Review

Knusper, knusper Knäuschen, wer klopft da an mein Häuschen...

Religion & Horror - schon immer 2 Konstanten, die gerne Hand in Hand gingen & voneinander nährten. Das enorm eindrucksvolle Regieerstlingswerk "The Witch", von Robert Eggers (ein Name, den man sich merken sollte!), speist ebenfalls von dieser Kombi. Ihn mit dem durchschnittlichen Exorzismus-Horror oder Ähnlichem zu vergleichen, wäre aber unter seinem Niveau. Diesen dramatischen Mittelaltergrusel, über eine Familie, die im 17. Jahrhundert, ausgeschieden an einem Waldrand in Neuengland lebt & deren jüngster Sohn womöglich von einer Hexe gestohlen wird, stellt man bitte nicht auf eine Stufe mit dem üblichen Horrormüll, sondern eher zu Klassikern wie "Der Exorzist" oder "Wenn die Gondeln Trauer tragen". 2016 ein Pflichttermin für jeden Horrorfan mit Niveau, oder die, die es werden wollen. Hexen waren selten angsteinflössender. So etwas wie ein erschütterndes & verstörend interpretiertes Zeitdokument, aus einer düsteren Periode der Menschheit & tonal mit starkem Wiedererkennungswert.

Natürlich ist es viel verlangt, von einem Horror-Publikum, welches meist Müll präsentiert bekommt & diesen sogar feiert, für diesen psychisch & künstlerisch herausfordernden Spuk, Geduld & Konzentration aufzubringen & aufrecht zu halten. Aber Filme wie "Babadook", "It Follows" oder eben "The Witch", sind für mich einfach Fixpunkte zur Umerziehung der fehlgeleiteten Masse, Beispiele für Kunst & Geschmack in Sachen Horror. In unterkühlten Farben & malerischen Bildern, fühlt man sich von Beginn an intensiv verstört. Der unheimlich laute & pieksende Soundtrack, verleiht zusätzliche Gänsehaut. Auf welcher Ebene man das religiös-teuflische Treiben interpretiert, ist jedem selbst überlassen. Ich persönlich halte das, dann doch etwas zu zeigefreudige Ende, für eine der wenigen Schwachstellen.  Bis dorthin war alles wesentlich subtiler & eindringlicher. Der Film spielt sich in dein Gedächtnis & lässt dich nicht mehr los.

Neben all der technischen Perfektion, in alter kubrickscher Tradition, auch beeinflusst durch das expressionistische europäische Horrorkino der 20er, sind vor allem die schauspielerischen Leistungen nennenswert. Wie man diese gestrafte, angegriffene & in ihrem Glauben & ihrer Zusammengehörigkeit zutiefst erschütterte Puritaner-Familie näher gebracht bekommt, ist große Kunst. Jedes Familienmitglied, sei es nervig, undurchsichtig oder einfach nur verzweifelt, macht ihre Sache super. Intensiv, gnadenlos & realistisch wirkt der ganze Film, fast schon so, das es weh tut. Egal ob der unheimliche Waldrand, die lumpigen Klamotten oder sogar die altenglische Sprache - Authentizität ist hier auf 100% gedreht. Selten habe ich solche Kinder- & Teenager-Performances gesehen - der Wahnsinn & vielleicht wirklich verhext ;)

Fazit: schweißtreibend intensiv - genau so muss Horror 2016 sein! Das positive Gegenstück zur ganzen JumpScare-Stangenware. Enorm atmosphärischer Zerfall einer Familie am Rande der Zivilisation - Grauen, irgendwo zwischen Kubrick & Dreyer! Lehrt in der Tat das Fürchten!

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