Das Bindeglied zwischen Giallo und Slasher
Allein mit den vielen Titeln, die "Bay of Blood" rund um den Globus über die Jahrzehnte inne hatte, ließe sich ein Review füllen. Zudem kommt sein enormer Einfluss auf das Slasher-Subgenre, sodass von Jason bis Victor Crowley vor diesem Spät-Giallo alle ihre Mützchen ziehen dürfen. In Sachen Wichtigkeit und um zu zeigen, wie weit Mario Bava mal wieder allem voraus war, findet man wohl kaum ein besseres Exemplar. Doch was kann dieser See aus Blut und mysteriösen Morden sonst noch so? Steckt hinter seiner völlig gerechtfertigten Reputation ein sehr guter Film oder nur leere Luft? Bei meiner ersten Begegnung mit ihm hätte ich wohl noch auf Letzteres getippt, mittlerweile schätze ich ihn weit mehr. Ohne sagen zu können, dass er perfekt ist. Doch das wäre ja auch langweilig. Viel mehr ist das wilde Treiben über eine sprunghafte und heftig blutige Mordserie an einem idyllischen italienischen See, ein extrem interessanter, in sich abgeschlossener Mikrokosmos, bei dem man nicht genau sagen kann, ob die Story nun zu rar oder zu komplex ist. Eins ist in meinem Kopf mittlerweile für sicher erklärt: in Sachen psychologischer und soziologischer Eiseskälte und Intelligenz ist er seinen Hunderten indirekten Zöglingen um Welten voraus.
Dass Bavas Slasher-Vorläufer von 1971 ist, kann man kaum glauben. Und wieviel von Jason & Co. abgepaust wurde ebenso wenig. Hätte mir jemand gesagt, "Bay of Blood" wäre ein Jahrzehnt (oder sogar mehr) später erschienen, ich hätte sicher nicht widersprochen. Es ist einfach enorm viel hier schon vorweggenommen worden, von notgeilen Teenagergruppen bis zu legendären Kills. In Sachen Gore konnten Bavas in Deutschland leider immer noch verbotenem, schwer zugänglichem Juwel in den Folgejahren nur wenige Nachahmer das rotgefärbte Wasser reichen. Zudem wirkt die Atmosphäre dunkelschwarz nach und spaßig ist das Morden hier nie. Auf Grund seines extrem langsamen Aufbaus und dem (beabsichtigten) Fehlen von Hauptfiguren oder gar Sympathieträgern kommt man jedoch nur sehr behäbig in das grausame Geschehen. Dass da manche im Kopf schön zu früh abschalten, kann man nachvollziehen. Nur möchte man ihnen zurufen, dass sich bei diesem prägenden Whodunit die Geduld lohnt. Denn selten zuvor oder danach war die Auflösung derart berechnend und gefrierbrandauslösend. "Mord im Orient-Express" oder "Clue" trifft auf eine Schlachtplatte Medium Raw. Insgesamt nicht Bavas Bester und dennoch ein beeindruckender Meilenstein in vielerlei Hinsicht.
Fazit: super einflussreich, super unterkühlt, super schwer zu lieben. Bei Bavas "Bay of Blood" stehen Einfluss und Innovation etwas über der Qualität des Films. Für alle Slasher- und Giallo- und Horror- und Bava-Fans nichtsdestotrotz ein Must-Have. Gorige Grundausbildung. Ein Fest der faulenden Seelen. Unschuld ist in dieser Welt ein Fremdwort.