Review

Zu den wohl legendärsten Italowestern gehört allemal „Das Gold von Sam Cooper“, der als deutsch-italienische Co-Produktion von Giorgio Capitani umgesetzte wurde. Den Rest seiner Karriere verbrachte der Filmemacher mit eher unspektakulären Filmen, was ihn nicht daran hindern sollte, einmal Filmgeschichte zu schreiben.

„Das Gold von Sam Cooper“ gestaltet sich, im Frühling des europäischen, aufstrebenden Western geboren, als sich äußerlich noch am amerikanischen Pendant orientierend und das nicht nur, weil mit Van Heflin („Gunman's Walk“, „Shane“) und Gilbert Roland („Cheyenne Autumn“ und kleinere Engagements in „Bonanza“ und „Rauchende Colts“) zwei alternde, amerikanische Mimen sich rekrutieren ließen, die einiges an Erfahrung mit in diese Produktion einbrachten.

Auch Capitani zieht seinen Film sorgfältig, bisweilen noch im Stil des verstorbenen, großen Ami-Bruders auf und setzt lediglich hin und wieder auf die bald charakteristische, dreckig-pessimistische Bildästhetik, die die schweigsamen Eurowestern, insbesondere die aus Italien, kennzeichnen sollte. Selbiges gilt auch für den die Bilder begleitenden Komponisten Carlo Rustichelli, einer der vielen italienischen Workaholics, die für einen Scheck alles mit Musik versorgten, dessen orchestraler Ton nur selten den treibenden, rauen Klängen ähnelt, die Männer wie Ennio Morricone oder Bruno Nicolai währenddessen schon perfektionierten.

Das Drehbuch von Augusto Caminito („Rocco - Ich leg' dich um“, „Ein Halleluja für Django“) und Altmeister Fernando Di Leo („Kopfgeld - Ein Dollar“, „Für drei lumpige Dollar“) trägt bereits wichtige Kennzeichen des Eurowestern und es ist an Giorgio Capitani die reifen Früchte zu ernten.

Seine Geschichte von Gier, Verrat, Loyalität, Misstrauen und Enttäuschung glänzt vor allem mit einer detaillierten Analyse des sich zusammensetzenden, maskulinen Quartetts, die, angeregt durch die Aussicht auf Reichtum, eine fragil zusammengeschweißte Zweckgemeinschaft bilden.
Der alte Sam Cooper ist ein vereinsamter Mensch, der sein ganzes Leben lang dem Glück, dass er im Gold zu finden glaubt, hinterher gelaufen ist und nun im Alter endlich zusammen mit seinem Partner in einer Mine den großen Coup landen kann. Die Freude über den Fund währt aber nur kurz, denn sein Partner will alles für sich, Sam deswegen töten und wird von seiner eigenen Habgier in den Tod gerissen, weil Sam in letzter Sekunde gelingt die Mine zu sprengen. Der zehrende Ritt durch die Wüste, an dessen Ende nur weitere Banditen warten, die allerdings nur Sams Pferde und die Nahrungsmittel wollen, weil sie den Sand mit 30 % Goldanteil nicht als solchen erkennen. Entkräftet erreicht Sam die nächstgelegene Stadt und bricht zusammen, nur um darauf einen narrensicheren Plan zu schmieden, wie er endlich ein reicher Mann wird.

In seinem Misstrauen, geprägt durch das vorangegangene Geschehen, kontaktiert er seinen Ziehsohn Manolo (George Hilton, „Leg ihn um, Django“, „Man nennt mich Halleluja“), den er bereits vor Jahren aus den Augen verlor. In ihm glaubt er einen ehrlichen Partner zu finden, der ihn nicht hintergehen würde. Doch wenn es um Gold geht, scheinen Menschen wandelbar...
Denn Manolo weiht nicht nur ungefragt und auf eigene Faust nach seiner Ankunft den geheimnisvollen, angsteinflößenden Kumpan Brent (Klaus Kinski) mit ein. Nein, Cooper sieht sich, enttäuscht von dem Verhalten seines Ziehsohns, dazu gezwungen Mason (Roland), ein alter Weggefährte, der mit ihm eigentlich noch eine Rechnung offen hat, mit einzubeziehen, um das kippelige Gleichgewicht wieder herzustellen.
Die Zusammenstellung der Gruppe nimmt schon gut die Hälfte des Films in Anspruch und bereitet eigentlich nur auf die zweite Hälfte vor, macht den Zuschauer neugierig, weil der längst zweifelte, wie das denn überhaupt funktionieren soll und erschüttert Sam dabei kontinuierlich.

Was folgt, ist nicht nur ein langer Ritt durch die staubige, trockene Wüste, in der es auch zu Konfrontationen mit Banditen kommt, die ihnen ihre wertvolle Beute abnehmen wollen, sondern in erster Linie eine angenehm kribbelige Analyse der Vierer-Konstellation.

