Verhaltensforschung zählt zweifelsohne zu den spannenden Einheiten eines Sozialpsychologen, zu denen auch Stanley Milgram zählte. Er erforschte unter anderem folgendes, durchaus bekanntes Phänomen: Ein halbwegs belebter Ort, an dem ein, zwei Personen innehalten und einen bestimmten Punkt am Himmel anstarren. Garantiert werden es ihnen schon bald Passanten gleichtun, obgleich es rein gar nichts zu entdecken gibt.
Hauptaugenmerk des Streifens ist allerdings das Milgram-Experiment, welches auch heute noch in verschiedenen Varianten durchgespielt wird.
Yale 1961: Verhaltensforscher Milgram (Peter Sarsgaard) führt mit seinem Team ein Gehorsamsexperiment durch: Die Probanten erhalten die Rolle des Lehrers und des Schülers und agieren in getrennten Räumen. Bei einer falschen Antwort seitens des Schülers erhält dieser einen Stromschlag. Nach einer weiteren falschen Antwort wird die Stromstärke erhöht.
Doch wie weit werden die jeweiligen Lehrer gehen, wenn der Schüler bei 200 Volt bereits aufstöhnt, die Skala jedoch bis 450 reicht?...
Milgrams Experiment wird seit jeher kontrovers diskutiert, obgleich der Schüler zum Team gehörte und zu keiner Zeit einen Stromschlag erhielt. Milgram, ein Mann mit jüdischen Wurzeln, wollte erforschen, warum Menschen in bestimmten Situationen gehorsam gegenüber Autoritäten sind, insbesondere hinsichtlich der Vorgänge zur Nazizeit.
Bis wann ist Gehorsam angemessen? Ab wann offenbart sich der Widerspruch mit dem eigenen Gewissen?
Das Ergebnis überrascht durchaus, jedoch ist auch die Umsetzung von interessanten Einfällen geprägt. So hält Milgram ein ums andere Mal inne, um sich direkt an die Kamera zu richten und bestimmte Vorgänge zu kommentieren oder Randnotizen hinzuzufügen. Begebenheiten in den Sechzigern werden nicht selten mit überdeutlichem Greenscreen umgesetzt, teilweise sogar bewusst Schwarzweiß gehalten, was einer Hommage ans Kino der damaligen Zeit gleichkommt.
Inhaltlich steht weniger Milgram als Privatperson im Vordergrund, der seine spätere Frau Sasha (Winona Ryder) fast schon beiläufig kennen lernt, sondern seine vielfältigen Experimente. So werden Briefe mit spezifischen Adressen in der ganzen Stadt „verloren“, Studenten sollen im Linienbus laut ihr Lieblingslied anstimmen und als JFK erschossen wird, glauben die Studenten tatsächlich an einen Fake, so sehr wurden sie vom Einfallsreichtum Milgrams geprägt.
Handwerklich ist Autor und Regisseur Michael Almereyda kaum etwas anzukreiden, darstellerisch wird überdurchschnittliche Kost abgeliefert und auch die Ausstattung kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen. Inhaltlich hätte der Stoff zuweilen noch etwas mehr in die Tiefe gehen können, etwaige Kontroversen werden oft nur oberflächlich angerissen und zuweilen erschließt sich der Sinn mancher Experimente nicht gänzlich.
Dennoch ein interessantes Biopic mit spannenden und kurzweiligen Themen, welches für Freunde sozialpsychologischer Themen gewiss eine Sichtung wert ist.
7 von 10