"Der Vogel mit dem Kristallgefieder" ist der erste Teil in Argentos Giallo-Trilogie und ein hübscher kleiner Film, der weitaus besser ist als ich erwartet hatte. Frühwerke fallen ja oft nicht ganz so ausgereift aus und so war ich mir ziemlich sicher, dass dieses Teil nach Tenebre und Suspiria eher enttäuschend sein würde. Aber ... weit gefehlt.
Zum Plot ist ja bereits in den anderen Reviews reichlich geschrieben worden. Es ist die alte Leier vom Amerikaner in Italien, vom Zufallszeugen bei einem Mord(versuch) und dem Laien, der zum Detektiv wird und auf einmal selbst in die Schusslinie gerät. Nicht unbedingt orginell (vielleicht damals als der Film gedreht wurde), aber niemals langweilig in der Umsetzung und spannend bis zum Ende beginnt so die Jagd nach dem Giallo-typischen Rasierklingen-Mörder mit den schwarzen Handschuhen, den der geneigte Fan ja auch erwartet.
Die schauspielerische Leistung ist dabei sehr solide und als kleinen Bonus kriegt man auch noch Mario Adorf als verrückten Maler mit einer besonderen Vorliebe für Katzen zu sehen.
Was aber wirklich überzeugt, ist der visuelle Punch des Films. Bei weitem noch nicht so stark stilisiert und kontinuierlich durchgesetzt wie in Suspiria, aber doch deutlich erkennbar, inszeniert Argento, vor allem in den Action-lastigen Sequenzen (Mordversuch in der Galerie zu Beginn, Flucht vor dem Mann in der gelben Jacke, Mord im "dreieckigen" Treppenhaus o. Verfolgungsjagd zum Ende des Films), Licht & Schatten, Farben & Formen und ergänzt es mit wunderschönen Kamerabewegungen und einer Geometrie in den Einstellungen, die an Ästhetik schwer zu überbieten sein dürfte. Mit anderen Worten: ein Fest für die Augen. Auch der Großteil der Szenen, die eher durchschnittlich und im Stil der Zeit gefilmt wurden, überzeugen.
Fazit: "L'Ucello dalle piume di cristallo" zeigt, obwohl es sich um ein sehr frühes Werk Argentos handelt, doch schon einiges vom typischen Argento-Stil. Visuell raffiniert inszeniert, kriegt man hier einen spannenden Giallo zu sehen, der auch ohne expliziten Sleaze und Splatter zu unterhalten weiss.
Dafür gibt's 9/10 Punkten von mir (auch wenn dies in der Bewertung der späteren Argento-Filme nach oben wenig Platz lässt).
Zur DVD von Medusa: Die italienische Version ist die einzige, die ich kenne, und daher kann ich hier jetzt keine Vergleiche anstellen (zur dt. DVD gibt es ja auch schon genug garstige Forumseinträge). Sie ist meiner Meinung nach aber zu empfehlen. Das Format stimmt, das Bild ist eher mittelmässig (hier musste ich mein ursprüngliches Urteil nach nochmaliger genauerer Betrachtung revidieren), aber die Farben leuchten, so dass Genuss und Atmosphäre kaum beeinträchtigt werden. Man bekommt eine remasterte italienische Tonspur, sowie italienischen und englischen Monotrack. Die englischen Untertitel haben hier und da kleinere Macken, über die man aber getrost hinwegsehen kann. Die Extras (Texttafeln zu Crew und Cast und eine kleine Photogalerie) sind etwas dünn, aber die sonstige Aufmachung ist gelungen. Alles in allem eine Kaufempfehlung für Fans des Genres und Argento im Besonderen; und das mittlerweile zu einem echten Sonderpreis. Eine Alternative für alle, die auf eine dt. Tonspur verzichten können.