"Il dolce corpo di Deborah" von Romolo Guerrieri kam bereits März 1968 in die italienischen Kinos und ist damit ein wichtiger Wegbereiter des Giallo. Anders als die Genrebeiträge von Antonio Margheriti ist er nicht dem Gothic Horror verpflichtet, sondern erzählt eine moderne, unheimliche Geschichte von Liebe und Intrige, die sich mit der Verunsicherung einer jungen Frau beschäftigt, die am Ende waghalsig-doppelbödig ausklingt.
Für die meisten seiner Darsteller war er das Genredebüt. Während Jean Sorel nicht zuletzt durch seine Rolle in Bunuels Liebes-Satire "Belle de jour" beflügelt wurde, kamen Ida Galli (als Evelyn Stewart kreditiert), Luigi Pistilli und George Hilton damals vor allem vom Italowestern. Hauptdarstellerin Carroll Baker hingegen, 1931 in den USA als Karolina Piekarski geboren, hatte mit Marco Ferreris "L'harem" gerade ihr Italien-Debüt hinter sich. Beginnend mit "Deborah" drehte sie nun eine Handvoll Gialli, die meisten unter der Regie von Umberto Lenzi, unter so klangvollen Titeln wie "Orgasmo" und "Paranoia". Dieser Film gehört ganz der hübschen polnisch-amerikanischen Darstellerin, die in den USA bereits mit einigen der bekanntesten Stars zusammen vor der Kamera gestanden hatte.
In einem Verwirrspiel aus der Feder von Ernesto Gastaldi, unter Beteiligung von Luciano Martino, wird ihre Figur Deborah vom jungen Eheglück in den Flitterwochen an den Rand der Vernichtung geführt. Bereits der Besuch eines Strip-Lokals in Genf wirkt wie eine Art Unschuldsverlust und führt zu einem schönen Dialog; Deborah fragt, während eine dunkelhäutige Tänzerin sich zu Buschtrommel-Untermalung entkleidet, provokant lächelnd: "Gefällt sie dir?", worauf Marcel ebenso lächelnd entgegnet: "Würdest du mir glauben, wenn ich Nein sagte?" Eine hier noch übereinstimmende Kommunikation weicht im Folgenden einer überaus unklaren Lage, in der bald keiner mehr weiß, ob ihm der andere etwas vormacht. Ein Foto, ein Musikstück, Telefonanrufe sind die Elemente, die zu wachsender Verunsicherung führen, bis die Protagonisten irgendwann in Lebensgefahr geraten.
Der Film erfuhr eine beachtliche internationale Auswertung und führte dazu, dass die erfolgreiche Gastaldi-Rezeptur unter anderem unter der Regie von Sergio Martino noch mehrmals zur Anwendung kam, in dessen Klassikern wie "Der Schwanz des Skorpions" oder "Der Killer von Wien" man ähnliche Elemente findet. Die visuelle Finesse des letztgenannten Films kommt in Guerrieris Film noch nicht vor, dafür ist Nora Orlandis Filmmusik in ihren besten Momenten so intim, wie Filmmusik nur sein kann. Zu psychedelischen Hammondorgel-Klängen ist eine verlorene Frauenstimme zu hören, vermutlich die der Komponistin selbst, was in Szenen, in denen Deborah allein zu sehen ist, wie ein in Musik gefasster innerer Monolog der Figur klingt: Wer bin ich? Was bringt mir die Zukunft? Zusammen mit der zarten, nachdenklichen Erscheinung der Darstellerin machen diese Klänge Momente, in denen Deborah am Strand den Wellen nachsieht, zu den ausdrucksvollsten des Films.
Im Folgenden bildet sich ein fragiles Viereck mit Ehemann Marcel (Sorel) sowie den schwer einzuschätzenden Nebenfiguren Philippe (Pistilli), der dem Ehepaar aus undeutlichen Motiven nachstellt, und Robert (George Hilton), der sich als neugieriger Nachbar in Deborahs Leben drängt. Dazu kommt eine Verstorbene, Suzanne (Ida Galli), die dennoch stets im Leben von Marcel und Deborah auftaucht wie ein ruheloser Geist. Die ständige Präsenz der Vergangenheit in der Gegenwart ist letztlich das vorrangige Thema des Films und stellt immer wieder wortlos die Frage, ob man das Gewesene nicht einfach ruhen lassen und sich der Zukunft widmen soll.
Wer Gastaldi kennt, ahnt jedoch schon, dass hinter der fein gewobenen Mysterienstimmung möglicherweise eine Auflösung wartet, die den Schleier unsanft zerreißen wird. Während Kamera (Marcello Masciocchi) und Ausstattung (Amedeo Fago) sich elegant, aber lange nicht so manisch-ausschweifend geben wie in vielen späteren Genrevertretern, sind vor allem das Handlungskonstrukt und Filmmusik bereits auf der Höhe der Giallokunst. Das macht Guerrieris Werk zu einem Film, den der Genrefreund kennen sollte.