kurz angerissen*
Horrorfilme aus dem Bereich Home Invasion zeichnen sich normalerweise dadurch aus, dass sie den Terror ins eigene Heim bringen und somit in die private Zone. Auf Reisen durch das Land muss das Opfer vielleicht damit rechnen, Psychopathen zu begegnen, die eigenen vier Wände jedoch werden als letzte Bastion der Sicherheit verstanden. Die Außenwelt spielt bei deren Infiltration keine Rolle mehr, sie wird sogar regelrecht aus dem Szenario geschnitten.
"Sweet Home" hingegen variiert die recht eng gesteckten Regeln dieses Subgenres und verfolgt damit höhere Ziele. Schon der Prolog macht deutlich, dass wir es nicht mit einem gewöhnlichen Genre-Werk zu tun haben: Anstatt einer 20-Jährigen steht hier eine alte Frau unter der Dusche. Nichts fürs Auge, aber sehr wohl dienlich für eine rabiat formulierte Kritik an der Gesellschaftspolitik. Denn der initiale Mord wird nicht von einem Geisteskranken mit Mutterkomplexen begangen, sondern vom gesichtslosen Mitarbeiter einer Agentur, mit dem Ziel, Wohnungsräume zu schaffen.
Eine wahrhafte Holzhammer-Attacke auf den Mietpreiswahnsinn in spanischen Großstädten also, die Rafa Martínez uns hier auftischt, auch wenn die Verpackung primitivere Gelüste zu befriedigen verspricht. Der eigentlich so einfache Kniff führt im weiteren Verlauf zu raffinierten Abwandlungen des Bekannten, nicht zuletzt dahingehend, dass es in diesem Fall nicht das eigene Heim ist, das einer Invasion durch einen Axtschwinger ausgesetzt ist, sondern das eines alten Mannes, den die Hauptfigur in ihrer Funktion als Immobilienmaklerin kurz vorher besucht. "Sweet Home" wird also zum Kampf nicht etwa um den persönlichen Grundbesitz, sondern um ein Grundsatzrecht, das stellvertretend von einem jungen Einzelkämpferpaar ausgefochten wird.
Barcelona spielt als Schauplatz dabei wieder seinen ganzen Charakter aus. Speziell im Treppenhaus des abgehalfterten Altbaus stattet uns "[REC]" per Déjà-Vu einen Besuch ab, auch außerhalb des Wohnbereichs dominierten chemische Farbtöne im Spektrum zwischen Rostrot und Fiebergelb.
Der begrenzte Vorrat von nur zwei potenziellen Opfern, der Maklerin und ihrem Freund, wird durch geschickte Nutzung der Raumverbindungen optimal ausgenutzt, so dass gar nicht allzu viel Mord und Totschlag notwendig ist, um das Terrorlevel hoch zu halten; wenn aber die Fetzen fliegen, dann so richtig. So subversiv der Unterbau, so stumpf dessen gewaltsame Untermauerung. Irritationen können davon ausgehen, dass zu Beginn ein nicht allzu geschickt vorgehendes Trio vorgeschickt wird, um die Wohnungen zu räumen. Als sich jedoch herausstellt, dass sie nur die Vorhut für den eigentlichen Gegner sind, darf der Genre-Freund sein zufriedenes Grinsen wieder auftragen - fortan geht es entschlossener, zielgerichteter und wortkarger zur Sache.
Eine runde Stunde dauert das intensive Versteckspiel, bevor das an die Physis von Rape-and-Revenge-Filmen der Marke "I Spit On Your Grave" angelehnte Finale nach strammen 80 Minuten einen eher konventionellen Deckel drauf macht. Ein typischer Home-Invasion-Vertreter ist "Sweet Home" aber nur dem Ablauf nach; seine Subtexte bezeugen ein Denken über das Eigenheim hinaus.
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