Review

Mit einer der erfreulichsten Nachrichten des letzten Jahres war, dass Ringo Lam seinen vorzeitigen und selbst gewählten Ruhestand für die Zeit wieder be- und sich einem neuen Projekt, unter Aufsicht von Drehbuch und Regie zugewendet hat. Die letzte eigenständige Arbeit, der beim Publikum weitgehend ignorierte und auch von der Kritik zu damalige Zeit nicht sonderlich wohlwollend besprochen Looking for Mister Perfect (2003), schon über ein Jahrzehnt her. Die Fragen nach der Wieder- und Rückkehr auch über die Jahre seitdem nicht leiser, sondern der Filmemacher im 'neuen' Hongkong-Kino, dass mehr Zuarbeit für China als autark ist, mit zunehmenden Hiatus auch zunehmend vermisst. Wild City noch nicht ganz die alte Form, oder durch zu hohe Erwartungen an Früheres und Gleichbleibendes in jetziger Trockenheit zu weit himmelwärts spekuliert, aber das Willkommen ist da und die Hoffnung auf mehr ebenso sehr:

Als der frühere Polizist und nunmehrige Barbesitzer Kwok Tin-man [ Louis Koo ] eines Abends die vor Kummer ziemlich betrunkene Yun [ Tong Liya ] aufliest und sie für den Moment ihn der Wohnung seines Halbbruder Kwok Sui-chung [ Shawn YU ] und dessen Mutter Mona [ Yuen Qiu ] unterbringt, ahnen die beiden noch nicht, mit was für einer Gefahr sie sich gerade beladen haben. Als sie der Festlandchinesin bei der Abhole eines mysteriösen Koffers aus ihrem abgestellten Auto behilflich sein wollen, wimmelt es plötzlich von Angriffen einer taiwanesischen Gang, angeführt von King [ Jackie Kao ] und unergiebig ausgeführt von dessen rechter Hand, Blackie [ Joseph Chang ]. Zusätzlich macht sich auch eine einheimische Verbrechergruppe, diesmal geleitet von Yan [ Sam Lee ] in Tin-mans bedrohlich in Tin-mans Kneipe breit, während die Polizei, darunter sein früherer Vorgesetzter Wong [ Simon Yam ] sowie dessen Kollegen Kwan [ Philip Ng ] und KUen [ Phillip Keung ] dem Treiben relativ taten- und nutzlos zusehen. Welche Rolle spielt der Koffer, welche der schmierige Anwalt George [ Michael Tse ] und welche der Schwerreiche Leung Ho [ Marc Ma ] ?

Was man zuletzt von Lam zu sehen bekam, war der Mittelteil vom als Experiment angesetzten Omnisbus-Projekt Triangle (2007); die Geschichte eines versuchten Juwelenraubes, in der drei Freunde und Partner zunehmend in Schwierigkeiten geraten und letztlich auf der Flucht vor allem und Jedem sind. Mit die ungewöhnlichste Tätigkeit von ihm, die gar nicht richtig persönlich, mit den Zutaten 'seines' Genres versehen, aber plötzlich dennoch ungewohnt intim und metaphysisch, als irgendwie seltsam losgelöst von allem sonstig Gewohnten wirkt. Von der Handlung her macht man hier fast weiter, wo man dort angefangen und noch nicht aufgehört hat. Wieder ist es ein Trio, nur hier statt drei Männer mit einer Frau als neues Geflecht, was nach ersten Sehnsüchten auf Affären, Romanzen oder Mehr aber bald keine Bewandtnis mehr hat. Da in all der Hetzjagd, der vielen kleinen Stunts, den Verfolgungsjagden zu Fuß, per Auto, per Boot mitten durch das Gewimmel gar keine Zeit dafür ist.

Ein Trio, dass sich auf der Flucht befindet. Eine Misere, an der von den Dreien irgendwie jeder anteilig sein Quäntchen Schuld hat, aber alles für sich Nichtigkeiten und ohne Belang, eher zufällig zur falschen Stelle am falschen Ort und deswegen im Leben nichts richtig gelaufen ist. Alle hatten Träume, die jeder für sich auch Berechtigung haben, aber längst passe und auch nicht mehr einzuholen oder im Nachhinein wieder gut zu machen sind. Von diesen Hoffnungen, die längst vergangen sind, erzählt Lam auch in der entsprechenden Form; im Blick aus dem Jetzt zurück, als Rückblenden, die durchaus viele und auch zu häufig an der Zahl sind, dass dies fast unangenehm, da störend und wie ein zu einfaches, zu billiges Mittel der Dramaturgie wirkt. [Ähnlich unpassend scheinen teils merkwürdig moderne Überblendungen, die bisherigen Arbeiten schlicht widersprechen, und auch keinen Sinn oder Effekt haben und seltsam fehl am Platze sind.]

Die Rückblenden selber sind aber nicht das Problem, sondern ergeben sich bald aus der visuellen Perspektive, in der sowieso vieles auf einmal und damit aus verschiedenen Blickwinkel gezeigt und so das sowieso vorhandene Gewusel in der Stadt noch zusätzlich erhöht wird. Denn das Trio wird nicht nur von verschiedenen Parteien attackiert, sondern dies auch tatsächlich aus verschiedenen Ecken und gar unterschiedlichen Formaten gezeigt. Bezeichnend, da ausgeprägt und nachhaltig ist dies vor allem in der Angriffszene vor und in einem Parkhaus, genauer in einem Treppengang dessen zu sehen, in der die rabiate Prügelei mit den heranstürmenden Gangster auch von der Überwachungskamera, scheinbar auch örtlichen Mobiltelefonen etc usw. aufgenommen und gleich mehrfach montiert und zerschnitten, selbst noch in der späteren Flucht erneut angespielt und abermals, teils dann in den jeweiligen Highlights und wie als nicht enden wollender Albtraum variiert wird.

Wenig erfreulich wirkt die Stadt HK hier sowieso, eine tatsächlich wilde bis abstoßende, da anstrengende Metropole, aus der kein Entkommen, nur das Bewegen im Kreise, stetig die Gefahr von allen Seiten präsent und auch keine Hilfe von den Gesetzeshütern, die eher noch zusätzlich stören und belasten, zu erwarten ist. Überall ist zwar die Menschenmenge, aber verstecken darin geht auch nicht und einen klaren Gedanken angesichts der prekären Lage ebenso wenig. Erst auf einem Toilettenhäuschen draußen vor den Toren der Stadt, am Friedhofshügel findet man die kurze Minute Ruh, die allerdings nur die Stille und der Frieden vor dem letzten gewalttätigen Ausbruch, eine wiederum explosive Auseinandersetzung mit vielen Toten mitten im Zentrum ist.

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