Review

Staffel 1

Eines der genialsten "Was wäre Wenn?"-Szenarios

Was wäre, wenn die Achsenmächte den zweiten Weltkrieg gewonnen hätten & nun den Planeten unterjochen würden? Genau in diesem Alternativ-Horror-Szenario spielt Amazons neue Flaggschiff-Serie "The Man In The High Castle". In einem zwischen Japan & Deutschland aufgeteilten Amerika, geht es um Widerstand, Liebe, Verrat, Ehre & vor allem geheimnisvolle Filmrollen, die Videos aus unserer Zeit beinhalten. Diese versucht der Widerstand schnellstmöglich zum "Mann im hohen Schloss" zu bringen, wogegen die nun nahezu allmächtigen Nazis natürlich gehörig was haben. So beginnt ein kompliziertes Handlungs- & Personengeflecht, welches zwar in einer der optisch schönsten & inhaltlich originellsten Welten spielt, die je auf dem TV-Gerät zu sehen war, doch dies leider so lethargisch, auf der Stelle tretend & wenig mitreißend, dass überraschend schwacher Suchtfaktor entsteht. Ich muss sogar überlegen, ob ich in der bald erscheinenden zweiten Staffel noch am Ball bleibe...

Die Darsteller, sowohl auf japanischer als auch amerikanischer oder deutscher Seite, sind erste Klasse, fast Kinoniveau. Ebenso die Optik samt der schockierenden Umsetzung eines globalen Nazi-Netzwerkes, welche einige der berühmtesten Städte der USA ekelhaft nationalsozialistisch erscheinen lässt. Der alptraumhafte Retro-Look & die vielen kleinen optischen Spielereien, machen wirklich was her. Vom Opa-Hitler über ein protziges Reichs-Berlin bis zu Nazi-Kopfgeldjägern im Hinterland Nordamerikas. Wer sich mit dieser genial-bösen Parallel-Welt anfreunden kann oder sogar begeistern lässt, der steht die sich ziehende erste Staffel wesentlich leichter durch. Und wer will schon nicht in Staffel 2 sehen, wie Japan & Deutschland sich gegenseitig zerfleischen oder was in dieser Welt mit Russland passiert ist?! Da liegt mein Interesse.

Doch leider macht der hier sehr zähe Inhalt, noch immer das Wichtigste bei einem Film/Serie aus, sodass er optisch noch so fein & schauspielerisch noch so engagiert sein kann - wenn man am Ende der Staffel nicht weiter ist als nach dem Trailer oder der ersten Folge, dann ist das einfach zu wenig. Die Welt wird glaubhaft eingeführt, die Nazi-Schergen sind die grausamen Highlights der Show & alles wirkt positiv cineastisch - doch die Charaktere sind blass geschrieben, man baut wenig Verbindung auf, fast zu den Bösen mehr als zu den Guten. Dazu verheddert sich die Story in Nebenschauplätzen, die reichlich wenig interessieren. Die Grundidee aus der Buchvorlage ist einmalig & meisterhaft, der inhaltlichen & dramaturgischen Umsetzung fehlt es aber an Kraft, Spannung, Mitgefühl, Höhepunkten & Tempo. Wer sich also für den verdrehten historischen Aspekt wenig begeistern kann, dem werden hier wohl öfters mal die Augen zu fallen. 

Fazit: spannungsgeladene Kriegsthriller-Serie auf einer alternativen Zeitebene, in der die Nazis & Japaner den zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Ein paar erzählerische Schwächen lenken stärker als einem lieb ist, von der hübschen Optik & der mutigen Grundidee ab. (6/10)

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