und Sean Penn zeigt das einsame Leben eines alten Mannes, der in seiner dunklen Wohnung vor sich hin vegetiert und mit seiner toten Frau spricht bis eines Tages die Türme einstürzen und zum ersten Mal helles Sonnenlicht in sein tristes Leben strahlt.
Das Konzept des Films geht voll auf. Über die unterschiedliche Inszenierungsqualität hinweg erzeugt die Aneinanderreihung verschiedenster Ideen eine faszinierende Vielfältigkeit an Stimmungen: Von witzigen Geschichten wie den Jungs in Burkina Faso, die auf einem Wochenmarkt Osama Bin Laden zu sehen glauben und alles daran setzen, die 25 Millionen Dollar Belohung für seine Ergreifung zu bekommen, bis zur markerschütternden Episode des Mexikaners Alejandro González Iñárritu, die einen schwarzen Bildschirm untermalt mit muslimischen Gebeten und verzweifelten Telefonanrufen, den er nur durch aufblitzende Bildschnipsel der Menschen unterbricht, die sich in ihrer unvorstellbaren Verzweiflung aus den höchsten Fenstern des brennenden World Trade Centers stürzten.
"11'09'01 - September 11" beeindruckt und bestürzt, er ist von großer emotionaler Wucht und zeugt in den meisten Fällen auch von einer hochintelligenten Auseinandersetzung mit der Problematik und ihren Zusammenhängen - und verliert bei all dem zu keinem Zeitpunkt den Hauptpunkt aus den Augen: Die Menschen, die in den Türmen und Flugzeugen ums Leben kamen, werden mit größtem Respekt geehrt. Seine kontinentübergreifende Internationalität ermöglicht es, die komplexen Zusammenhänge all der Folgen (seien sie politisch, sozial oder moralisch) auf der Welt in einer sehr einfachen Weise zu zeigen. Kurzum: ein Meisterwerk, das mitreißt, emotional packt und vor allem einen umfassenden Blick auf eine Welt am Abgrund gewährleistet.