„Es gibt eine Tote!“ – „Trotzdem müssen die Bücher stimmen.“
Der dritte Spielfilm des US-amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautors Jeremy Saulnier („Blue Ruin“) ist der erneut für ein Genre-Publikum gedrehte Thriller „Green Room“, der dieses jedoch mit einem harten Realismus konfrontiert. Der 2015 erschienene Film lässt eine kleine Punkband in einen brutalen Konflikt mit einer Bande Neonazis geraten.
„Das hier ist ein Flächenbrand!“
Die Punkband „The Ain’t Rights“, bestehend aus Pat (Anton Yelchin, „Hearts in Atlantis“), Sam (Alia Shawkat, „The Runaways“), Reece (Joe Cole, „Vor ihren Augen“) und Tiger (Callum Turner, „Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“), befindet sich auf einer US-Tour und gibt einem Punk namens Tad (David W. Thompson, „Win Win“) ein Interview fürs College-Radio. Der von ihm organisierte Gig wird jedoch ein Reinfall. Es gibt böses Blut und die Tour steht auf der Kippe. Als Wiedergutmachung macht Tad ein Konzert irgendwo in den Wäldern Oregons klar, wo sein Cousin einen Laden mitbetreibt. Doch dieser ist Teil der örtlichen Neonazi-Szene, entsprechend setzt sich das Publikum zusammen. Die Band zieht ihren Auftritt trotzdem durch und setzt mit dem Dead-Kennedys-Cover „Nazi Punks Fuck Off“ ein deutliches Zeichen. Als sie anschließend die Szenerie verlassen wollen, finden sie eine Leiche im Backstage. Damit werden sie zu höchst ungebetenen Zeugen, zumal in der Lokalität auch weitere Straftaten stattfinden und man dort keinerlei Polizei gebrauchen kann. Als der Mörder die Bandmitglieder bedroht, überwältigen diese ihn zusammen mit dem Renee Amber (Imogen Poots, „28 Days Later“) und verschanzen sich im Backstage. Dies ruft den Besitzer und Kopf der Nazibande Darcy (Patrick Stewart, „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“) auf den Plan, der alles daransetzt, dass keiner der Punks lebend sein Grundstück verlässt…
„Ich bleib‘ bei den Misfits.“
Die wunderschönen Landschaftsaufnahmen zu Beginn wiegen in falscher Sicherheit und kontrastieren das Grauen, das sich abspielen wird. Passend zum Titel ist grün die dominierende Farbe in der Bildgestaltung. Im Gegensatz zu anderen Filmemachern, die Punks in ihren Filmen (gern auch exploitativ) karikieren oder sich mangels Kenntnis der Subkultur in Klischees suhlen, gelingt Saulnier eine realistische Zeichnung der Band, ihres Auftretens und Verhaltens. Auch die Musik wirkt authentisch. Die Stimmung ist nicht überdreht, sondern unangenehm, düster und zunehmend beklemmend und nervenaufreibend, letztlich gar nihilistisch. Für die Konzertszenen arbeitet Saulnier (bzw. seine Postproduktion) mit Zeitlupen; weitere Verfremdungen gibt es nicht bzw. verwenden sie derart subtil eingesetzt, dass sie nicht gleich ins Auge stechen.
„Ich will hier nicht sterben neben dir!“ – „Dann lass es...“
Die eigentliche Bedrohung beginnt erst nach dem Gig mit dem Fund der Leiche. Für die Polizei wird eine Messerstecherei als Vertuschungsversuch fingiert und den Punks eine Falle zu stellen versucht, auf die diese nicht hereinfallen. Die Belagerungssituation ist die Folge. Das Licht fällt aus und Darcy verhandelt rhetorisch überaus geschickt mit den Punks durch die geschlossene Tür. Wer eventuell fürchtet, von nun an handle es sich um ein dialoglastiges Kammerspiel, sieht sich getäuscht: In einer besonders krassen Szene reißt der Mörder einem der Punks beinahe die Hand ab. Kampfhunde und ein Mördertrupp werden auf die unwillkommenen Gäste gehetzt, es gibt Verluste auf beiden Seiten. Was hinter dem initialen Mord steckt, klärt sich dabei erst relativ spät.
„Green Room“ ist hochspannend und actionreich inszeniert, zudem sehr gut geschauspielert. Seine angespannte Stimmung und Härte erhält er bis zum Schluss aufrecht und bleibt ein grober, rüder Terror-Thriller. Neben manch Film subkulturellen Inhalts dürfte Saulnier Carpenters „Das Ende“ gesehen – und durchdrungen – haben, um davon inspiriert aber etwas mit eigener Handschrift zu kreieren. Und das ist überaus gelungen! Klare Empfehlung für Connaisseusen und Connaisseure dreckiger Indie-Thriller.
R.I.P. Hauptdarsteller Anton Yelchin, der 2016 gerade einmal 27-jährig bei einem Unfall verstarb.