Sam geht daraus, wenn man so will, noch als ehrlichste Figur daraus hervor. Enttäuscht von Manolo, dem er schon vor dem Aufbruch kein Vertrauen mehr entgegenbringt, lässt er sich von einem Mann den Rücken decken, der ihn dafür verantwortlich macht, dass er drei Jahre Zwangsarbeit abbuckeln musste und deswegen noch eine Rechnung mit ihm begleichen will, obwohl Sam seine Unschuld beteuert.
Sam ist sich bereits früh bewusst, dass das eigentlich größte Problem gar nicht mal das Ausfindigmachen des Goldes ist, sondern der folgende Transport selbst. So viele Beteiligte wollte er gar nicht involvieren, seinen Fund lieber Totschweigen und mit Manolo dann die große Sause machen. Doch der Plan ist längst für die Katz’ und deswegen versucht er nun das Beste aus der Situation zu machen. Irgendwo hängt sein Herz eben noch an Manolo. Dessen Enttäuschung, als er ihn damals verließ, hat er längst wieder verdrängt.
Doch Manolo gibt nur vor der Junge von einst zu sein und spielt Sam damit lange etwas vor. Unaufrichtig, das Gewissen ausgeschaltet und Brent hörig, steckt er in einem Zwiespalt, hat einerseits Angst um Sam und vor Brent, will aber auch den großen Reibach machen und ist nie entschlossen dazu, die Initiative zu ergreifen.
Brent selbst, der seinen negativen Einfluss auf Manolo geltend machte, als dieser Sam damals verließ, vomdämonischen, verschlagenen Äußeren inklusive gefährlich blitzenden Augen von Klaus Kinski, hier eine Schlange in Menschengestalt, natürlich mit einer ganz eigenen fratzenhafte Marke ausgestattet, bleibt die geheimnisvollste aller Figuren, gibt seine wahre Natur allerdings dem Zuschauer zu erkennen, als er des nachts einen Marshall tötet, der auf der Suche nach Brent, dem Mörder, halbtot am Lager des Vierergespanns zusammenbricht und dann kaltblütig erschossen wird.
Mason, durch seine Malaria entkräftet, aber immer noch sehr gefährlich und vor allem scheinbar loyal, macht gar keinen Hehl daraus, aus welchem Grund er denn überhaupt diese beschwerliche Reise mit antrat und ist deswegen der Durchschaubarste.

Die vorprogrammierte Eskalation der scheinheiligen Gemeinschaft ist nur eine Frage der Zeit, weil Sam nur so lange unentbehrlich ist, wie er das ihm folgende Trio durch die endlose Wüste zur Mine und wieder zurück führt und es bereits auf der Reise früh zu Reibereien kommt. Misstrauen und Habgier wachsen über ihre Köpfe hinaus. Meist ist es Manolos Unentschiedenheit, die den schwellenden Konflikt zwischen den Beteiligten noch einmal hinauszögert. Denn die gemeinsame Beseitigung von Banditen ist nur ein kurzer Augenblick der Gemeinsamkeit. In ihren Köpfen arbeitet schnell wieder jeder für sich und das weiß auch jeder von ihnen. Die Erkenntnis erhöht die Paranoia und damit auch das Bestreben den nächsten möglichst heimtückisch und ohne eigene Spuren zu überlassen auszuschalten, damit Unsicherheit und Zwietracht den Rest weiter schwächen.

Am letztmöglichen Punkt kommt es trotz Sams vorhergehender Vorsichtsmaßnahmen dann doch zur lange hinausgezögerten Eskalation zwischen den Vieren, die urplötzlich eine Freundschaft wiedergebärt, die schon wenig später ihr tragisches Ende findet, weil zumindest einer der Beteiligten das Verhalten eines alten Freundes so nicht eingeplant hatte. Zurück bleibt trotzdem letztlich nur wieder die Einsamkeit in dem Bewusstsein, dass Reichtum allein eben doch nicht glücklich macht.

Ein herausragender Italowestern ist „Das Gold von Sam Cooper“ dann letztlich nicht ganz, weil ihm trotz guter Darsteller, und da ordne ich den ganz ordentlich aufspielenden George Hilton auch mit ein, und der sich absolut überzeugend zuspitzenden Prämisse ein Quäntchen unverwechselbarer Genialität fehlt.
Das mag auch daran liegen, dass Giorgio Capitanis Inszenierung nicht gänzlich dem typischen Italowestern entspricht und sich noch viele amerikanische Einflüsse tummeln, während ich für den zynischen, nihilistischen Ton der Italowestern viel zugänglicher bin. Zuletzt entscheidet eben immer noch der persönliche Geschmack.

Nichtsdestotrotz muss das Gesamtwerk als gelungen bewertet werden, denn dank der souveränen Darsteller und der staubtrockenen Optik fühlt man sich als Zuschauer früh involviert und gefesselt, fiebert mit den sich hintergehenden Männern mit, durchleuchtet jeden Charakter auf seine wahren Beweggründe und offensichtlichen Lügen, nur um Sympathie und Antipathie für die Beteiligten zu verteilen.
So funktioniert „Das Gold von Sam Cooper“ auch als Betrachtung der menschlichen Charakterschwächen, wenn das verderbliche und heißbegehrte Gold ins Spiel kommt, aus Freunden Feinde macht und ehemals ehrliche, gute Menschen von Kopf bis Fuß negiert.


Fazit:
Handwerklich „nur“ kompetent umgesetzter, aber ganz stark geschriebener und gespielter Western, der auf seiner Prämisse baut und sie ganz genüsslich ihren Lauf nehmen lässt, um zu beobachten, wie sich das Quartett wohl verhalten und entwickeln wird. Mit Intelligenz ausgestattet und auf gar wenige Schauwerte setzend, gehört „Das Gold von Sam Cooper“ dank seines starken Drehbuchs und den charismatischen Darstellern zu den besten Beiträgen aus der zweiten Reihe des Italowesterns.

Details
Ähnliche Filme