Review

„Wenn einer aus reiner Lust tötet, ist er ein Monster!“

Der im Jahre 1971 veröffentlichte Giallo eines der italienischen Meister-Regisseure schlechthin, „Bay of Blood“ von Mario Bava, ist zweifelsohne zu den Prä-Slashern zu zählen, jenen Filmen, die nach Alfred Hitchcocks „Psycho“ den Weg bereiteten für in Serie gehende Massenmörder à la Michael Myers oder Jason Voorhees. Den irreführenden deutschen Titel „Im Blutrausch des Satans“ verwende ich absichtlich nicht, denn mit Okkult-Horror oder Übersinnlichem hat „Bay of Blood“ nichts zu tun.

Der Inhalt lässt sich im Prinzip in einem Satz zusammenfassen: In einer idyllisch gelegenen Bucht geschieht ein grausamer blutiger Mord nach dem anderen. Wer der oder die Mörder sind und welche Motive es gibt, ist nomineller Gegenstand der Handlung, der es jedoch in erster Linie darum geht, ihre schrägen Charaktere in exploitativer Weise möglichst fies um die Ecke zu bringen. Im Grunde genommen kein unehrenhaftes Unterfangen für Freunde der härteren Gangart, doch ist ausgerechnet „Bay of Blood“ einer dieser in Kennerkreisen allgemein anerkannten und reputierlichen Filme, mit denen ich mich trotz meiner Italophilie schwertue, mit dem ich nicht so recht warm werde. Dabei fängt alles so vielversprechend an: Bereits zu Beginn fährt Bava Achterbahn mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, indem er „Bay of Blood“ mit einem Mord eröffnet, den Mörder jedoch gleich zu erkennen gibt. Überraschend wird jedoch auch dieser unmittelbar zur Strecke gebracht, diesmal von einer unerkannten Person. Was dann passiert, dürfte manch Slasher-Freund bekannt vorkommen, gehörte 1971 jedoch noch nicht zum Kino-Alltag: Junge Menschen fahren an den See, um sich zu amüsieren, Nackedeis springen durchs Bild, Teenies werden u.a. beim Sex brutal ermordet, viele Verdächtige kommen infrage, darunter groteske Gestalten wie ein in einen rohen Oktopus beißender Fischer oder das bizarre Paar bestehend aus einer Wahrsagerin und einem Insektenfreund. Die Kamera bedient sich immer mal wieder der subjektiven POV-Perspektive des Täters und man sieht ständig jemanden andere beobachten. Soweit, so gut, und es kommt noch besser, denn die Morde, gern ausgeführt mit Hieb- und Stichwaffen, wurden grafisch überaus explizit in Szene gesetzt (zwei Einstellungen wurden gar 1:1 für „Freitag der 13, Part II“ kopiert) und sehen dank versierter Tricktechnik auch klasse aus. Idyllische Bilder der Bucht konterkarieren die blutigen Ereignisse, ein glitschiger Tintenfisch kriecht über eine Leiche... Was also missfällt mir an „Bay of Blood“?

Ich finde ihn ehrlich gesagt etwas langweilig. Die Handlung ist vollends verworren, soll vermutlich satirische Züge aufweisen, wirkt jedoch willkürlich und mit dem Holzhammer zurechtkonstruiert. Sympathieträger und Identifikationsfiguren fehlen komplett, doch anstatt daraus eine düstere Stimmung zu erzeugen, wird „Bay of Blood“ spätestens nach 40 Minuten albern-komödiantisch und die Darsteller (Claudine Auger, Luigi Pistilli, Claudio Camaso, Anna Maria Rosati u.a.) chargieren in ihren erschreckend eindimensionalen Rollen um die Wette. Spannung aufzubauen gelingt Bava dadurch leider nicht; eine Hauptrolle definiert „Bay of Blood“ gar nicht erst. Nach einiger Zeit bekommt der Film dann doch wieder seinen ernsten Ton – Stimmungsschwankungen, die die Atmosphäre des Films empfindlich stören. Ganz Giallo ist „Bay of Blood“ mit seinem Whodunit? in Kreisen durchtriebener, geldgieriger, über Leichen gehender Menschen aus der Mittel- und Oberschicht, doch nach rund 55 Minuten stehen die Täter bereits fest. Gegen Ende arbeitet Bava mit erklärenden Rückblenden, die schwer an klassische Kriminalfilme erinnern, nimmt aber zwischendurch unverständlicherweise immer wieder das Tempo heraus und leistet sich dramaturgische Durchhänger. Bavas berüchtigte Farbspielereien und kameratechnischen Kniffe sind (nicht nur) im Ansatz vorhanden, wirken aber auf sich allein gestellt. Der Clou des Films, dass sich letztlich alle gegenseitig umbringen, wäre prinzipiell nicht verkehrt, zumindest vermutlich das Beste, was man aus der platten Geschichte hätte herausholen können - hätte man es nicht mit einer lachhaften Schlusspointe übertrieben.

Somit ist „Bay of Blood“ mutmaßlich Bavas grafisch explizitester Film und zweifelsohne ein Meilenstein für die Entwicklung einer Slasher-Reihe wie „Freitag der 13.“, dem es jedoch leider an jeglichem Tiefgang mangelt, sei es in Hinblick auf seine Charaktere oder auf seine Geschichte. Zudem holpert es erzählerisch doch beträchtlich und man kann es meines Erachtens drehen und wenden, wie man will: Letztlich waren es die ersten „Freitag der 13.“-Filme, die dem scheinbar pittoresken Ferien-am-See-Ambiente seine gruselige Stimmung und beunruhigende, unheilschwangere Atmosphäre verleihen. Dass bis dahin satte neun Jahre ins Land gingen, spricht natürlich einmal mehr für Bavas visionäres Wirken, das ich ihm trotz meiner evtl. harschen Kritik keinesfalls aberkennen möchte.

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