Review

Auf der einzigen Filmbörse meines Lebens erwarb ich vor langer, langer Zeit drei DVDs: „Suspiria" von Dragon, eine schicke Pappboxvariante von „Die Nacht der reitenden Leichen" und eine limitierte Harboxvariante von „Im Blutrausch des Satans" von XT.


Mario Bavas zur Legende verklärten Film kannte ich nicht, aber der schmissige Titel und der Ruf, Urvater des von mir innig geliebten Slashergenres zu sein, reichten aus, um zuzugreifen.
Bei der ersten Sichtung war ich geschockt, was für ein schlechter Film denn „Im Blutrausch des Satans" letztlich war. Nun, ich war noch sehr jung und meine Sehgewohnheiten waren von den immer sehr aufgeräumten, linearen und weniger experimentierfreudigen US-Slashern geprägt. Da konnte ich dann mit Bavas Spiel mit Perspektiven und Farben in Kombination mit der schlechten Synchro wenig anfangen. Zudem war die Geschichte für einen Slasher absolut untypisch.

16 Jahre später arbeite ich mich nun durchgehend sehr vergnügt durch das italienische Thriller-Kino der Sechziger- bis Achtzigerjahre und da fällt mir doch glatt die DVD in den unendlichen Weiten des Kellers ein. 

Würde sich meine geradezu schlechte Meinung über den Film angesichts von jahrelangem Wachstum an Weisheit und Wissen revidieren lassen? (Hier bitte im Geiste die dramatische Lindenstraßenschlussmusik einfügen. (Ich habe mich eben vertippt und nun stelle ich mir die Frage: Gibt es eigentlich eine sleazige Softsex-Version der Lindenstraße? „Die Lendenstraße"?)) 

Um die Antwort vorweg zu nehmen: Ja. 

Also nein, es gibt wohl leider keine „Lendenstraße", aber ja, ich bewerte jetzt Bavas Film anders. So richtig gut finde ich ihn zwar noch immer nicht, aber ich kann mittlerweile seine Qualitäten durchaus anerkennen. Das liegt wohl ganz einfach daran, dass ich zuletzt so viele italienische Filme gesehen habe, dass die qualitativ stark schwankende Kameraarbeit, die über steinigen Grund stolpernde Narration und eben die die Umwelt zum Verstummen bringende, leblose Synchronisation mich nicht mehr schockieren können. 

Der lachhaft laut brüllende deutsche Filmtitel, und das ist hier die große Überraschung, ließe sich mit Wohlwollen tatsächlich inhaltlich sinnvoll ableiten, wenn man die Handlung betrachtet, in der erbschleichende Famlienangehörige sich gegenseitig und einer recht rohen Natur folgend verhackstücken und wenn man "Satan" als Allegorie auf die dem Menschen innewohnende Schlechtigkeit verstehen will. Der natürlich sinnvollere italienische Titel bedeutet übersetzt „Kettenreaktion" und weist somit wesentlich deutlicher darauf hin, dass Bava hier eine Geschichte über eine lauernde Boshaftigkeit seiner Figuren erzählen will, die durch einen Anstoß ins ungebremste Rollen kommt. Angereichert mit einem grundsätzlichen Zynismus kommentiert Bava hier krimitypische Eigenschaften der Figuren, vor allem die Habgier, die in seinem kleinen Lehrstück alle Akteure zwangsweise in den Untergang reißen müssen. Selbst das Problem, dass letztlich am Ende ja eine Figur überleben muss, löst Bava mit einem Knall auf, der durch die totale Irrationalität dem Ganzen etwas Parabelhaftes verleiht. Und auch diesen Hang zum Symbolischen weg vom Logischen habe ich nun mittlerweile durch unzählige Gialli und ihre nächsten Verwandten beinahe liebgewonnen.

Neben einer im Kern sehr prototypischen Kriminalgeschichte à la Edgar Wallace geht es aber im Bereich der Rezeption viel mehr um die Mordszenen, denen Bava hier auch viel Raum und Energie widmet, um so letztlich auch sein zenrales Thema zu pointieren, so dass der Wallace-Vergleich vom Anfang dieses Satzes eher unpassend wirkt. Es geht so zwar um eine niederträchtige Erbengemeinschaft wie beispielsweise in „Das indische Tuch“, die sich hier dann aber für einen Wallace-Krimi vollkommen undenkbar brutal gegenseitig dezimiert. Die Wahrnehmung konzentriert sich daher folglich bei Sichtung vor allem auf den letztgenannten Aspekt, was etwas schade ist, denn die hier erdachte Variation der Erbschleicherei wäre in ihrer Anlage fast zu Höherem berufen gewesen. 
 
