Männer und Frauen sind nicht nur der gleichen Spezies zugehörig, sondern auch im Allgemeinen sehr speziell. Da genügt ein Blick auf das Liebesleben der Geschlechter. Während die einen gern ausgiebig kuscheln, der Sache Zeit geben und auf Romantik setzen, bevorzugen die anderen meist die schnelle Variante, die zwar intensiv sein darf, aber anschließend noch genügend Platz für ein Bier danach oder gleich den Fußball lässt. Das schlägt sich auch im Fernsehkonsum nieder. Nicht von ungefähr kommt es, dass die einen sich eher von seichten Romantikkomödien unterhalten fühlen, die anderen hingegen gern explizite Kost anklicken. Ist soweit alles völlig normal und auch nicht besonders erwähnenswert. Wirklich interessant (oder psychologisch auffällig) wird es allerdings dann, wenn man die Grenzen auslotet. Wie im wahren Leben.
Ist der Sex mit einer Leiche eine männliche Fantasie? Ohne Alice Schwarzer das Wasser abgraben zu wollen, darf die Frage wohl mit einem Ja beantwortet werden. Es sind die Männer, die, jedenfalls beim flüchtigen Kontakt, ihre Sexualpartnerinnen auf das rein Körperliche reduzieren. Eine Mindestvoraussetzung, wenn vom Objekt der Begierde nur noch der Körper übrig ist.
Es wird schmuddelig. Jedenfalls thematisch.
Ein junger Angestellter des städtischen Krankenhauses arbeitet in der örtlichen Pathologie. Ein langweiliger Job, doch dieser Abend bietet eine Besonderheit. Ein landesweit bekannter weiblicher Superstar ist überraschend gestorben und landet im Keller der Einrichtung. Nach ein paar verschickten Handyfotos schlagen Freunde vor Ort auf, die sich für die nicht ganz alltägliche Leiche interessieren. Als man sich ungestört und unbeobachtet wähnt, geschieht das Unvermeidliche: Es bleibt nicht beim bloßen Fotografieren der immer noch sehr fotogenen Toten. Da das allein für sich aber immer noch keine abendfüllende Geschichte ist, wird es noch bizarrer. Denn die Verstorbene schlägt während der rhythmischen Bewegungen auf der Bahre die Augen auf. Wenn das mal kein Schocker ist?!
Mitnichten driftet die Sache übrigens ab in „Return of the Living Dead"-Gefilde. Die Frau lebt tatsächlich noch. Das ist zwar im wahren Leben auch nicht viel weiter hergeholt als Fleisch fressende Monster, sorgt aber wenigstens filmisch für ein unorthodoxes Szenario. Der spanische B-Reißer „Die Leiche der Anna Fritz" verlässt nach einer halben Stunde Film also überraschend die ausgelatschten Horrorpfade und mutiert zum Thriller mit Survival-Thematik. Den drei Männern ist nämlich nur zu gut bewusst, dass ihre Karrieren und sozialen Kontakte nicht geringen Schaden nehmen würden, sollte bekannt werden, dass sie sich an einer vermeintlich toten Schauspielerin vergangen haben. Also muss etwas unternommen werden. Die Frage ist, was tut Mann jetzt? Die Lösung ist naheliegend:
Tote kann man nicht ermorden. Denn sie sind schon tot.
Wie gut ist der Mann wirklich? Die Antwort ist einfach ambivalent. Der eine ist ein mieser Drecksack, der andere ein Mitläufer und der Letzte anständig. Die typisierten Figuren bedienen den von ihnen vermittelten Eindruck mit Nachdruck von Beginn an bis zum Schluss und kümmern sich nicht um Charakterentwicklung oder differenziertes Profil. Der Bad Guy will morden, der Held das Morden verhindern. Die Frau hingegen erwacht langsam aus ihrer lähmenden Unmündigkeit, schüttelt sich die Lethargie vom Körper, besinnt sich ihrer Kraft und beginnt erfolgreich Paroli zu bieten - um schließlich die Rolle des Helden zu übernehmen. Eine Parabel, wie sie der Mathematiker nicht schwungvoller zeichnen und der moderne Germanist nicht lauter beklatschen könnte. Wäre der Kontext vorzeigbarer. Obwohl, so schlüpfrig wird es nicht.
Vermarktung wie Filmplakat spielen mit dem Reiz des Verbotenen. Und das ist Absicht. Denn man ahnt, was der geneigte männliche Zuschauer sehen möchte: Einen nackten Superstar, an dem herumgefummelt wird. Aber wie sagt der Bayer: Obacht. Denn weder wird sich hier in voyeuristischen Einstellungen ergangen, noch würde es sich lohnen, für die entblätterte Anna Fritz 90 Minuten seines Feierabends zu verplempern. Denn so toll sieht sie nicht aus.
Auch sonst bleibt es wenig (Aufsehen) erregend.
In einem kammerspielartigen Setting versucht das geschundene Opfer seinem Schicksal zu entkommen und bedient sich dabei mindestens tausend Mal gesehener Versatzstücke des Thrillers oder Instrumente des Horrorfilms. Bis auf die zentrale Szene bleibt „Die Leiche der Anna Fritz" überraschend überraschungsarm. Die Herangehensweise an eine so unkonventionelle Prämisse ist dabei schlicht zu konventionell geraten, um einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu können. Auch die grau gefilterte Kulisse, der passable Score und eine durchaus vorhandene erzählerische Dichte heben Annas wiederholt fehlschlagende Versuche, den Peinigern zu entkommen, nicht aus der Masse der Genreware vom Grabbeltisch heraus. Der Film des Regieneulings Hèctor Hernández Vicens lebt allein von seiner Idee. Vielleicht so wie einst „The Sixth Sense". Nur ohne dessen grandiose Besetzung, ohne zweite und dritte Höhepunkte und vor allem ohne dessen fesselnde Inszenierung. Sicher, ein Spannungsbogen ist vorhanden und man will schon wissen, ob Anna Fritz nun endgültig hops geht oder den Jungs eins auswischt. Nur weiß man das mit ein bisschen Gespür für die Mechanismen einer einmal erfassten Inszenierung nach wenigen Minuten.
Ein Reißer, der damit kokettiert, dass er Ungewöhnliches auftischt, sollte seine Auflösung nicht vom Reißbrett ziehen. Nichts anderes macht Hèctor Vicens aber leider. Zwar bleibt er der männlichen Psyche hart auf den Fersen und lotet peinliche Niederungen aus, doch interessiert das bei solch geringbudgetierten Produktionen und deren Zielpublikum genau genommen keine Sau. Ein wenig mehr Courage, abseits des Weges zu gehen, und nicht ganz so holzschnittartige Gestalten, die sich hier in vertrauter Manier das Leben schwer machen und es wäre mehr drin gewesen. Allein die Idee bleibt interessant.