Die beiden 1981 in „Freitag der 13. Teil 2" kopierten Morde ragen dann aus dem groben Treiben heraus und sind hervorragend roh und schmissig in Szene gesetzt. Ich bin mir nicht sicher, aber der Film ist wohl noch beschlagnahmt, was natürlich total blödsinnig ist, weil Bava sich auch in seinen drastischsten Momenten nie des Straftatbestands der Gewaltverherrlichung schuldig macht. Aber für einen Mario Bava ist die hier praktizierte Lust am Schockieren doch recht ungwöhnlich, weil sie einfach sonst nie Bestandteil seines filmsprachlichen Repertoires war und somit drängt sich die Frage auf, was ihn dazu gebracht hat, von der Andeutung hin zu grafisch expliziten Darstellung zu gehen.

Die Antwort darauf kann meines Erachtens nur in dem angesprochenen zynischen Kommentar des Films zu seinen Figuren liegen, der auf diese Weise erst seine volle Aussagekraft entwickeln kann. Von daher verwundert die Figurencharakteristik auch nicht, denn hier sind wirklich allesamt unangenehme Arschlöcher, wobei besonders Claudine Auger als kommandierende Ehefrau sich vollkommen der Skrupellosigkeit und Geldgeilheit ihrer Figur hingibt und so etwas mehr in den Fokus rückt als der Rest der unsympathischen Familie oder Interessenten.

Während die Musik eher eine Stimmung schafft, die Lust auf einen geselligen Nachmittag mit dem Anzug am Leib und dem Martini in der Hand macht, während man sich eine Zigarette aus dem silbernen Zigarettenetui angelt, drängt sich die optische Frage angesichts des Gesamtergebnisses mit etwas mehr Vehemenz auf.

Es gibt zwar schöne Schwenks, gerade über die abendliche Bucht, schöne und stimmungsvolle Bilder, gerade das Haus an der abendlichen Bucht, und toll gefilmte Morde, wie den ersten Mord an der alten Frau in dem Haus in der abendlichen Bucht, aber irgendwie strahlen die Bilder keine Leinwandeleganz aus. Ob es an Filmmaterial, der Farbe oder den Bildausschnittsgrößen lag - Das Bild wirkt in den wenigsten Momenten wirklich hochklassig, so dass eben in Kombination mit der Synchro ein Gesamteindruck entsteht, den ich doch fast als billig bezeichnen muss. Und das bei Mario Bava! Wurde das Bild auf der DVD eventuell einfach gezoomt? Ich weiß es nicht, aber im Feld der Wettbewerber während meines Tripps durch das Subgenre des Giallo muss sich „Im Blutrausch des Satans" hinten anstellen, wenn es um den Preis für die beste Kameraarbeit geht. Ohne einen Anflug von gothischem Grusel hat Bava hier wirklich wenig aufzufahren, wobei gerade die Einrichtung der Räume wirklich mehr möglich gemacht hätte. In dem etwas später gedrehten „Lisa und der Teufel" knüpft Bava dann wieder an alte Qualitäten an, was irgendwie vermuten lässt, dass es Bavas Absicht war, der „Kettenreaktion" einen direkteren und reduzierteren Anstrich zu verpassen.


Fazit

„Im Blutrausch des Satans" ist keine filmische Offenbarung und abgesehen von den groberen Morden wird er weder dem ihm von der Slashergemeinde zugewiesenen Ruf noch den Ansprüchen von Connaisseuren gehobener europäischer Filmkunst gerecht. Filmhistorisch ist der Film jedoch in seiner für die Zeit noch ungewohnt konsequenten Machart von Bedeutung und er macht durchaus Spaß, wenn man sich Bava vorstellt, der mit größtem Genuss seine Figuren ihrer scheinbar unausweichlichen Zerstörung anheimfallen lässt.

Kein Giallo, denn dafür fehlt es den Morden an Spannungsbögen und erotischer Aufladung, kein Horror, denn dafür bewegen wir uns in zu natürlichen Bahnen, sondern ein eigenwilliger kleiner Film, dessen im großen Kontext gesehene Rezeption letztlich beachtlicher ist als er selbst. Es bleibt zu vermuten, dass eine damalige Kürzung um 5 entscheidende Sekunden dem Film niemals sein Standing ermöglicht hätte.
Für Fans des (italienischen) Genrekinos ist „Im Blutrausch des Satans" damit sicherlich interessant. Für den durchschnittlichen nach kurzweiliger Unterhaltung lechzenden Filmkonsumenten mit dem Hang zu Glam und Glitzer führen ja alle Wege eh nur nach Hollywood und da liegt von hier aus bekanntlich nur noch Großbritannien auf dem Weg, aber sicher nicht Italien.

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